Personalmagazin 8/2017 - page 22

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TITEL
_AUSBILDUNGSABBRÜCHE
personalmagazin 08/17
H
irn, Herz und Hand: Geht es
nach Carl-Heiner Schmid, Se-
nior-Gesellschafter des Reut-
linger Handwerksbetriebs
einrich Schmid mit 4.500 Mitarbeitern,
solltedasganzheitlicheBildungsideal des
Sozial- und Bildungsreformers Johann
Heinrich Pestalozzi unbedingt fröhliche
Urständ feiern. An einigen Gymnasien
Baden-Württembergs nimmt das bereits
konkrete Formen an: Während Schüler
aufs Abitur zusteuern, absolvieren sie ab
der neunten Jahrgangsstufe zusätzlich
eine Berufsausbildung.
Von
Winfried Gertz
Kann es dem unter gravierenden
Nachwuchs- und Imageproblemen lei-
denden Handwerk so gelingen, aus dem
Jammertal herauszufinden? Heißt von
Pestalozzi lernen tatsächlich siegen ler-
nen? Seit Jahren kämpft die Branche um
qualifizierte Jugendliche und klagt über
ausbleibende Bewerber. Bleibt bei den
Metzgern fast jeder dritte Ausbildungs-
platz unbesetzt, ist es bei den Bäckern
jeder vierte. Hinzu kommt: „Heute be-
ginnen rund 60 Prozent eines Jahrgangs
ein Studium. Noch vor zehn Jahren star-
teten so viele eine duale Ausbildung“,
sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollsei-
fer. Trotz Rekordzahlen bei Umsatz und
Auftragsbestand muss der laut Wollsei-
fer „Versorger und Dienstleister der Na-
tion“ mit der Fachkräftesicherung eine
schier unlösbare Aufgabe bewältigen.
Glaubt man dem Unternehmer Schmid,
könnte sich das Handwerk aus dieser
Bredouille mit dem sogenannten dualen
Gymnasium befreien. „Haben junge Men-
schen erst die Hochschulreife erworben,
sind viele von ihnen fürs Handwerk schon
verloren“, sagte er auf einem Qualifizie-
rungsforum des Personaldienstleisters
Randstad in München. Was 2015 am
Evangelischen Firstwald-Gymnasium
in Mössingen begann, wird inzwischen
auch am Friedrich-Schiller-Gymnasium
in Marbach am Neckar
praktiziert. Vorläufig kon-
zentriert man sich auf die
Ausbildung zum Bauten-
und Objektbeschichter so-
wie Maler und Lackierer,
später sollen andere Bau-
gewerke folgen. Schullei-
ter, Ausbilder und Lehrer
berichten von großer Mo-
tivation und Begeisterung
unter Schülern. Mit einem
Bauberuf zu starten, sei
genau richtig. „Bau be-
deutet Problemlösung“,
beschreibt ein Lehrer das
Potenzial des dualen Gym-
Zweigleisig aus dem Tränental?
KONZEPT.
Das Handwerk sucht händeringend Azubis. Das duale Gymnasium, das Abi-
tur und Berufsabschluss kombiniert, soll Schüler früh für eine Ausbildung begeistern.
Das Handwerk soll attrak-
tiver werden: Helfen sollen
neue Konzepte und auf-
wendige Imagekampagnen
(siehe Bilder links).
© BASTIAN BEUTTEL
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