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RECHT
_WEGEUNFÄLLE
personalmagazin 11/17
E
s könnte vorschnell sein, aus
der Bemerkung „Als der Un-
fall passierte, war ich auf dem
Nachhauseweg“ den Schluss
zu ziehen, dass der Mitarbeiter einen
Arbeitsunfall erlitten hat. Jedenfalls
dann, wenn der Mitarbeiter unterwegs
eine private Besorgung gemacht hat.
Von
Thomas Muschiol
und hielt an einer Bäckerei an, um etwas
einzukaufen. Von seiner Kaufabsicht ver-
abschiedete er sich aber, als er vor dem
Bäckerladen stand und sah, dass sich
drinnen eine lange Schlange gebildet hat-
te, was ihn zur Umkehr veranlasste. Un-
mittelbar vor seinem Fahrzeug stürzte er
und zog sich eine Schulterverletzung zu.
Dieser Sachverhalt dürfte die gängigste
Unterbrechung eines Wegs zwischen
Arbeitsstelle und Wohnung sein: Ein
Mitarbeiter unterbricht seinen Weg, um
sich – juristisch ausgedrückt – „mit Nah-
rungsmitteln zu versorgen“. In diesem
Fall, der sich in Bayern abspielte, wollte
er „Semmeln für eine Brotzeit“ besorgen.
Worüber sich die Juristen in derartigen
Fällen einig sind ist: Grundsätzlich ist die
„Nahrungsaufnahme“ und damit auch
der damit zusammenhängende Einkauf
von Lebensmitteln eine privatwirtschaft-
liche Tätigkeit, sodass ein Semmelholen
zunächst grundsätzlich als unversicher-
te Unterbrechung des Wegs eingeordnet
werden muss. Ebenfalls Einigkeit besteht
auch darüber, dass dann, wenn der Weg
wieder fortgesetzt wird, der Versiche-
rungsschutz wieder besteht.
Wie der vorliegende Fall zeigt, liegt
in derartigen Fällen aber das Problem
in der Entscheidung, zu welchem Zeit-
punkt von einer Wiederaufnahme des
versicherten Wegs auszugehen ist. Hier
hat sich das BSG die richtige Auslegung
selbst äußerst schwer gemacht. Es hat
eine Theorie entwickelt, bei der die „Ab-
sicht des Versicherten, sich auf dem
versicherten Weg weiter fortbewegen zu
wollen, festgestellt werden müsse.“ Das
wiederum müsse „nach außen sichtbar
Künftig besser zu Fuß zur Arbeit?
URTEILE.
Der 31. August stand für den 2. Senat des Bundessozialgerichts im Zeichen
des Wegeunfalls. Die Richter entschieden dazu vier Fälle – zu diffizilen Problemen.
Ausgerutscht auf
dem Weg zur
Arbeit: Das BSG
unterscheidet, ob
man zu Fuß oder
mit dem Auto
unterwegs ist.
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Wie die aktuelle Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) zeigt, kann
es bei der juristischen Bewertung von
Wegeunfällen auf Nuancen im Sachver-
halt ankommen, was zuweilen zu skurril
anmutenden Ergebnissen führt.
Der gescheiterte Semmelholfall
Was war geschehen? Ein Mitarbeiter war
mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit