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12/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
nehmenskontext beantworten – zum
Beispiel: Gibt es einen Unterschied in
den Persönlichkeitseigenschaften von
Leistungsträgern und solchen Mitar-
beitern, die lediglich durchschnittliche
Leistung erbringen? Oder: Gibt es Zu-
sammenhänge zwischen bestimmten
Persönlichkeitsmerkmalen und der
Fluktuation im Unternehmen? Falls die
Ergebnisse einer entsprechenden Un-
tersuchung positiv ausfallen, wären die
gemessenen Zusammenhänge belastbar
und auch wirtschaftlich hoch relevant –
das wiederum gilt jedoch zunächst nur
für die Realität in der eigenen Organisa-
tion, um die es den Praktikern allerdings
insbesondere geht.
Die wirtschaftliche Bedeutung von
Persönlichkeitsmerkmalen
Welche konkreten Erkenntnisse sol-
che Untersuchungen zur Potenzialdia­
gnostik im eigenen Unternehmen brin-
gen können, lässt sich an Beispielen
aus verschiedenen Studien mit dem
IQP-Persönlichkeitstest zeigen. Dieses
Instrument zur Potenzialbeurteilung
verwenden wir sowohl zu Forschungs-
zwecken als auch in Unternehmen. Im
Kasten „Persönlichkeit und Wirtschaft-
lichkeit“ haben wir die Studienbefunde
an drei Beispielen für Gütelevel vier un-
seres „Fünf-V-Modells“ dargestellt.
Chancen und Grenzen der
Potenzialdiagnostik
Ob sich die im Kasten beschriebenen
Effekte in jedem Unternehmen und bei
jeder Zielgruppe zeigen, bleibt natür-
lich fraglich. Der Grund: In den Studien
wurde zwar jeweils empirisch geprüft,
wie belastbar die Befunde sind, jedoch
zählt letztlich die konkrete Organisati-
on mit ihren ganz eigenen Rahmenbe-
dingungen. Daher bietet es sich an, un-
ternehmensinterne Studien mit einem
konkreten Instrument durchzuführen
– ein solches Vorgehen entspräche dann
Gütelevel fünf in unserem Modell. Im
Vertriebsbereich sind solche Studien re-
lativ leicht umsetzbar, denn hier gibt es
meist klare und mehr oder minder gut
messbare Kriterien für Erfolg. Für eine
Fach- oder Führungslaufbahn ist ein ge-
eignetes Studiendesign hingegen sehr
viel schwieriger zu finden. Denn hier
nutzen die Unternehmen in Deutsch-
land erfahrungsgemäß nur selten solide
Leistungs- und Erfolgskennzahlen, de-
ren jeweilige Zusammenhänge mit den
Ergebnissen einer Potenzialbewertung
geprüft werden könnten.
Wayne Cascio, den wir eingangs zitiert
haben, bleibt also bis heute im Recht:
Das Business interessiert sich auch wei-
terhin für wirtschaftliche Kennzahlen
und nicht für Korrelationen. Allerdings
ist das Korrelationsmaß durch moderne
Analyse-Tools und die Professionalisie-
rung von HR inzwischen vielerorts sa-
lonfähig geworden. Damit holt HR im
besten Fall das nach, was in anderen
Organisationseinheiten bereits seit Län-
gerem praktiziert und akzeptiert wird.
So tun die HR-Manager künftig sicher
gut daran, den empirischen Zusammen-
hängen weiter nachzugehen und die
verfügbaren Validierungsmöglichkeiten
gerade im Bereich der Potenzialdiagnos-
tik auszuschöpfen. Damit können aus
Voodoo-Methoden evidenzbasierte Dia-
gnostikverfahren und aus Kosten nach-
vollziehbare Investitionen werden.
PROF. DR. JENS NACHTWEI
leitet das IQP,
ein Spin-off der Humboldt-Universität in
Berlin.
SEBASTIAN UEDELHOVEN
leitet den Fach-
bereich Personaldiagnostik am IQP.
PROF. DR. CHARLOTTE VON BERNSTORFF
leitet den Fachbereich Personalentwicklung
am IQP.
DOREEN LIEBENOW
leitet den Fachbereich
Personalmanagement am IQP.
Beispiel eins: Umsatzzielerreichung bei Vertrieblern
In einer Studie des IQP mit 1.638 Vertrieblern aus mehreren hundert Unternehmen konnten wir
zeigen, dass Vertriebler mit einer sehr geringen Teamorientierung eine durchschnittlich zwölf
Prozent höhere jährliche Umsatzzielerreichung haben als sehr hoch teamorientierte Vertriebler –
diesen Zusammenhang haben wir sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern im Vertrieb
festgestellt. Bei einem durchschnittlichen Umsatzziel von einer Million Euro pro Kopf entspräche dies
einem Unterschied von 120.000 Euro pro Jahr und Vertriebler. Hochgerechnet auf eine ganze Ver-
triebsabteilung und weitere Persönlichkeitsmerkmale, die mit der Umsatzzielerreichung korrespon-
dieren, können sich bei entsprechender Personalauswahl beachtliche monetäre Effekte ergeben.
Beispiel zwei: krankheitsbedingte Fehltage bei Fachkräften
Eine weitere IQP-Studie mit 890 Fachkräften ergab, dass Mitarbeiter mit einer sehr geringen emo-
tionalen Belastbarkeit krankheitsbedingt durchschnittlich dreieinhalb Tage mehr pro Jahr fehlen als
emotional sehr hoch belastbare Fachkräfte. Bei geschätzten Ausfallkosten von rund 300 Euro pro
Tag, die die Bundesanstalt für Arbeitsschutz errechnet hat, entspräche dies einem Unterschied von
1.050 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Aufsummiert auf eine ganze Belegschaft wird die wirtschaftli-
che Bedeutung klar.
Beispiel drei: Verweildauer von Führungskräften
In einer dritten Studie mit 819 General Managern zeigte sich, dass Führungskräfte mit einer sehr
geringen Leistungsmotivation durchschnittlich 3,3 Jahre länger im Unternehmen bleiben als Füh-
rungskräfte mit einer sehr hohen Ausprägung bei diesem Merkmal. Hier können Fluktuationskosten
ins Gewicht fallen: Für eine Führungskraft, die das Unternehmen nach neun bis zwölf Monaten
wieder verlässt, werden die Kosten in der Literatur auf das Zwei- bis Dreifache des Jahresgehalts der
Führungskraft geschätzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine geringe Leistungsmotiva-
tion bei Führungskräften nicht automatisch mit gravierenden Leistungsdefiziten zusammenhängt.
Denn eine geringe Leistungsmotivation korrespondiert ebenfalls mit einem nachhaltigeren Umgang
mit den eigenen Ressourcen – auch das ist aus der Forschung bekannt.
PERSÖNLICHKEIT UND WIRTSCHAFTLICHKEIT
Der Kasten illustriert beispielhaft verschiedene Anwendungsmöglichkeiten für die Er-
gebnisse sogenannter generischer Validierungsstudien zu einem Persönlichkeitstest.
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