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me
und
noch nicht berücksichtigte Chan-
cen und Risiken
beachten. Ein universell ver-
wendbares Instrument kann es nicht geben –
vielmehr ist mit parallelen Abbildungen zu ar-
beiten, um die unterschiedlichen Aspekte zu
berücksichtigen. Sehr langfristig gilt nach dem
Lücke-Theorem, dass die zahlungs- und erfolgs-
sowie risiko- und chancenorientierten Abbildun-
gen im Ergebnis übereinstimmen können, da die
differierenden Abgrenzungsrechnungen unterei-
nander immer unwichtiger werden bzw. sehr
langfristig betrachtet sogar komplett verwi-
schen. Für den jetzt handelnden Manager ist das
aber keine Handlungsmaxime, da er sich nicht
nur auf die Zahlungsströme konzentrieren kann,
sondern auch die anderen Abbildungsperspekti-
ven berücksichtigen muss
8
.
Entstehung der Zahlungsströme
Zudem besteht ein weiteres zeitliches Problem.
Unternehmen erzeugen zunächst ausschließlich
Auszahlungen. Erst wenn sich diese Auszahlun-
gen in wirtschaftlich relevanter Qualität der am
Markt angebotenen Produkte und Dienstleis-
tungen niederschlagen, entstehen daraus Ein-
zahlungen. Das erweist sich stets im Nachhinein
auf dem Absatzmarkt
9
. Daraus speist sich eines
der wesentlichen, vom Controlling unbedingt zu
beachtenden und in seiner Volatilität zu bewer-
tenden Risiken für jedes Unternehmen.
Diese Erkenntnis ist nicht neu,
Szenarien und
Simulationen finden aber dennoch zu sel-
ten Eingang in die üblichen Steuerungsins-
trumente des Alltags.
Beispiel:
Viele Unternehmen in Insolvenzverfahren sind
durch die „Wachstumsfalle“ in diese Lage ge-
kommen. Die Produkte sind am Markt erfolg-
reich und es wird eine übereilte Ausweitung der
Produktion vorgenommen. Dies bindet hohe In-
vestitionsbeträge nicht nur für den Aufbau der
neuen Ressourcen des Anlagevermögens, son-
dern insbesondere auch durch die Ausweitung
der Lager für die zu verarbeitenden Materialien,
die Verwaltung, etwa durch Personaleinstellun-
gen, usw. Wenn dann ein größerer Forde-
rungsausfall oder eine Lieferverzögerung ein-
tritt, fehlen die Liquiden Mittel, um diese Krise
zu durchstehen.
Verwendung der Zahlungsströme
Aus den zeitlich nachlaufenden Einzahlungen
speisen sich dann die Auszahlungs-Möglichkei-
ten für
a) die laufende Erzeugung/Beschaffung und
Verwertung von Produkten und Leistungen
b) die nicht aktivierbare und daher in den sons-
tigen betrieblichen Auszahlungen enthaltene
Zukunftssicherung des Unternehmens ins-
besondere durch Fortbildung sowie For-
schung & Entwicklung
c) die aktivierbaren Auszahlungen für die Zu-
kunftssicherung des Unternehmens insbe-
sondere durch Ersatz- und Neuinvestitionen
sowie aktivierte Entwicklungsleistungen
d) die aus vertraglichen oder gesetzlichen Ab-
hängigkeiten resultierenden finanziellen Aus-
zahlungen, insbesondere für Zinsen sowie
Steuern & Abgaben und
e) die mit strategischen Abhängigkeiten ver-
bundenen Finanzaktivitäten des Unterneh-
mens gegenüber Eigen- und Fremdkapital-
gebern
10
.
Dabei ist die Cashflow-Gliederung lediglich eine
gedankliche Abfolge der Zahlungsströme. In
der Praxis werden die Prozesse häufig simultan
ablaufen, so dass der zu verwendende Cash-
flow nur eine theoretische – aber in der Pla-
nung antizipierbare – Größe ist.
Letztlich sind nur die Auszahlungen an die Ei-
gentümer gesellschaftsrechtlich auf Basis der
jährlich zu ermittelnden Erfolge zu bestimmen.
Hier ist es Aufgabe des Controllers, die fehlen-
de direkte gesetzliche Verbindung des Jahres-
ergebnisses zum Cashflow aus Geschäftstätig-
keit herzustellen und eine Ausschüttung ohne
das Vorhandensein erarbeiteter liquider Mittel
zu verhindern. Konkret ist eine Ausschüttung
aus dem niedrigeren Betrag von kumuliert er-
wirtschafteter Liquidität und kumuliert erwirt-
schaftetem vorsichtig bewerteten Periodener-
folg plausibel, da nur so ein Substanzverzehr
durch Ausschüttung ausgeschlossen wäre.
11
Die Auszahlungen des Unternehmens bilden
zugleich eine Quelle für das Einkommen der
verschiedenen Interessengruppen (Stakehol-
der), von denen die im Rahmen des integrierten
Reportings darzustellenden Vermögensarten
getragen werden (siehe Abbildung 3).
Moderne Wertorientierung hat zu hinterfragen,
welche Wirkungen aus der Einkommensbildung
der die verschiedenen Vermögensarten tragen-
den Stakeholder für das Unternehmen entste-
Autoren
Dr. Walter Schmidt
ist Inhaber der Firma ask, Angewandte Strategie und Kom-
munikation. Er ist Mitglied des Vorstands im Internationalen
Controller Verein e.V.
E-Mail:
Prof. Dr. Peter Lorson
ist Professor am Lehstuhl Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
für Unternehmensrechnung und Controlling an der Universität
Rostock. Er ist Miglied des Facharbeitskreises Controlling und
IFRS im Internationalen Controller Verein e.V.
E-Mail:
Prof. Dr. Stefan Müller
lehrt an der Helmut-Schmidt-Universität, Lehrstuhl Allgemei-
ne Betriebswirtschaftslehre. Er ist Stellvertretender Leiter
des Facharbeitskreis Controlling und IFRS im Internationalen
Controller Verein e.V.
E-Mail:
CM März / April 2015