wirtschaft und weiterbildung 3/2016 - page 37

wirtschaft + weiterbildung
03_2016
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Beispiel den neuen und den scheidenden
Gesellschafter (sowie bei Partnerunter-
nehmen die verbleibenden Partner). Er
ermittelt deren offene und verdeckte In-
teressen, Wünsche sowie Befürchtungen.
Er klärt den Konfliktstatus und bereitet
die Beteiligten auf die Klärung vor – zum
Beispiel, indem er bei ihnen mit seinen
Interventionen einen Perspektivenwech-
sel bewirkt. In extrem zugespitzten Situ-
ationen kann ein Ergebnis der Analyse
auch folgende Einschätzung sein: Eine
erfolgreiche Unternehmensübergabe ist
zum aktuellen und vielleicht auch zu
einem späteren Zeitpunkt nicht mehr
möglich. Dann bereitet der Berater die Be-
teiligten auf ein letztes Klärungsgespräch
vor, das auf eine würdige Trennung auf
Augenhöhe abzielt.
2.
Klärungsphase
In dieser Phase führt der Berater mit den
Beteiligten zum Beispiel einen Workshop
durch. Er klärt mit ihnen die entstande-
nen Konflikte und Missverständnisse und
schafft den erforderlichen Raum, dass alle
Beteiligten – auch die eher schweigsamen
Zeitgenossen – ihre wechselseitigen Er-
wartungen ehrlich äußern. Gemeinsam
erarbeiten sie, was die zentralen Erfolgs-
faktoren einer Unternehmensübergabe
sind sowie Regeln für den Umgang mit-
einander und erzielen ein Commitment
hierüber. Zudem verständigen sie sich auf
die zentralen Eckpfeiler der Übergabestra-
tegie.
3.
Planungsphase
In dieser Phase plant der Berater mit den
Gesellschaftern die Details für das Umset-
zen der Strategie. Er verständigt sich mit
ihnen über die betrieblich notwendigen
Veränderungen und entwirft mit ihnen
einen Maßnahmenplan. Außerdem er-
stellt er mit ihnen einen Kommunikati-
onsplan, wie und wann die Mitarbeiter,
Kunden, Lieferanten und sonstigen Stake-
holder wie Banken oder die (regionalen)
Medien über die geplanten Veränderun-
gen informiert werden.
4.
Umsetzungsphase
In dieser Phase begleitet der Berater die
aktuellen und künftigen Inhaber zum Bei-
spiel mit Coachings beim Umsetzen der
Maßnahmen. Außerdem schafft er den er-
forderlichen Rahmen, damit die Stakehol-
der sich regelmäßig wechselseitig Feed-
back geben und gegebenenfalls Strategie-
anpassungen und Verhaltensänderungen
vornehmen. Oft erfolgt in dieser Phase
auch ein individuelles Führungscoaching
für den „neuen“ Chef sowie ein Coaching
des alten Chefs, das ihn dabei unterstützt,
„sein“ Unternehmen loszulassen und sich
auch wirklich zurückzunehmen.
Durch ein solches Vorgehen lassen sich
die meisten Nachfolgeprozesse, bei denen
bereits emotionale Verletzungen entstan-
den sind, noch in ein ruhiges Fahrwasser
führen, sodass der Übergabeprozess ge-
lingt – auch weil der Berater eine Platt-
form schafft, um auch heikle, mit Emo-
tionen behaftete Themen so zu bespre-
chen, dass für beide Seiten akzeptable
und somit tragfähige Lösungen erarbeitet
werden können.
Frühzeitig professionelle
Unterstützung holen
Viel sinnvoller wäre es aber, unmittelbar
nachdem (oder sogar noch bevor) die
Unternehmensübergabe vertraglich ge-
regelt wurde, einen Nachfolgeberater zu
engagieren. Denn im Übergabeprozess
müssen sowohl der bisherige als auch der
künftige Inhaber sich und ihre Rolle neu
definieren und finden.
Außerdem müssen die Akteure gemein-
sam viele Herausforderungen meistern,
bezüglich deren Lösung sie aufgrund
ihrer Biografie und der Lebensphase, in
der sie sich befinden, oft unterschiedliche
Einschätzungen, Erwartungen und Be-
dürfnisse haben. Deshalb sind Konflikte
beziehungsweise Interessengegensätze,
aus denen Konflikte resultieren, nahezu
unumgänglich. Darum ist eine professi-
onelle Prozessbegleitung fast unverzicht-
bar, wenn der Übergabeprozess gemeis-
tert werden soll, ohne dass emotionale
Wunden entstehen und ein großer Teil
des Unternehmenswerts unbedacht ver-
nichtet wird.
Klaus Kissel
Prof. Dr. Arist von Schlippe.
Der renom-
mierte Systemiker lädt nach Witten ein.
Universität Witten/Herdecke.
Hier findet
im März ein Mediationskongress statt.
Foto: Uni Witten/Herdecke
Klaus Kissel
ist einer der bei-
den Geschäftsfüh-
rer des IFSM-Insti-
tuts für Sales- und
Managementberatung, das Unterneh-
men unter anderem in den Bereichen
Personal- und Organisationsentwick-
lung unterstützt. Er ist Autor des Buchs
„Das Prinzip der minimalen Führung“
(Windmühle Verlag, 2011).
IFSM-Institut für Sales- und
Managementberatung
Uwe Reusche, Klaus Kissel
Klostergut Besselich, 56182 Urbar
Tel. 0261 9623641
AUTOR
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