CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 85

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seits zu einer scheinbaren „Entpolitisie-
rung“ der betrieblichen Wirklichkeit, ande-
rerseits können auch Zahlen schlussendlich
zur Beförderung bestimmter Interessen ins-
trumentalisiert werden.
Ordnen wir uns im Alltag dieser Kraft völlig un-
ter, lassen wir uns unbewusst formen. Wir
rechnen dann nur noch in einem vorstrukturier-
ten Rahmen. Zugleich nehmen wir dabei eine
durchlässige, passive Haltung ein. Wir ziehen
uns gewissermaßen als Person aus der Situati-
on zurück. Wir stehen nicht mehr innerlich ne-
ben uns und betrachten den Kontext, das Zu-
standekommen der Zahlen und was dahinter
steht, sondern rechnen einfach, scheinbar kon-
textungebunden.
Wir hören auf zu denken,
was wir rechnen.
Solange der Organisations-
zusammenhang jedoch nicht von numerischen
Automatismen bzw. algorithmischen Entschei-
dungen geprägt ist, haben wir immer die Mög-
lichkeit mitzudenken „was wir handelnd zu ver-
antworten haben“ (Bonhoeffer). Das Bewusst-
sein um den eigenen Beitrag zur Realität, des
eigenen Schöpfens von Wirklichkeit, kann zu
einer geistigen Haltung führen, die durch Refle-
xion ein verantwortungsvolles und ganzheit-
liches Handeln ermöglicht (vgl. Rehn 2014).
Bezogen auf den Umgang mit Buchführung
und Erfolgsrechnung bedeutet dies, dass wir
beginnen zu verstehen und zu hinterfragen,
wie die Zahlen, die wir nutzen, berechnet
werden und welche Interessen sie bedienen.
Ferner sollte man sich bewusst machen, dass
die durch das Rechnungswesen sichtbar ge-
machten Zahlen Einfluss auf das Denken und
Handeln der betroffenen Akteure nehmen
können und dass man diesen Einfluss an sich
selbst wachsam beobachten kann. Nur wer
beginnt diesen Einfluss zu sehen, kann sich
zu ihm verhalten und eigenständige und sinn-
volle Entscheidungen treffen.
Erst in Kombination mit einer bewussten
und reflektierenden Haltung kann der Zah-
lenspiegel als eine von vielen Perspektiven
sinnvoll und tatsächlich gewinnbringend
genutzt werden.
Erst in diesem Umgang wird
Buchführung von einer Technik, die sich durch
eine korrekte Beherrschung anwenden lässt,
zur hohen Kunst, die nur bewusst und reflektie-
rend ausgeübt werden kann.
Wie kann Buchführung nun als Instrument
gestaltet werden, sodass es zum sensiblen
Umgang anregt? Eine Möglichkeit wird seit
den 1990er Jahren im Unternehmen
dm-
drogerie markt
entwickelt und erprobt. Die
Wertbildungsrechnung
, ein Instrument des
Management Accounting, unterliegt dem An-
spruch, zu einer bewussten Geisteshaltung der
Mitarbeiter im Umgang mit Zahlen beizutragen.
Dieser Ansatz wird im Controller Magazin Mai/
Juni 2016 vorgestellt, um die Überlegungen
dieses Artikels konstruktiv aufzugreifen.
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Fußnote
1
Unter Buchführung wird in diesem Beitrag, so
wie es auch der Oberbegriff „Accounting“ in
der englischsprachigen Literatur erfasst, nicht
nur die dokumentationsorientierte, externe
Buchführung, das Financial Accounting, son-
dern auch die entscheidungsorientierte, interne
Buchführung, das Management Accounting,
begriffen.
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