CONTROLLER_MAGAZIN_04/2016 - page 79

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Business Continuity Management (BCM)
ermöglicht Unternehmen und generell Or-
ganisationen, sich auf Großstörungen mit
fatalem Ausgang vorzubereiten und den
Störungen selbst als auch deren desaströ-
sen Auswirkungen antizipativ entgegenzu-
wirken.
Damit wird die Unterbrechung bzw.
Beeinträchtigung kritischer Prozesse vermin-
dert und im Idealfall ganz verhindert, deren
Auswirkungen minimiert und insgesamt die
Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit sicher-
gestellt. Im ersten Beitrag (Heft März/April
2015, S. 72 ff.) wurden die Gründe und Grund-
lagen für BCM dargelegt. Im 2. Teil (Heft Sep-
tember/Oktober 2015) wurde der Business-
Continuity-Prozess (BC-Prozess) vorgestellt
und gezeigt, wie Störungen identifiziert und
analysiert werden. Im abschließenden 3. Teil
wird beleuchtet, wie geeignete Kontinuitäts-
strategien und -maßnahmen entwickelt und
umgesetzt werden. Diese Pläne müssen da-
nach regelmäßig getestet und ggf. revidiert
werden. Außerdem wird flankierend ein Be-
wusstsein für Störungen aufgebaut und eine
regelrechte BC-Kultur implementiert sowie –
übergeordnet – ein zentrales Programm-
Management und die Steuerung allen BCM-
Geschehens etabliert.
Ausgangspunkt
Im letzten Beitrag wurden die ersten drei Pha-
sen im differenzierten BC-Prozess ausführlich
dargestellt. An deren Ende und als Ergebnis
der Analyse lagen jene wenigen Prozesse vor,
deren Störung zu fatalen Auswirkungen bis zu
nachhaltigen Verlusten oder der Existenzver-
nichtung führen kann. In diesem Sinne ge-
schäftskritisch sind üblicherweise ca. zehn bis
20 Prozesse.
Aus
produktbezogener
Sicht zählen dazu bspw.
in der Automobil- oder Pharmaindustrie jene
acht bis zehn Produkte, deren längerer Ausfall
jeweils für sich eine nachhaltige Erlösschmäle-
rung und einen Einbruch in der Gewinnsituation
bedeutet.
Funktionsbezogen
wären kritisch:
Rückrufaktion, irreparabler Imageschaden,
Verlust von Großkunden an die Konkurrenz,
oder die F+E hat den neuartigen, technologi-
schen Lösungen der Konkurrenz nichts entge-
genzusetzen und das Unternehmen gerät nach-
haltig ins Hintertreffen.
In jedem Fall sind solche Störungen der ge-
schäftskritischen Prozesse nicht isoliert zu be-
trachten,
sondern im Gesamtkontext:
·
·
Wie wirkt sich ein Produktionsstillstand auf
das Kundenverhalten und die Kundentreue
aus?
·
·
Wie wirkt ein Produktrückruf auf unser Image
und damit auf das Kundenverhalten?
·
·
Wirken sich Meldungen über Todesfälle bei
Medikament X auch auf den Absatz der Me-
dikamente Y und Z aus?
·
·
Können wir bei längerem Produktionsausfall
unseren Marktanteil halten oder bietet die
Konkurrenz adäquaten Ersatz? usw.
Nur solche Prozessstörungen, die in diesem
Sinne schwerwiegend sind und nachhaltigen
Schaden anrichten können, wurden als Ergeb-
nis der Analyse als fatal herausgefiltert.
1
Diese
wenigen Großstörungen müssen wirkungsvoll
abgesichert werden. Wie dafür nunmehr robus-
te Strategien und BC-Pläne entwickelt und wei-
tere flankierende Maßnahmen zur Sicherstel-
lung der Kontinuität getroffen werden, zeigen
die Phasen 4 bis 9 im BC-Prozess (vgl. Abbil-
dung 1) und wird nachfolgend vorgestellt.
Für alle Phasen gilt,
dass Verantwortliche al-
ler relevanten Bereiche (Strategie, Produk-
tion, Sicherheit, IT usw.) eingebunden sein
müssen
, das Top-Management eine unbe-
dingte Unterstützung gewährt und die benötig-
ten Finanzmittel für die Entwicklung und Um-
setzung eines schlagkräftigen BCM bereitstellt.
Phase 4: Kontinuitätsstrategien
festlegen
Die Kontinuitätsstrategie definiert die
grund-
sätzliche Vorgehensweise
zur Aufrechterhal-
tung der Geschäftstätigkeit:
2
Welche Bereiche
und Prozesse müssen zwingend wie geschützt
werden? Sollen redundante Kapazitäten aufge-
baut werden? Bis zu welcher Höhe und Dauer
sind Umsatzeinbußen verkraftbar? Wie sollen
Imagestörungen grundsätzlich gehandhabt wer-
den usw.? Alle Grundsatzentscheidungen werden
hier getroffen und generelle Optionen entwickelt.
Oft reicht eine Lösung allein nicht aus. Hier
muss eine
additive Strategie
verfolgt werden.
So können z. B. div. Maßnahmen geplant wer-
den, die jeweils zu einem gewissen Teil, ggf.
auch nur zeitweilig, die Störung ausgleichen. Im
Beispiel fällt für vier Tage ein zentraler Park-
CM Juli / August 2016
Business Continuity Management:
Entwickeln von Kontinuitätsstrategien
Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen und Absicherung
der BCM-Prozesse
von Germann Jossé
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