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          „Durchschreiten der Außentür“ gleich-
        
        
          zusetzen. Die Richter begründeten dies
        
        
          mit der Anwendung der Theorie von
        
        
          der objektiven Handlungstendenz mit
        
        
          folgenden Worten: „Als sich der Kläger
        
        
          vom Spitz- auf das Flachdach herab-
        
        
          ließ, diente diese Verrichtung allein der
        
        
          Fortbewegung auf der Strecke zum Ort
        
        
          der versicherten Tätigkeit, weil er sei-
        
        
          ne Wohnung durch das Dachgeschoss-
        
        
          fenster nur deshalb verlassen hatte, um
        
        
          seine Betriebsstätte aufzusuchen und
        
        
          dort einen geschäftlichen Termin wahr-
        
        
          zunehmen. Andere konkurrierende Be-
        
        
          weggründe (zum Beispiel die Befreiung
        
        
          aus dem eingeschlossenen Wohnraum,
        
        
          Imponiergehabe, Übermut, Nachweis
        
        
          turnerischer Gewandtheit, und so wei-
        
        
          ter) sind nicht festgestellt.“
        
        
          
            BSG, Az. B 2 U 2/16 R; Vorinstanz:
          
        
        
          
            LSG Nordrhein-Westfalen, Az. L 17 U 313/14
          
        
        
          Waschmaschinenfall: Unfall zu Hause
        
        
          Im letzten Fall am „Tag des Wegeunfalls“
        
        
          hatte sich das BSG mit einem Sachver-
        
        
          halt beschäftigt, der vom Gesetz eigent-
        
        
          lich gar nicht vorgesehen ist: die Frage,
        
        
          wie ein Weg innerhalb eines Gebäudes
        
        
          zu bewerten ist, in dem ein Versicher-
        
        
          ter wohnt und gleichzeitig arbeitet. Eine
        
        
          Entscheidung, die für Homeoffice-Unfäl-
        
        
          le von Bedeutung ist.
        
        
          In dem konkreten Fall wollte eine Ver-
        
        
          sicherte in ihrer Wohnung, die gleich-
        
        
          zeitig Arbeitsstätte war, Arbeitskleidung
        
        
          aus der Waschmaschine holen. Sie erlitt
        
        
          im privaten Flurbereich des Hauses ei-
        
        
          nen Unfall. Auch hier musste das BSG
        
        
          entscheiden, ob seine Theorie von der
        
        
          objektiven Handlungstendenz eine
        
        
          Bewertung als Arbeitsunfall zulässt,
        
        
          wenn äußere Kennzeichen, die mit dem
        
        
          Durchschreiten der Außentür vergleich-
        
        
          bar sind, fehlen. Die Richter stellten
        
        
          dazu zunächst klar: „Die für Betriebs-
        
        
          wege aufgezeigte Grenzziehung durch
        
        
          die Außentür des Wohngebäudes greift
        
        
          nicht, wenn sich sowohl die Wohnung
        
        
          des Versicherten und seine Arbeitsstät-
        
        
          te im selben Haus befinden.“ Dennoch:
        
        
          Ob ein Weg im unmittelbaren Unter-
        
        
          nehmensinteresse zurückgelegt wird
        
        
          und deswegen im sachlichen Zusam-
        
        
          menhang mit der versicherten Tätigkeit
        
        
          steht, bestimme sich auch hier nach der
        
        
          objektivierten Handlungstendenz des
        
        
          Versicherten. Es komme also darauf an,
        
        
          ob der Versicherte bei der zum Unfaller-
        
        
          eignis führenden Verrichtung eine dem
        
        
          Unternehmen dienende Tätigkeit ausü-
        
        
          ben wollte und diese Handlungstendenz
        
        
          durch die objektiven Umstände des Ein-
        
        
          zelfalls bestätigt wird. Entscheidend sei
        
        
          daher, welche konkrete Verrichtung mit
        
        
          welchem Zweck die Klägerin in dem Mo-
        
        
          ment des Unfalls ausübte.
        
        
          Anders, als es das BSG beispielsweise
        
        
          beim Semmelfall gesehen hat, reicht in
        
        
          den Homeoffice-Fällen offenbar die Fest-
        
        
          stellung des inneren Entschlusses aus,
        
        
          sich auf den Weg zu einer versicher-
        
        
          ten Tätigkeit gemacht zu haben. Daher
        
        
          nahm das BSG im konkreten Fall an,
        
        
          dass ein Arbeitsunfall vorlag. Denn das
        
        
          Waschen von Geschäftstextilien gehöre
        
        
          zu den Aufgaben, die im Interesse des
        
        
          Unternehmens liegen.
        
        
          
            BSG, Az. B 2 U 9/16 R; Vorinstanz:
          
        
        
          
            LSG Baden-Württemberg, Az. L 10 U 1241/14
          
        
        
          
            THOMAS MUSCHIOL
          
        
        
          ist Rechtsanwalt mit
        
        
          Schwerpunkt Arbeits- und Sozialversiche-
        
        
          rungsrecht in Freiburg.