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08/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
nasiums. „Wer damit umzugehen lernt,
der profitiert fürs Leben.“
Die Ausbildungsdauer von sieben Wo-
chen pro Jahr findet in den Ferien auf
Baustellen und in Lehrwerkstätten der
Unternehmensgruppe Heinrich Schmid
statt. Ein zusätzlicher Lernblock von
zwölf Wochen folgt unmittelbar nach
dem Abitur, während ein halbes Jahr
vor dem Examen die berufliche Ausbil-
dung ruht. Sie besteht aus acht Qualifi-
zierungsbausteinen und endet mit dem
Abschluss zum Bauten- und Objektbe-
schichter. Nach einer halbjährlichen
Verlängerung der Ausbildung können
die Schüler zudem die Gesellenprüfung
als Maler und Lackierer ablegen. Ab
dem ersten Ausbildungstag erhalten die
Schüler eine Vergütung von 100 Euro
monatlich, die sich sukzessive erhöht.
Praxis zieht in verkopfte Schule ein
Eltern sind begeistert, dass ihre Spröss-
linge plötzlich das Fach Mathematik ganz
anders sehen, nur weil sie ein Aufmaß
erstellen. Nun werden auch praktische
Fertigkeiten entwickelt. In die Schule,
bis dato aus Sicht vieler Eltern ziemlich
„verkopft“, zieht ein frischer Wind ein.
Ähnliches beobachten konnte man auf
der Internationalen Handwerksmesse
in München, wo schon Grundschüler
sich mit berufstypischen Handgriffen
vertraut machen konnten. „Ob sie dabei
Rohre zusammenschrauben oder Nägel
einschlagen – solche Erfahrungen ma-
chen neugierig und öffnen auch Pers-
pektiven für eine spätere handwerkliche
Ausbildung“, so Markus Glasl, stellver-
tretender Geschäftsführer des Ludwig-
Fröhler-Instituts (lFI), das dem Handwerk
wissenschaftlich auf die Finger schaut.
Wie Glasl sind viele Beobachter von Ini
tiativen begeistert, die Jugendliche mög-
lichst früh fürs Handwerk einzunehmen
versuchen. Vorbild sind unter anderem
Österreich und die Schweiz, die Abitur
(Matura) auf der einen und Fachabitur
auf der anderen Seite mit einer Lehre
verknüpfen. Auch Sachsen preschte hier
2010 mit einem Feldversuch vor, der in-
zwischen von der Technischen Universi-
tät Dresden evaluiert wurde. Als Ergebnis
wird das vom ZDH und der Kultusminis
terkonferenz initiierte „Berufsabitur“
ab dem kommenden Schuljahr in sechs
Bundesländern eingeführt, neben Sach-
sen und Baden-Württemberg sind auch
Bayern, Hamburg, Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen mit von der Partie.
Zwar herrschen in jedem Bundesland
verschiedene rechtliche Rahmenbedin-
gungen vor, die bei der Entwicklung der
Lehrpläne und der Festlegung von Lern-
orten in Abstimmung mit den jeweiligen
Kultusministerien berücksichtigt werden
müssen. „Doch wer ein neues Bildungsan-
gebot entwickeln und in allen Bundeslän-
dern etablieren will“, betont Volker Born,
Leiter der Abteilung Berufliche Bildung
beim ZDH, „muss sich in Geduld üben“.
Vom dualen Gymnasium hingegen er-
wartet der oberste Handwerksverband
keine sonderlichen Impulse. Laut ZDH
reiht es sich unter bundesweit rund 200
verschiedenen Modellen ein, bei denen
eine Ausbildung mit dem Abitur ver-
knüpft wird. Freilich ist das duale Gym-
nasium die einzige Initiative, bei der
sich für die berufliche Ausbildung von
Anfang an ein Unternehmen ganz beson-
ders verpflichtet. „Ganz unterschiedliche
Strukturierungen und Eckdaten machen
die Modelle allerdings sehr unübersicht-
lich und wenig transparent“, sagt Born.
Deshalb entwickle sich die Nachfrage
auch „eher schleppend“.
Zuerst begeistert – dann überfordert
Tatsächlich bleiben auch beim Berufs
abitur viele Fragen offen. So schlägt die
Begeisterung bei den Jugendlichen zu
Beginn der Ausbildung bis zum Abitur
oft in totale Überforderung um, wie im
Evaluationsbericht über die duale Be-
rufsausbildung mit Abitur in Sachsen
(Dubas) nachzulesen ist. Zudem zeigt
sich, dass sich einige Teilnehmer nach
dem Abi für ein Studium entscheiden,
den Betrieben also nicht wie erwünscht
erhalten bleiben. Auch das ist ein Man-
ko: So geht die anfängliche Kooperati-
onsbereitschaft teilnehmender Betriebe
zurück, weil sie ihre Ausbildungsplätze
problemlos mit Studienabbrechern be-
setzen können. Eine verlässliche Richt-
schnur, wie das Berufsabitur aus Sicht
der Befürworter sein soll, ist das noch
lange nicht.
Die Hoffnung der Branche, leistungs-
starke Jugendliche für eine handwerk-
liche Ausbildung zu gewinnen, ist auch
Ausdruck von Initiativen, die nach der
Hochschulreife ansetzen. Ein Beispiel
ist etwa das Triale Studium (mehr dazu
lesen Sie in Personalmagazin 08/2015),
das Lehre, Meisterschule und betriebs-
wirtschaftliches Studium miteinander
vereint und sich seit dem Start in Nord
rhein-Westfalen und Niedersachsen
lebhafter Nachfrage erfreut. Laut Born
steuern die Absolventen ganz klar in
Richtung Unternehmensführung. „Das
Triale Studium ist ein sehr attraktives
Angebot für junge Menschen, die diesen
Karriereweg einschlagen möchten.“
Damit steht das Triale Studium nicht
allein. Bereits im Jahr 2009 ging die
Handwerkskammer München und Ober-
bayern gemeinsam mit der KFZ-Innung
das Wagnis von „Abi und Auto“ ein.
„Wer ein neues Bildungsangebot
entwickeln und etablieren will, muss
sich in Geduld üben.“
Dr. Volker Born, Abteilungsleiter berufliche Bildung beim ZDH