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TITEL
_DIGITALES LERNEN
personalmagazin 04/18
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
scher. Hier gilt es allerdings, noch so
manche Hürde zu überwinden.
Einführung mit Hindernissen
Die Pilotphase für KOLA in einigen Be-
trieben und Berufsschulklassen im
Bereich der Handwerkskammer des
Saarlands endete im September 2017 –
und verlief zum Teil sehr ernüchternd.
Auftraggeber störten sich daran, dass
Azubis auf der Baustelle ein Handy oder
Smartphone benützten, in der Annahme,
dass dies aus privaten Gründen gesche-
he. Auch die Vorstellung, dass die Lehr-
linge auf der Baustelle fotografieren oder
filmen, führte bei Hausbesitzern sowie
Eigentümern von Handwerksbetrieben
beziehungsweise Ausbildern zu großen
Bedenken. Letztere sind in der Regel
nicht daran interessiert, dass Mitbewer-
ber Einblicke in die eigene Arbeitsweise
bekommen. In Zukunft sind die moder-
nen Kommunikationsgeräte jedoch feste
Bestandteile des Werkzeugkoffers. „Hier
müssen die Unternehmen Regeln aufstel-
len, wie die Endgeräte zu benutzen sind
und was fotografiert sowie weiterverbrei-
tet werden darf“, sagt Gerhard.
Weiterhin müssten alle Akteure zuerst
lernen, mit der App zu arbeiten und sie
nicht als zusätzliche Belastung anzuse-
hen, so Prescher. „Bei den Azubis besteht
die Gefahr, dass diese die geforderten
Dokumentationen für den Lehrer in der
Berufsschule oder denMeister imBetrieb
anfertigen, anstatt sie zu benutzen, um
selbst daraus zu lernen und die notwen-
digen Schlüsse zu ziehen“, sagt Prescher.
Denn auf den Baustellen geht es darum,
dass auch die Lehrlinge einen Beitrag zur
Wertschöpfung leisten – da bleibt zum
Lernen meist nur wenig Zeit.
Seitens der Inhaber kleinerer Betriebe
ist dies ein gewichtiges Argument, das
gegen die Einführung des digitalen Ler-
nens spricht. Einige Unternehmen hätten
die Teilnahme am Pilotprojekt zwar zu-
gesagt, so Prescher, dieses im Laufe der
Zeit aber sehr stiefmütterlich behandelt.
Ebenso sind bei älteren Arbeitnehmern,
die bisher keine Erfahrung im Umgang
mit Smartphones und Tablets haben, Res-
sentiments gegenüber der neuen Tech-
nik zu erwarten. „Mit dem Pilotprojekt
im Saarland konzentrierten wir uns zu-
nächst verstärkt auf die pädagogischen
Aspekte von KOLA“, sagt Prescher, be-
tont aber, dass es wichtig sei, die Bedürf-
nisse der teilnehmenden Unternehmen
nicht aus den Augen zu verlieren.
E-Learning bei Audi
Vom kleinen Handwerksbetrieb in eine
ganz andere Ausbildungswelt: Drei Aus-
zubildende der Audi AG stehen zusam-
men vor einem Auto mit geöffneter Mo-
torhaube und diskutieren die von einem
Messinstrument angezeigten Werte, das
an den Motor angeschlossen ist. Ausge-
rüstet mit jeweils einem Tabletcomputer
können sie jederzeit notwendige Infor-
mationen aus Datenbanken abrufen
oder über Netzwerke mit Kollegen Kon-
takt aufnehmen. Einige Dutzend Aus-
bilder stehen bei dem Automobilkon-
zern mehreren Hundert Azubis in den
Lehrwerkstätten in Neckarsulm und In-
golstadt zur Verfügung. Verglichen mit
dem Ausbauhandwerk herrschen hier
für die Einführung des E-Learning para-
diesische Zustände.
Seit rund vier Jahren läuft bei Audi
das Projekt „Mobile Learning mit Tablet-
PCs“, das Trainer und Azubis aus un-
terschiedlichen Berufsgruppen an die
neuen digitalen Lernmethoden heran-
führt. Ein Change-Prozess, bei dem auch
die notwendige Akzeptanz für diese Art
der Unterweisung geschaffen wird. „Wir
haben bisher mit dieser Lernmethode nur
positive Erfahrungen gemacht“, sagt Die-
ter Omert, Leiter Berufsausbildung und
fachliche Kompetenzentwicklung der
VIDEO
In der Personalmagazin-App sehen Sie
einen Videobeitrag über das im Artikel
vorgestellte Projekt „KOLA“.
© YOUTUBE
Die Umorientierung von
Frontalszenarien hin
zum selbstgesteuerten
und kooperativen Lernen
mit moderner Technik
bedeutet einen Wandel
in der Lernkultur.
meldung, und diese Ausbildungsstätten
können wiederum seine Dokumentati-
onen für ihren Unterricht verwenden.
Zudem dienen die Aufzeichnungen zur
Qualitätskontrolle.
„Mit der Plattform haben wir das pä-
dagogische Konzept der vollständigen
Handlung umgesetzt“, sagt Thomas
Prescher, heute Professor für Berufspä-
dagogik an der Wilhelm-Löhe-Hoch-
schule in Fürth und früher an der TU
Kaiserslautern mit dem KOLA-Projekt
befasst. Für den fortgeschrittenen Azu-
bi im Elektrohandwerk bedeutet das
Konzept, dass er sich zum Beispiel für
die Installation eines Schaltschranks
alle notwendigen Informationen selbst
beschafft, den Arbeitsablauf in eigener
Regie plant und dann ausführt. An-
schließend bewertet er eigenständig das
Arbeitsergebnis. Auf diese Weise kann
Wissen in die Aneignung von Kompe-
tenz einfließen.
DieKombination aus Lernplattformund
Endgeräten reicht aber allein nicht aus,
um den Schritt in das digitale Lernen und
Lehren erfolgreich zu schaffen. Denn die
Umorientierung in der Ausbildung von
Frontalszenarien hin zum selbstgesteu-
erten und kooperativen Lernen mit mo-
derner Technik bedeutet einen Wandel in
der Lernkultur. „Dieser ist kein Selbstläu-
fer und bedarf neben der konsequenten
Umsetzung auch der betrieblichen und
gesellschaftlichen Akzeptanz“, sagt Pre-