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            RECHT
          
        
        
          _AGILITÄT
        
        
          personalmagazin  11/17
        
        
          merüberlassungsvertrag“ bezeichnen
        
        
          können, obwohl der gesamte Vertrag
        
        
          eindeutig als Dienst- oder Werkvertrag
        
        
          ausgestaltet und praktiziert wird, wenn
        
        
          dies die Parteien so auch wollen. Auch
        
        
          die Folgen sind ungewiss. Nach den
        
        
          allgemeinen Regeln müsste die falsche
        
        
          Bezeichnung unschädlich sein, wenn es
        
        
          tatsächlich gelingt, das Vertragswerk
        
        
          und die praktische Umsetzung klar als
        
        
          Dienst- oder Werkvertrag (oder als de-
        
        
          ren Mixtum) zu gestalten. Aber eine Ge-
        
        
          währ dafür hat kein Unternehmen.
        
        
          
            •
          
        
        
          Schließlich ist nun in § 1 Abs. 1 Satz 3
        
        
          AÜG eindeutig festgeschrieben, dass Ar-
        
        
          beitnehmerüberlassung nur mit Arbeit-
        
        
          nehmern durchgeführt werden kann. Die
        
        
          Überlassung von Freelancern ist keine
        
        
          Arbeitnehmerüberlassung. Die Bußgeld-
        
        
          androhung wurde allerdings merkwür-
        
        
          dig formuliert: Ordnungswidrig handelt
        
        
          nach § 16 Abs.1 Nr. 1b AÜG, wer einen
        
        
          „Arbeitnehmer“ entgegen § 1 Abs. 1 Satz
        
        
          3 AÜG überlässt oder tätig werden lässt.
        
        
          Auf den ersten Blick kann dieser Tatbe-
        
        
          stand also nie erfüllt werden. Ob sich
        
        
          die Rechtsprechung daran hält, wird nie-
        
        
          mand gerne abwarten wollen.
        
        
          Definition im Gesetz, Problem bleibt
        
        
          In agilen Projekten können diese Risiken
        
        
          beim Einsatz von Drittkräften nur signi-
        
        
          fikant begrenzt werden, wenn sowohl in
        
        
          der Vertragsgestaltung als auch in der
        
        
          praktischen Umsetzung vermieden wird,
        
        
          dass der agile Projektvertrag als Arbeit-
        
        
          nehmerüberlassung eingestuft wird.
        
        
          Das allerdings ist leichter gesagt oder
        
        
          geschrieben als getan. Denn obwohl
        
        
          Arbeitsvertrag und Arbeitnehmerüber-
        
        
          lassung seit dem 1. April dieses Jahres
        
        
          gesetzlich definiert sind, bleibt vieles
        
        
          unklar. Der Gesetzgeber hat lediglich
        
        
          die von der Rechtsprechung verwende-
        
        
          ten allgemeinen Abgrenzungskriterien
        
        
          mehr oder weniger exakt in das Gesetz
        
        
          geschrieben. Eine sichere Beurteilung
        
        
          der einzelnen Fälle ist so nicht möglich.
        
        
          Positiv formuliert berücksichtigt und
        
        
          bewertet die Rechtsprechung jeden kon-
        
        
          kreten Einzelfall umfassend.
        
        
          Leitgedanke ist, dass Arbeitnehmer
        
        
          überlassung dann angenommen wird,
        
        
          wenn dem Kunden Arbeitnehmer zur
        
        
          Verfügung gestellt werden, die in des-
        
        
          sen Betrieb eingegliedert werden und
        
        
          ihre Arbeit nach den Weisungen des
        
        
          Kunden und in dessen Interesse aus-
        
        
          führen. Als wesentliche Kriterien wur-
        
        
          den die Ausübung des arbeitsbezogenen
        
        
          Weisungsrechts und die Eingliederung
        
        
          in die betriebliche Organisation des
        
        
          Kunden festgelegt.
        
        
          Im Falle eines Dienst- oder Werkver-
        
        
          trags hingegen organisieren die Vertrags-
        
        
          partner des Kunden ihre Leistung nach
        
        
          ihren eigenen betrieblichen Vorausset-
        
        
          zungen. Sie bleiben für die Erfüllung der
        
        
          Dienstleistung oder die Herstellung des
        
        
          Werks verantwortlich. Die eingesetzten
        
        
          Drittkräfte unterliegen den arbeitsrecht-
        
        
          lichen Weisungen des Vertragspartners
        
        
          des Kunden. Dabei werden die arbeits-
        
        
          vertraglichen von den dienst- oder werk-
        
        
          bezogenen Weisungen unterschieden.
        
        
          Unter den arbeitsvertraglichen Wei-
        
        
          sungen werden solche hinsichtlich
        
        
          des Inhalts und der Durchführung der
        
        
          jeweils anstehenden Arbeiten sowie
        
        
          Zeit und Ort der Tätigkeit betreffend
        
        
          verstanden (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB).
        
        
          Weisungen, die den Vertragsgegenstand
        
        
          (also die Dienstleistung oder das Werk,
        
        
          zum Beispiel bestimmte Fertigungsme-
        
        
          thoden, Qualität, Reihenfolge der Arbeit,
        
        
          Stückzahlen) betreffen, sind dem Kun-
        
        
          den unbenommen. Allerdings ist die
        
        
          Grenze nicht immer scharf zu ziehen,
        
        
          es gibt Überschneidungen (mehr dazu
        
        
          bereits in Ausgabe 10/2015, Seite 68 ff.).
        
        
          Zudem haben Arbeits- und Sozialge-
        
        
          richte die Oberbegriffe in einer Vielzahl
        
        
          einzelner Kriterien bewertet (siehe Kas
        
        
          ten zu den Unterscheidungskriterien).
        
        
          Hundertprozentige Rechtssicherheit ist
        
        
          schon in herkömmlichen Gestaltungen
        
        
          kaum noch zu erlangen. Viele größere
        
        
          Unternehmen haben bereits Richtlinien
        
        
          zum Umgang mit Drittkräften erstellt
        
        
          oder erarbeiten sie gerade. Häufig sind
        
        
          diese Richtlinien jedoch an einem klas-
        
        
          sischen Drittkräfteeinsatz orientiert.
        
        
          Gängige Richtlinien gefährden Scrum
        
        
          Agile Projekte leben hingegen von ei-
        
        
          ner engen Zusammenarbeit zwischen
        
        
          den internen und externen Kräften im
        
        
          Entwicklungsteam, ganz besonders
        
        
          Scrum. Viele Unternehmensrichtlini-
        
        
          en für Drittkräfteeinsatz berücksich-
        
        
          tigen diese Projektentwicklungsform
        
        
          nur unzureichend. Das kann zu gro-
        
        
          ßen Umsetzungsschwierigkeiten in
        
        
          agilen Projekten führen. Den externen
        
        
          Teammitgliedern müssen zuweilen
        
        
          fest definierte Aufgaben im Sinne ei-
        
        
          nes Werks zugeteilt werden, sie dürfen
        
        
          nur noch sehr begrenzt „on site“ tätig
        
        
          werden, die Kommunikation im Team
        
        
          zwischen Externen und Internen wird
        
        
          eingeschränkt. Mit anderen Worten: So
        
        
          manche Drittkräfterichtlinie gefährdet
        
        
          letzten Endes die Umsetzung von agilen
        
        
          Projekten oder den Einsatz von Scrum.
        
        
          Notwendig ist eine Reihe der „norma-
        
        
          len“ Vorgaben solcher Richtlinien im Zu-
        
        
          sammenhang mit Scrum nicht. Die Idee
        
        
          von Scrum ist, die Mitglieder des Ent-
        
        
          wicklungsteams von vielen Bindungen
        
        
          einer starren Unternehmensstruktur
        
        
          zu trennen und ihnen große Autonomie
        
        
          zuzubilligen. Die Grenzen herkömmli-
        
        
          cher Unternehmensstrukturen werden
        
        
          gelockert, die Arbeitsweise wird verän-
        
        
          dert. Mit anderen Worten wird die ar-
        
        
          beitsvertragliche Bindung gelockert, die
        
        
          Drittkraft weniger in die Unternehmens-
        
        
          Um arbeitsrechtliche
        
        
          Risiken bei Scrum zu
        
        
          meiden, ist auf die sau-
        
        
          bere Trennung zwischen
        
        
          Product Owner, Scrum
        
        
          Master und Entwick-
        
        
          lungsteam zu achten.