CONTROLLER Magazin 2/2015 - page 33

31
len Einzug halten. Der darin
stetig steigende
IT-Anteil wird seinen Tribut bezüglich Aktu-
alisierung, Sicherheit und Funktionalität
einfordern
– aber auch gleichzeitig die Pro-
duktivität steigern. Ich hoffe, dass dabei eine
nachhaltige Korrelation zu erkennen sein wird
und somit der Aspekt der Kostensteigerung re-
lativiert wird.
Biel:
Wenn sich Produktionssysteme und Pro-
zesse ändern, verändern sich auch die Daten-
grundlagen. Betriebswirte fragen sich an
dieser Stelle, was bedeutet dies für unsere
betriebliche Datenerfassung oder für unsere
Kostenrechnung, Kalkulation und Produkter-
folgsrechnung? Was heißt dies beispielsweise
für die Messung und Steuerung von Produk-
tionsdaten. Müssen wir diese neu denken? In
diesem Zusammenhang haben wir einen
weiteren, nicht weniger strapazierten Begriff,
nämlich
Big Data.
Dr. Dauner:
Die Vision vermittelt uns den Ein-
druck, dass zukünftig umfassende Datenmen-
gen nicht nur in Echtzeit erfasst und übermittelt
werden, sondern auch analysiert werden kön-
nen (Big Data). Wir erhoffen uns, dass mit den
entsprechenden Algorithmen auch
eine höhe-
re Datentransparenz und auch Kosten-
transparenz erreicht werden kann
. Somit
kann folglich auch die Prozesssteuerung in
Echt-Zeit erfolgen. Zudem werden grundsätz-
lich Prozesse nicht verschwinden. Durch die
durchgehende Automatisierung können aber
Routinen geschaffen werden, die den Blick auf
das Wesentliche ermöglichen.
Biel:
Müssen wir einen Schritt weitergehen?
Wenn die industriellen Strukturen nachhaltig
umgestaltet werden, müssen wir uns fragen,
welche Auswirkungen hat diese Entwicklung
auf Unternehmensführung und -steuerung. Es
steht die Frage im Raum: Was bedeutet dies für
Produktionsmanagement und Controlling? Wie
ist bitte Ihre Einschätzung? Worauf sollen wir
uns einstellen?
Dauner:
Ich erhoffe mir von Industrie 4.0, dass
alle Beteiligten Instrumente und Werkzeuge zur
Verfügung gestellt bekommen, die die Wirk-
samkeit ihres Tuns erhöhen. Die durchgehende
Digitalisierung, Automatisierung und Vernet-
zung (auch über die Unternehmensgrenzen hin-
aus) wird Unternehmen in die Lage versetzen,
über nahezu alle Daten in Echt-Zeit zu verfügen.
Wie bereits angesprochen, hat besonders die
Entwicklung in der Informationstechnologie
dazu beigetragen, die Vision der Industrie 4.0
zu schaffen. Leistungsstarke Rechnerkapazitä-
ten und komplexe Algorithmen werden auch
dem Controller dienen, um der gewaltigen Da-
tenflut sinnvolle Kennzahlen zu entlocken.
Die-
se neue Qualität der Datenverfügbarkeit
bedeutet aber auch, dass die veränderten
Organisationsprozesse durch bessere
Steuerungsparameter gelenkt werden
müssen.
So wäre neben der Einbindung des
für den Kunden verantwortlichen Vertriebes
auch eine Einbeziehung des Controllings in den
operativen rollierenden Forecast eine Methode
der Zukunft.
Plandaten und zukunftsorien-
tierte Steuerungskennzahlen werden den
Aufgabenbereich des Controllers zukünftig
mehr prägen, als es heute der Fall ist.
Biel:
Was möchten Sie, Herr Dr. Dauner, zu-
sammenfassend oder auch wegweisend unse-
ren Leserinnen und Lesern mit auf dem Weg
geben? Was ist Ihnen zum Abschluss unseres
Dialogs besonders wichtig?
Dr. Dauner:
·
Erstes Ziel muss es sein die Unternehmen für
die Industrie 4.0 zu
sensibilisieren und An-
forderungen und Folgen bekannt
zu ma-
chen, nur so kann die vertiefende Vernetzung
von Mensch und Objekt angebahnt werden.
Mit der Annahme dieser Herausforderung ist
bereits ein erster Etappensieg erreicht.
·
Eines der ersten Zwischenziele wird wohl das
Retrofitting von Bestandsfabriken sein, wo-
durch die ersten Bausteine moderner Industrie
4.0 Techniken in Deutschland gelegt werden.
·
Bis sich Industrie 4.0 als flächendeckende
Lösung durchgesetzt hat, wird wohl noch ei-
nige Zeit vergehen. Über den genauen Zeit-
horizont, wann sich also diese Technik letzt-
endlich durchsetzen wird, gibt es verschie-
dene Meinungen. Wichtigster Punkt hierbei
wird die Bereitschaft der Unternehmer, des
Managements und der Belegschaft
zu Ko-
operation und Aufnahme des neuen The-
mas
sein.
·
Um der Konkurrenz gewachsen sein zu kön-
nen, müssen vermehrt Investitionen im Be-
reich Forschung und Entwicklung getätigt
werden. Genauso wichtig ist die Einbindung
von Zulieferern und Kunden in das Ge-
schäftsmodell, um so möglichst individuell
Produkte ausarbeiten zu können. Wer den
Anschluss an diese Branchen- und grenz-
übergreifende Zusammenarbeit verliert,
könnte ins Hintertreffen geraten.
Biel:
Herr Dr. Dauner, Ihre aufschlussreichen
Ausführungen zeigen, dass wir in der Industrie
in einem bedeutenden Entwicklungs- und
Veränderungsprozess stehen. Wir müssen uns
offenbar im Bereich der industriellen Fertigung
auf wesentliche Veränderungen einstellen.
Die
Produktion der Zukunft wird uns sicher –
auch im Controller Magazin – noch lange
beschäftigen. Die Industrie steht in der
Aufgabe, über ihre Digitalisierungsstrate-
gie vertieft nachzudenken. Eine Entwick-
lung, die hohe fachliche Anforderungen
stellt, vielfältige Folgen haben – und auch
verstärkt Emotionen wecken wird.
Herr Dr. Dauner, haben Sie besten Dank für
diesen intensiven und anregenden Dialog. Ihnen
und dem mitwirkenden Team vielen Dank für
die angenehme Zusammenarbeit und für die
sehr gute Kooperation bei der Erarbeitung die-
ses Interviews.
CM März / April 2015
1...,23,24,25,26,27,28,29,30,31,32 34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,...116
Powered by FlippingBook