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Vieles von dem, was man über Controlling liest,
hat einen mehr oder weniger direkten Bezug zu
Großunternehmen. Das gilt nicht nur für Zeit-
schriftenbeiträge, sondern auch für Lehrbücher.
Warum ist das so? Und ist damit Controllern in
Klein- und Mittelbetrieben eigentlich wirklich
geholfen?
Für die Frage des „warum“ gibt es mehrere
wichtige Begründungen. Großunternehmen sind
deutlich spezialisierter; insofern werden dort
Probleme deutlicher sichtbar und entsprechende
Lösungen sind folglich dort eher zu finden.
Großunternehmen
sind im Schnitt international
breiter aufgestellt und verfügen deshalb auch
über
heterogenere Erfahrungen, die nutz-
bringend sind
. Zumeist haben sie
mehr Zeit
und mehr Mittel, sich mit grundsätzlichen
Themen zu beschäftigen
. Auch sind Groß-
unternehmen – zumindest galt dies in der Ver-
gangenheit – stärker akademisiert, was für
Mustererkennung und Lösungsentwicklung
häufig ebenfalls hilfreich ist. Sie haben einen
höheren internen Kommunikationsbedarf; neue
Lösungen können in Großunternehmen nicht
einfach so verkündet werden. Deshalb finden
sich entsprechend mehr Controller, die über
neue Lösungen berichten – sie haben intern ja
ohnehin schon entsprechend kommuniziert.
Schließlich haben auch Hochschullehrer zu
großen Unternehmen zumeist einen leichteren
Zugang; in kleinen Unternehmen ist das Wort
Theorie – um es freundlich auszudrücken –
nicht immer positiv besetzt.
Eine starke Dominanz von großen Unternehmen
bei Problemstellungen und Lösungen wäre für
kleine und mittlere Unternehmen unproblema-
tisch, wenn die Themen direkt übertragbar wä-
ren. Leicht kann der Eindruck entstehen, dass
dies ganz und gar nicht der Fall ist: Wer in einem
kleinen Unternehmen kurze Entscheidungswege
und schnelle Entscheidungen gewohnt ist, den
werden die Abstimmkultur von Großunterneh-
men und die sie kennzeichnenden komplexen
Planungsprozesse nicht begeistern, sondern
eher abschrecken. Wer sich keine Spezialisten
für bestimmten Methoden leisten kann, wird
sich solchen neuen Wegen erst gar nicht zuwen-
den. Wer täglich im Management eines kleinen
Unternehmens mitmischt, wird den Neuigkeits-
grad der Rolle des Business Partners deutlich
geringer einschätzen als ein Konzerncontroller,
der sein Geschäft in der Vergangenheit überwie-
gend im stillen Kämmerlein gemacht hat.
Dennoch sind in meinen Augen Ideen von
Großunternehmen auch für Controller in
kleinen und mittleren Betrieben sehr hilf-
reich
. Sie müssen dafür nicht auf das für sie
häufig viel zu komplexe Detail schauen, sondern
die Idee erkennen, die hinter einer Großunter-
nehmenslösung steht. Wer will schon als Eigen-
tümerunternehmer für seinen Betrieb mit 100
Beschäftigen eine ausgefeilte CVA-Steuerung
einführen? Wie hoch der Gewinn sein muss, um
das Risiko des Eigenkapitaleinsatzes zu entgel-
ten, dürfte dagegen jeden Unternehmer interes-
sieren. Nur in wenigen kleinen Unternehmen
wird sich – um ein zweites Beispiel zu nennen
– die Einführung einer Balanced Scorecard
lohnen. In der Steuerung neben finanziellen
auch nicht-finanzielle Größen zu verwenden,
lässt sich aber in jeder Umgebung realisieren.
Und – als drittes Beispiel – wer als Unterneh-
mer weniger Plänen vertraut als seiner persön-
lichen Einschätzung, wird spätestens für den
anstehenden Generationenwechsel gut daran
tun, eine hinreichende Planungserfahrung auf-
zubauen.
Eine wichtige Erkenntnis zum Thema kann ich
noch aus dem WHU-Controllerpanel beisteuern.
Wie Sie wahrscheinlich wissen, fragen wir hier
seit 2007 all das ab, was im Controlling in den
Unternehmen passiert, von der Frage nach der
Aktualität der Berichte bis hin zur Einschätzung
des Standings des Controllings im eigenen
Unternehmen. Dabei wissen wir auch, wie groß
die Unternehmen der antwortenden Controller
sind. Die – vielleicht überraschende – Erkennt-
nis:
Unsere Daten zeigen nur sehr wenige
Unterschiede in den Antworten aus kleinen
und großen Unternehmen
– schauen Sie doch
unter
lbst ein-
mal nach! Natürlich hat ein großes Unternehmen
deutlich mehr Controller als ein kleines; bezogen
auf die Mitarbeiterzahl wird der Unterschied
aber schon sehr gering. In den wichtigen „wei-
chen“ Themen, wie den wahrgenommenen Rol-
len, dem Standing im Unternehmen, der inter-
nen Kundenorientierung usw., antworten Con-
troller aus kleinen wie aus großen Unternehmen
praktisch gleich.
Wenn auch ich häufig vor dem Hintergrund mei-
ner Erfahrungen in Großunternehmen berichte,
muss ich mir also keine Sorgen machen, an einem
großen Teil der Leserschaft des Controller Maga-
zins vorbeizuschreiben. Ich hoffe die Betroffenen
unter Ihnen sehen das auch so!
CM November / Dezember 2015
Können Controller in kleinen
Unternehmen von denen
in Großunternehmen lernen?
von Jürgen Weber
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus
Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des
Internationalen Controller Vereins (ICV).
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