wirtschaft + weiterbildung
03_2016
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Samthandschuhe aus – Boxhandschuhe an
1.
Die Gegenseite taucht im Zweier-Team oder mit mehre-
ren Verhandlern „im Rudel“ auf. Man will Sie in die Zange
nehmen. Ihre Reaktion: „Das ist in der Agenda bei der
Nennung der Teilnehmer so nicht festgelegt. Entweder Sie
reduzieren Ihr Team oder ich ziehe ebenfalls einen Berater
hinzu.“ Klären Sie, wer der Verhandlungsführer ist, spre-
chen Sie immer diese Person an.
2.
Der Verhandlungsgegner will Sie mit einem Ultimatum zu
einer unbedachten Entscheidung zwingen. Ihre Reaktion:
Lassen Sie sich nicht drohen, nachgeben kommt der Kapi-
tulation gleich. Wahrscheinlich will er Ihre Grenzen aus-
testen und prüfen, wie beeinflussbar und stark Sie sind.
Zeigen Sie Rückgrat.
3.
Er wird dermaßen persönlich, dass der Schlag unter die
Gürtellinie geht. Im Boxsport würde der Ringrichter den
Kampf abbrechen und Sie wegen des Tiefschlags des Geg-
ners zum Sieger erklären. Ihre souveräne Reaktion: „Weder
Sie noch ich sollten uns dazu herablassen, die Verhandlung
auf dem Niveau gegenseitiger Verunglimpfungen fortzufüh-
ren. Sie scheinen der Meinung zu sein, Angriff sei die beste
Verteidigung. Ich bin jedoch auch ein guter Angreifer. Las-
sen Sie mich nochmals in die sachliche Offensive gehen ...“
4.
Die andere Verhandlungspartei versucht Sie zu verwir-
ren und zu überrumpeln, indem sie eine weitere Forde-
rung stellt, obwohl die Einigung schon fast erreicht werden
konnte: „Wenn Sie mir jetzt bei ... entgegenkommen, sind
wir uns einig!“ Ihre Reaktion: Weisen Sie nachgeschobene
Forderungen energisch zurück: „Wir waren uns bereits
einig. Lassen Sie uns die diskutierten Punkte doch noch-
mals durchgehen.“ Dabei zählen Sie die Nutzenaspekte
auf, die der Verhandlungsgegner erringen konnte, um ihm
zu verdeutlichen, dass seine Zusatzforderung „zu viel des
Guten“ ist.
Ratschläge vom Boxring.
Lothar Stempfle und Ricarda
Zartmann haben sieben Tipps für den Umgang mit aggressiv-
unfairen Verhandlungsgegnern zusammengestellt.
5.
Der Verhandlungsgegner lügt offensichtlich. Ihre Reak-
tion: Fragen Sie nach Belegen und Beweisen, verlangen Sie
Zahlen, Daten und Fakten. Verstricken Sie ihn in Widersprü-
che, achten Sie darauf, die offensichtlichste Lüge beweisen
zu können.
6.
Er appelliert an die „hohen ethisch-moralischen Wert-
vorstellungen“, die ansonsten Ihr Verhalten prägen würden.
Ihre Reaktion: Wer mit sachlichen Argumenten nicht wei-
terkommt, erhebt den moralischen Zeigefinger. Stimmen
Sie plakativen Äußerungen zunächst plakativ zu, um dann
rasch wieder konkret zu werden: „Sicherlich ein interessan-
ter Aspekt, aber was bedeutet das für unser Verhandlungs-
thema?“
7.
Der Verhandlungsgegner unterbricht Sie ständig – der
Klassiker. Ihre Reaktion: Hier ist ein Hinweis auf die Gebote
der Höflichkeit und des zivilisierten Umgangs miteinander
angebracht. Wenn Sie nach der Unterbrechung wieder das
Wort ergreifen, wiederholen Sie Ihren zuletzt geäußerten
Gedanken in langsam-bedächtiger und übertrieben beto-
nender Diktion. Sie verdeutlichen: „Ich lasse mich durch die
ewigen Unterbrechungen nicht aus dem Konzept bringen.“
denken Sie: Sie setzen sich mit einem un-
fairen Verhandlungsgegner auseinander;
es ist unter Umständen notwendig, sich
drastisch zu verhalten.
Mal auf Argumente verzichten
In harten Verhandlungen nutzt der Ver-
handlungspartner Ihre Argumente als
Informationsquelle, um sich zu munitio-
nieren: „Ihre Infos zur Laufzeit sind inte-
ressant. Aber Ihr Wettbewerber mit den-
selben Konditionen ist im Preis günstiger.
Was ist da noch möglich?“ Und schon hat
er die Führung im Gespräch übernom-
men.
Jedes Argument, das Sie vortragen, dient
ihm dazu, seine Einwände zu verankern.
Arbeiten Sie mit der „Fragumentation“:
Damit ist der strikte Aufbau der Verhand-
lung mithilfe von Fragen gemeint: Sie tref-
fen keine Aussagen, Sie tragen keine Ar-
gumente vor, sondern kleiden jede Ihrer
Aussagen und jedes Ihrer Argumente in
eine Frage. Die „Fragumentation“ lässt
sich vor allem im Verkaufsgespräch ein-
setzen, wenn es darum geht, möglichst
viel vom Verhandlungspartner zu erfah-
ren, ihn zum Reden zu animieren, sich
selbst aber nicht festzulegen. Dabei hel-
fen so einfache Fragen wie „Was meinen
Sie denn dazu?“
Lothar Stempfle, Ricarda Zartmann