61
          
        
        
          Vieles von dem, was man über Controlling liest,
        
        
          hat einen mehr oder weniger direkten Bezug zu
        
        
          Großunternehmen. Das gilt nicht nur für Zeit-
        
        
          schriftenbeiträge, sondern auch für Lehrbücher.
        
        
          Warum ist das so? Und ist damit Controllern in
        
        
          Klein- und Mittelbetrieben eigentlich wirklich
        
        
          geholfen?
        
        
          Für die Frage des „warum“ gibt es mehrere
        
        
          wichtige Begründungen. Großunternehmen sind
        
        
          deutlich spezialisierter; insofern werden dort
        
        
          Probleme deutlicher sichtbar und entsprechende
        
        
          Lösungen sind folglich dort eher zu finden.
        
        
          Großunternehmen
        
        
          sind im Schnitt international
        
        
          breiter aufgestellt und verfügen deshalb auch
        
        
          über
        
        
          heterogenere Erfahrungen, die nutz-
        
        
          bringend sind
        
        
          . Zumeist haben sie
        
        
          mehr Zeit
        
        
          und mehr Mittel, sich mit grundsätzlichen
        
        
          Themen zu beschäftigen
        
        
          . Auch sind Groß-
        
        
          unternehmen – zumindest galt dies in der Ver-
        
        
          gangenheit – stärker akademisiert, was für
        
        
          Mustererkennung und Lösungsentwicklung
        
        
          häufig ebenfalls hilfreich ist. Sie haben einen
        
        
          höheren internen Kommunikationsbedarf; neue
        
        
          Lösungen können in Großunternehmen nicht
        
        
          einfach so verkündet werden. Deshalb finden
        
        
          sich entsprechend mehr Controller, die über
        
        
          neue Lösungen berichten – sie haben intern ja
        
        
          ohnehin schon entsprechend kommuniziert.
        
        
          Schließlich haben auch Hochschullehrer zu
        
        
          großen Unternehmen zumeist einen leichteren
        
        
          Zugang; in kleinen Unternehmen ist das Wort
        
        
          Theorie – um es freundlich auszudrücken –
        
        
          nicht immer positiv besetzt.
        
        
          Eine starke Dominanz von großen Unternehmen
        
        
          bei Problemstellungen und Lösungen wäre für
        
        
          kleine und mittlere Unternehmen unproblema-
        
        
          tisch, wenn die Themen direkt übertragbar wä-
        
        
          ren. Leicht kann der Eindruck entstehen, dass
        
        
          dies ganz und gar nicht der Fall ist: Wer in einem
        
        
          kleinen Unternehmen kurze Entscheidungswege
        
        
          und schnelle Entscheidungen gewohnt ist, den
        
        
          werden die Abstimmkultur von Großunterneh-
        
        
          men und die sie kennzeichnenden komplexen
        
        
          Planungsprozesse nicht begeistern, sondern
        
        
          eher abschrecken. Wer sich keine Spezialisten
        
        
          für bestimmten Methoden leisten kann, wird
        
        
          sich solchen neuen Wegen erst gar nicht zuwen-
        
        
          den. Wer täglich im Management eines kleinen
        
        
          Unternehmens mitmischt, wird den Neuigkeits-
        
        
          grad der Rolle des Business Partners deutlich
        
        
          geringer einschätzen als ein Konzerncontroller,
        
        
          der sein Geschäft in der Vergangenheit überwie-
        
        
          gend im stillen Kämmerlein gemacht hat.
        
        
          Dennoch sind in meinen Augen Ideen von
        
        
          Großunternehmen auch für Controller in
        
        
          kleinen und mittleren Betrieben sehr hilf-
        
        
          reich
        
        
          . Sie müssen dafür nicht auf das für sie
        
        
          häufig viel zu komplexe Detail schauen, sondern
        
        
          die Idee erkennen, die hinter einer Großunter-
        
        
          nehmenslösung steht. Wer will schon als Eigen-
        
        
          tümerunternehmer für seinen Betrieb mit 100
        
        
          Beschäftigen eine ausgefeilte CVA-Steuerung
        
        
          einführen? Wie hoch der Gewinn sein muss, um
        
        
          das Risiko des Eigenkapitaleinsatzes zu entgel-
        
        
          ten, dürfte dagegen jeden Unternehmer interes-
        
        
          sieren. Nur in wenigen kleinen Unternehmen
        
        
          wird sich – um ein zweites Beispiel zu nennen
        
        
          – die Einführung einer Balanced Scorecard
        
        
          lohnen. In der Steuerung neben finanziellen
        
        
          auch nicht-finanzielle Größen zu verwenden,
        
        
          lässt sich aber in jeder Umgebung realisieren.
        
        
          Und – als drittes Beispiel – wer als Unterneh-
        
        
          mer weniger Plänen vertraut als seiner persön-
        
        
          lichen Einschätzung, wird spätestens für den
        
        
          anstehenden Generationenwechsel gut daran
        
        
          tun, eine hinreichende Planungserfahrung auf-
        
        
          zubauen.
        
        
          Eine wichtige Erkenntnis zum Thema kann ich
        
        
          noch aus dem WHU-Controllerpanel beisteuern.
        
        
          Wie Sie wahrscheinlich wissen, fragen wir hier
        
        
          seit 2007 all das ab, was im Controlling in den
        
        
          Unternehmen passiert, von der Frage nach der
        
        
          Aktualität der Berichte bis hin zur Einschätzung
        
        
          des Standings des Controllings im eigenen
        
        
          Unternehmen. Dabei wissen wir auch, wie groß
        
        
          die Unternehmen der antwortenden Controller
        
        
          sind. Die – vielleicht überraschende – Erkennt-
        
        
          nis:
        
        
          Unsere Daten zeigen nur sehr wenige
        
        
          Unterschiede in den Antworten aus kleinen
        
        
          und großen Unternehmen
        
        
          – schauen Sie doch
        
        
          unter 
        
        
        
          lbst ein-
        
        
          mal nach! Natürlich hat ein großes Unternehmen
        
        
          deutlich mehr Controller als ein kleines; bezogen
        
        
          auf die Mitarbeiterzahl wird der Unterschied
        
        
          aber schon sehr gering. In den wichtigen „wei-
        
        
          chen“ Themen, wie den wahrgenommenen Rol-
        
        
          len, dem Standing im Unternehmen, der inter-
        
        
          nen Kundenorientierung usw., antworten Con-
        
        
          troller aus kleinen wie aus großen Unternehmen
        
        
          praktisch gleich.
        
        
          Wenn auch ich häufig vor dem Hintergrund mei-
        
        
          ner Erfahrungen in Großunternehmen berichte,
        
        
          muss ich mir also keine Sorgen machen, an einem
        
        
          großen Teil der Leserschaft des Controller Maga-
        
        
          zins vorbeizuschreiben. Ich hoffe die Betroffenen
        
        
          unter Ihnen sehen das auch so!
        
        
          
            CM November / Dezember 2015
          
        
        
          
            Können Controller in kleinen
          
        
        
          
            Unternehmen von denen
          
        
        
          
            in Großunternehmen lernen?
          
        
        
          von Jürgen Weber
        
        
          
            Autor
          
        
        
          Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
        
        
          ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
        
        
          der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus
        
        
          Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar; 
        
        
        
          controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des
        
        
          Internationalen Controller Vereins (ICV).
        
        
          E-Mail: