CONTROLLER Magazin 6/2015 - page 73

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counting – Die hohe Kunst der Rechnungs-
legung“
aus!
d) Vertragstypen
Fertigungsaufträge können nach IAS 11.6 in
verschiedenen Formen vorkommen. Im Sinne
des Standards werden dabei
Festpreisverträ-
ge
und
Kostenzuschlagsverträge
unter-
schieden. Diese beiden Vertragsformen werden
nach IAS 11.3 wie folgt definiert:
„Ein
Festpreisvertrag (fixed price contract)
ist ein Fertigungsauftrag, für den der Auftrag-
nehmer einen festen Preis bzw. einen festge-
legten Preis pro Outputeinheit vereinbart, wobei
diese an eine Preisgleitklausel
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gekoppelt sein
können. Ein
Kostenzuschlagsvertrag (cost
plus contract)
ist ein Fertigungsauftrag, bei
dem der Auftragnehmer abrechenbare oder an-
derweitig festgelegte Kosten zuzüglich eines
vereinbarten Prozentsatzes dieser Kosten oder
ein festes Entgelt vergütet bekommt.“
In der Praxis überwiegen
ganz eindeutig die
Festpreisverträge
.
Kostenzuschlagsverträ-
ge
kommen häufiger
bei öffentlichen Aufträ-
gen
, z. B. im militärischen Bereich, vor. Darüber
hinaus gibt es auch
Mischformen
, z. B. im Fall
eines Kostenzuschlagsvertrags mit einem ver-
einbarten Höchstpreis.
Bilanzierung
a) Grundstruktur des Standards IAS 11
aa) Grundsatz: Percentage of
Completion-Methode (PoC-Methode)
Ist das Ergebnis eines Fertigungsauftrags
verlässlich zu schätzen
, so sind nach IAS
11.22
„die Auftragserlöse („contract revenue“)
und Auftragskosten („contract costs“) in Ver-
bindung mit diesem Fertigungsauftrag entspre-
chend dem Leistungsfortschritt am Abschluss-
stichtag jeweils als Erträge („revenue“, also
Umsatzerlöse) und Aufwendungen („expenses“)
zu erfassen.“
Die Erfassung von Erträgen und Aufwendungen
gemäß dem
Leistungsfortschritt
wird häufig
gestellungen, ob ein Unternehmen, welches
selbst oder durch Subunternehmer
Immobilien
errichtet, sprich ein klassischer „Bauträger“,
mit seinem Geschäftsmodell in den Anwen-
dungsbereich des IAS 11 fällt oder die Umsatz-
realisierung nach IAS 18 erfolgt und dement-
sprechend die im Bau befindlichen Immobilien
Vorräte nach IAS 2 sind.
3
Allerdings versuchen viele der gängigen Kom-
mentare
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zwischenzeitlich weit über den ei-
gentlichen Anwendungsbereich von IFRIC 15
5
hinaus
zur generellen Lösung von Zweifels-
fragen
, ob ein Fertigungsauftrag vorliegt oder
nicht, eine Abgrenzung entsprechend der zent-
ralen Würdigung in
IFRIC 15.11
vorzunehmen.
Den Immobilienfall übertragen auf andere
Sachverhalte, würde ein Fertigungsauftrag da-
nach immer dann vorliegen, wenn der Auftrag-
geber die Möglichkeit hat, vor Auftragsbeginn
die
strukturellen Hauptelemente des Auf-
tragsplans zu bestimmen
und/oder nach
Auftragsbeginn die strukturellen Hauptelemen-
te zu ändern (unabhängig davon, ob er von die-
ser Möglichkeit Gebrauch macht). Hat der Auf-
traggeber gemäß IFRIC 15.12 dagegen nur be-
grenzt die Möglichkeit den Auftragsplan zu be-
einflussen, wie etwa ein Design aus den vom
Auftragnehmer vorgegebenen Variationen aus-
zuwählen oder das Design unwesentlich zu än-
dern, handelt es sich hingegen um einen Ver-
trag, der in den Anwendungsbereich von IAS 18
und IAS 2 fällt.
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Aus der eigenen praktischen Erfahrung der
Verfasser bietet dieser „Umweg“ über IFRIC 15
bei der Lösungsfindung tatsächlich oftmals
eine gute Hilfestellung. Insofern ist das Zitat,
welches auch die Verfasser selbst erst vor kur-
zem kennen gelernt haben, in diesem Zusam-
menhang zutreffend:
„Manchmal muss man Umwege gehen.
Diese sind schmerzhaft und unbequem,
aber sinnvoller als immer ausgetretenen
Pfaden zu folgen.“
Im Rahmen unserer Beiträge verfolgen wir aber
auch das übergeordnete Ziel, dass unsere Leser
vor allem auch eines lernen: Die Lösung kom-
plexer Probleme und die Fähigkeit, gelerntes
Wissen auf andere Sachverhalte in der Praxis
zu übertragen. Das macht
„The Art of Ac-
set“ mit „Gegenstand“ ist nicht gerade glück-
lich gewählt. Vielmehr beinhaltet der Begriff
„asset“
auch die nicht-körperlichen immateri-
ellen
Vermögenswerte
.
1
Beispiele für Fertigungsaufträge
finden sich
in
IAS 11.4
. Hierunter fällt zunächst das „klassi-
sche“ Großprojektgeschäft, z. B. der Bau einer
Brücke, eines Gebäudes, eines Dammes, einer
Pipeline, einer Straße, eines Schiffes oder eines
Tunnels. Ferner werden dort Verträge über den
Bau von Raffinerien oder
anderen komplexen
Anlagen oder Ausrüstungen
genannt. Auch
die explizit in IAS 11.5 dargestellten Beispiele
für
Dienstleistungen im Zusammenhang mit
Fertigungsaufträgen
werden noch von der
Definition der Fertigungsaufträge erfasst. So
würde z. B. auch die „kundenspezifische Ferti-
gung“ einer komplexen (ERP-) Software, die ei-
nen immateriellen Vermögenswert darstellt, in
den Anwendungsbereich des IAS 11 fallen.
Die Definition und damit das Vorliegen eines
Fertigungsauftrages im Sinne des IAS 11.3 ff.
ist daher von zentraler Bedeutung.
Wenn
ein
Fertigungsauftrag
in diesem Sinne vorliegt,
dann
folgt die
Bilanzierung
ausschließlich
nach der vorrangigen „lex specialis“
des
IAS 11
. Liegt hingegen kein Fertigungsauftrag
vor, dann erfolgt die Bilanzierung des Sachver-
halts nach den Vorgaben der
„lex generalis“
des
IAS 2
sowie die Umsatzrealisierung nach
den Regelungen des IAS 18.
Wichtiger Hinweis für die Praxis:
In der Literatur und Bilanzierungspraxis finden
Sie IAS 11 häufig beschrieben unter dem Stich-
wort „
langfristige
Auftragsfertigung“. Aus IAS
11 selbst lässt sich allerdings an keiner Stelle
ein Hinweis auf eine „Langfristigkeit“ im Sinne
einer Projektdauer von mehr als 12 Monaten
vergleichbar dem IAS 1 ableiten. Ein Ferti-
gungsauftrag nach IAS 11 kann deshalb auch
bei kürzeren Projektdauern vorliegen.
2
c) Spezialnorm des IFRIC 15 als generelle
Hilfestellung zur Lösung von
Zweifelsfragen?
Die Interpretation
IFRIC 15
„Verträge über die
Errichtung von Immobilien“ beschäftigt sich zu-
nächst ausschließlich mit den spezifischen Fra-
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