CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 90

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Unternehmen? Die lernen wir beim Story-
telling im Betriebsalltag kennen.
Doch brau-
chen wir heute noch Helden?
Müssen Or-
ganisationen heute nicht anders gesteuert
und geleitet werden?
Wir glauben, dass sich die Ideen und An-
sätze zur Selbststeuerung in den kommen-
den Jahren immer stärker durchsetzen
werden.
Denn die Unternehmen können sich
ein Einengen der Selbstverantwortung der
Mitarbeiter durch Führung auf Dauer immer
weniger leisten – sofern sie deren Ressourcen
intensiver nutzen möchten.
Das Realisieren solcher Ansätze wird dadurch
erschwert, dass wir fast alle Erfahrungen mit
Gruppen
gesammelt haben,
die versuchten,
sich selbst zu steuern und an ihrer unkon-
trollierten Gruppendynamik schnell scheiter-
ten
und so
den Platz zumindest für informelle
Führer
schufen. Denn leider haben wir – im Ge-
gensatz zu den internalisierten Konformismus-
Mechanismen – in der Schule und Ausbildung
das Handwerkszeug für Selbststeuerung kaum
gelernt; ebenso als autonome Subjekte herr-
schaftsfrei miteinander umzugehen
8
. Unser Pro-
blem ist, dass wir an die „normative Kraft des
Faktischen“ gewöhnt sind, und noch nicht ge-
lernt haben, in selbstorganisierten Gruppen zu
arbeiten. Doch das können wir ändern – oder?
Fußnoten
1
siehe u. a. sein Hauptwerk „Die Logik des
Misslingens: strategisches Denken in komple-
xen Situationen“
2
siehe Fredmund Malik: „Führen, Leisten, Le-
ben“, Frankfurt/New York 2006
3
siehe: Peter Gomez, Gilbert Probst: „Die Pra-
xis des ganzheitlichen Problemlösens: Vernetzt
denken - Unternehmerisch handeln - Persön-
lich überzeugen“, Bern 2001
4
Oswald Neuberger: „Führen und Führen las-
sen“, Stuttgart 2002
5
siehe DIE ZEIT Nr. 18, 29.04.2015)
6
siehe „Organisationsform als Projekt“ von
Jana Haverbier und Doris Weßels in Organisa-
tionsEntwicklung 1/2015 S. 35 ff
7
siehe
m 25.2.2014
8
siehe dazu u. a. Michael Plauen und Harald
Welzer: „Autonomie“, Frankfurt a. M. 2015
verinnerlicht. Als Heranwachsende und Jung-
Erwachsene lernten wir dann mehr oder minder
selbstbestimmt unseren Weg zu gehen und
selbst über unser Leben zu entscheiden. Warum
sollte mit diesem Erwachsenwerden oder -sein
beim Passieren der Pforten der Unternehmen
Schluss sein? Das heißt,
wir brauchen ein neu-
es Modell, in dem Führungskräfte in einer
Art Mentoring das Unternehmen steuern.
Recht einfach ist ein solches Führungsmodell
im Vertrieb vorstellbar. Warum besprechen
Führungskräfte im Vertrieb die Ergebniszahlen
mit den Mitarbeitern?
Es würde doch rei-
chen, wenn das Controlling den Mitarbei-
tern die Zahlen zur Verfügung stellen wür-
de
– sofern diese die Konsequenzen guter
oder schlechter Ergebnisse in puncto Boni bis
zur Entlassung kennen. Die Führungskraft
wäre dann nur eine Art Mentor, der Unterstüt-
zung anbietet und coachend die Mitarbeiter
berät, damit diese die vereinbarten Zahlen er-
reichen. Unter diesen Umständen wäre eine
Führungskraft als Coach wirklich denkbar und
vom Mitarbeiter gewünscht.
Den Abschied von Helden wagen
Wir haben die tradierten Führungsmechanis-
men und -Ideologien tief internalisiert. In der
Kindheit waren unsere Eltern unsere Helden.
Als Jugendliche lernten wir solche Sagen-Hel-
den wie Odysseus kennen, und die Helden der
Geschichte beschäftigen uns in der Schule.
Und die Heroen auf der Führungsebene von
rungskräfte wählen und auch wieder ab-
wählen kann!
Nicht den Vorstand einer AG,
aber den breiten Führungskörper“. Sattelberger
glaubt, dass man mit diesem Ansatz auch in
großen Unternehmen punkten kann.
Verstärkt auf die
Selbstverantwortung setzen?
Zugleich hört man oft: Menschen suchen Füh-
rung und „mindestens 80 Prozent der Mitarbei-
ter“ lassen sich gern führen. Das ist zutreffend,
hat aber auch damit zu tun, dass man mit Füh-
rung auch eine Entlastung verbindet: „Führung
gibt mir Sicherheit; sonst hätte ich mich ja
selbstständig gemacht, wenn ich die ganze
Verantwortung hätte tragen wollen.“ Das heißt
im Umkehrschluss: Die Unternehmen müssen
sich fragen, ob sie auf die volle Selbstverant-
wortung von Mitarbeitern verzichten wollen.
Denn durch Führung nebst Kontrolle und Feed-
back entlasse ich die Mitarbeiter auch teilweise
aus der Selbstverantwortung.
Wir wissen aus der Geschichte:
Menschen un-
terwerfen sich in bestimmten Situationen
gern starken Führern.
Sie verhalten sich kon-
formistisch und lassen sich manipulieren. Diesen
Hang zur Konformität und Ein- beziehungsweise
Unterordnung registriert man nicht nur im staat-
lichen, sondern auch im wirtschaftlichen Be-
reich. Denn schon als Kinder waren wir in der Fa-
milie auf Fürsorge angewiesen und lernten so,
dass unsere Eltern uns mit ihrer Kraft und Macht
beschützen. Diesen Mechanismus haben wir
Autoren
Josef Mikus
ist systemischer Organisationsberater. Zudem arbeitet er als
Lehrbeauftragter für Ausbildungen und Coach für das ifsm in
Urbar bei Koblenz.
Klaus Kissel
ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm (Institut für Sa-
les- und Managementberatung) in Urbar bei Koblenz (D). Er ist
unter anderem Autor des Buches „Das Prinzip der minimalen
Führung“.
Führung neu denken
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