personalmagazin 12/2017 - page 34

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MANAGEMENT
_PERSONALDIAGNOSTIK
personalmagazin 12/17
Z
u Beginn ein wenig Selbstkri-
tik: Forscher im HR-Bereich se-
hen Datenanalysen oft als das
Nonplusultra zur Begründung
der Wirksamkeit von Auswahl- und
Entwicklungsinstrumenten. Ob eine
Personalauswahlentscheidung richtig
war oder ob Weiterbildungsmaßnahmen
greifen, wird von Forschern also meist
auf Basis von Daten beurteilt. Das Pro-
blem dabei: Diese Argumentation nutzt
den HR-Managern meist wenig, wenn es
darum geht, neue Ansätze, Instrumente
oder Methoden einzuführen und unter-
nehmensintern zu vermarkten. Denn
die akademische Welt hat offenbar noch
immer nicht verinnerlicht, was der US-
amerikanische Ökonom Wayne Cascio
bereits vor 35 Jahren auf den Punkt
brachte: „Ob Sie es mögen oder nicht:
die Sprache der Geschäftswelt ist Dollar,
nicht Korrelation.“
Zusammenhänge erkennen und
Risiken minimieren
Nun wäre es sicher übertrieben, wenn
wir behaupten würden, dass die besag-
ten Korrelationen in der HR-Praxis gar
keine Rolle spielen. Denn Zusammen-
hänge zwischen verschiedenen Para-
metern der Personalarbeit interessieren
die meisten HR-Manager durchaus. Nur
sollten die statistischen Kennzahlen
eben kein Selbstzweck bleiben, sondern
– unmittelbar oder mittelbar – den Un-
ternehmen dienen. Das Feld der Potenzi-
aldiagnostik scheint hierbei besonders
Von
Jens Nachtwei, Sebastian Uedelhoven,
Charlotte von Bernstorff
und
Doreen Liebenow
Evidenz statt Voodoo
HINTERGRUND.
Viele Personaler setzen Potenzialanalysen ein, ohne dass klar ist, wie
aussagekräftig die Ergebnisse sind. Worauf es ankommt, zeigt ein praxisnahes Modell.
vielversprechend, schließlich ist die
Liste der unangenehmen und zugleich
riskanten Folgen von unreflektierten
Personalentscheidungen sehr lang: Es
drohen mangelnde Leistung, eine er-
höhte Fluktuation, Unzufriedenheit am
Arbeitsplatz, ein überdurchschnittlicher
Krankenstand und letztlich erhebliche
Umsatzeinbußen. So können sich die
Kosten für eine einzige Fehlbesetzung
etwa im Management oder Vertrieb
leicht auf den Wert eines Eigenheims
in guter Lage belaufen. Kurzum: Fehl-
besetzungen sorgen für erhebliche wirt-
FÜNF-V-MODELL DER POTENZIALDIAGNOSTIK
Level
eins:
Vertrauen in persönliche Urteile zum
Instrument eines Anbieters
zwei:
Vertrauen in Aussagen des Anbieters
eines Instruments
Situation
Ein Anbieter stellt sein Instrument, beispiels-
weise einen Persönlichkeitstest, vor und der
HR-Manager führt den Test selbst durch. Der
Test ist anwenderfreundlich und die Unterlagen
sehen „gut“ aus.
Der Anbieter wird eingeladen, Rede und
Antwort zu seinem Instrument zu stehen. Die
Begriffe „valide“, „geprüft“ und „wissenschaft-
lich fundiert“ fallen und der HR-Manager glaubt
den Ausführungen des Anbieters.
Chance
Der HR-Manager kann die Handhabung des In-
struments und die Darstellung von Ergebnissen
einschätzen.
Der HR-Manager erhält tiefergehende Einblicke
in die Aussagekraft des Instruments und kann
kritische Fragen zur Datenqualität stellen.
Risiko
Inhalte und Aussagekraft der Ergebnisse, insbe-
sondere die Relevanz für die spätere berufliche
Bewährung der Kandidaten, sind für Praktiker
schwer bis nicht beurteilbar. Von einer gefühlten
Übereinstimmung der Testergebnisse mit der
individuellen Einschätzung der HR-Manager wird
auf die Güte des Tests für Potenzialanalysen im
gesamten Unternehmen geschlossen.
Die Glaubwürdigkeit der Informationen hängt
zu einem nicht unerheblichen Teil vom Auf-
treten des Anbieters und oft weniger von der
methodischen Qualität des Instruments ab. Ein
Verkaufsargument, das die Anbieter häufig be-
mühen, ist etwa, dass bekannte Unternehmen
ihr Instrument bereits einsetzen würden.
Der Kasten stellt verschiedene Informationsquellen zur Gültigkeit eines potenzialdiagnos-
tischen Verfahrens ansteigend nach dem Gütelevel der enthaltenen Information dar.
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