CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 88

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Ohne Führung funktionieren Gruppen und Or-
ganisationen nicht! Dieses Denken haben wir
seit Kindesbeinen verinnerlicht – auch aufgrund
der Erfahrungen, die wir gesammelt haben.
Entsprechend schwer fällt es uns, Führung neu
zu denken. Dabei wäre dies nötig aufgrund der
stets komplexeren Herausforderungen, vor de-
nen Unternehmen und ihre Mitarbeiter stehen.
Führung in der Start-up-Phase
Viele Start-Up-Unternehmen sind stolz darauf,
dass in ihnen ein
Laissez-Faire-Führungsstil
gelebt wird. Ihre Gründer und Inhaber, häufig
frischgebackene Hochschul-Absolventen, ver-
stehen sich nicht als Führungskräfte, sondern
eher als Mentoren, die Projekte sponsern und
ihren „Mitstreitern“ mit Rat und Tat zur Seite
stehen – ohne Kontrolle und Feedback.
„Feed-
back gibt der Kunde – nicht die Führung“
,
lautet ihr Credo. „Eine solche Organisations-
form ist verrückt und kann nicht von Erfolg ge-
krönt sein“, denken viele erfahrene Manager
beim ersten Hinschauen. Doch sie ist nicht ver-
rückt – das beweisen der Erfolg und das rasche
Wachstum zahlreicher Start-ups.
In den Unternehmen und in der Öffentlichkeit ist
„Führung“ ein zentrales Thema. Und darüber,
was eine gute Führung ausmacht, wird seit
Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten
diskutiert. In diesem Prozess werden die Anfor-
derungen an Führung immer feiner beschrie-
ben. Zudem werden Rollen- und Funktionsbe-
schreibungen erstellt und spezielle Auswahl-
systeme entwickelt. Und zur Führungskraft wird
man ausgebildet, und Führung wird meist auch
pekuniär honoriert.
Führung scheint in Unternehmen unab-
dingbar. Doch zugleich kostet schlechte
Führung viel Geld
, denn sie führt schnell zu
Friktionen und wirtschaftlichen Verlusten – ins-
besondere dann, wenn
·
sich eine zu enge „Brille“ mit einer großen
Entscheidungsmacht paart und
·
eine mangelnde Beachtung und Wertschät-
zung der Mitarbeiter zu einer Demotivation
von ihnen führt.
Um gute Führungskräfte buhlt deshalb die
Wirtschaft,
und sie haben ihren Preis.
Immer wieder hört man von Unternehmensfüh-
rern den Satz: „Unternehmen brauchen eine
starke Führung, um die Probleme der Zukunft
zu lösen.“ Noch vor der VW-Abgaskrise fiel die-
ser Satz im Rahmen der Auseinandersetzung
zwischen Martin Winterkorn und Ferdinand
Piëch über die VW-Führung – in der Tages-
schau. Und nicht selten hört man, dass der
Streit um Macht zwischen den Platzhir-
schen auf der Führungsebene Organisatio-
nen lähmt.
Dann sieht man die Kehrseite von
Führung, und es stellen sich die Fragen:
·
Wie kann man den Umschlag von Führungs-
macht in Herrschaftssicherung vermeiden?
·
Braucht man heute wirklich noch solche
„Führungssysteme“, die sich primär mit
sich selbst beschäftigen? Und:
·
Machen wir nicht zu viel „Kult“ um ein
Führungsideal, das vielleicht nicht mehr
funktioniert?
Denn unbeantwortet ist nach wie vor die Frage:
Lassen sich komplexe Organisationen wirklich
führen?
Lassen sich komplexe
Organisationen führen?
In ihren Analysen zu komplexen Organisations-
strukturen zeigten der
Systemforscher Fre-
derik
Vester
, der das vernetzte Denken im
deutschen Sprachraum populär machte, sowie
der Forscher und Hochschullehrer
Dieter Dör-
ner
1
, wie schwierig „steuernde Eingriffe“ in
vernetzten Systemen sind – unabhängig da-
von, ob es sich hierbei um Unternehmen,
Kommunen oder Staaten handelt. Dörner ging
das Thema experimentell an. Dabei wurde im-
mer wieder evident,
·
wie wenig einzelne, allein auf sich
gestellte Entscheider in komplexen
Situationen gute Wege und Lösungen
finden können und
·
wie schnell sie Systeme zum Scheitern
führen.
Sichtet man jedoch die aktuelle Management-
Literatur, wie zum Beispiel die
Konzepte von
Fredmund Malik
, dann wird darin immer
noch stark auf die „
Führungskraft
“ gesetzt.
Für Malik kulminiert das Thema im Begriff
Führung neu denken
von Josef Mikus und Klaus Kissel
Führung neu denken
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