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RECHT
_RECHTSPRECHUNG
personalmagazin 02/17
D
er alljährliche Blick auf die be-
sonders erwähnenswerten Ur-
teile des Bundesarbeitsgerichts
(BAG) aus dem vergangenen
Jahr hat dieses Mal ein eher verblüffendes
Ergebnis zutage gefördert: Beim Rück-
blick auf die Rechtsprechung der Erfurter
Richter im Jahr 2016 fielen insbesondere
die Entscheidungen auf, die Fragen offen
lassen. Entscheidungen also, die gerade
nicht rechtliche Probleme im Sinne der
dem BAG zugedachten letztinstanzlichen
Rolle klären, sondern von den obersten
deutschen Arbeitsrichtern dem Europäi-
schen Gerichtshof (EuGH) zur Entschei-
dung vorgelegt wurden.
Verantwortlich dafür dürfte die Un-
sicherheit der Bundesrichter darüber
sein, ob die jeweilige Entscheidung bei
einer späteren Überprüfung durch den
EuGH nicht wieder kassiert werden wird.
„Dann lieber vorher mal anfragen“, das
scheint die Devise der Erfurter Richter
zu sein, die für das Rechtsprechungs-
jahr 2016 zu einer rekordverdächtigen
Anzahl von Vorlagebeschlüssen führte.
Anfragen, die zudem mit kniffligen Zu-
satzfragen und mitunter mit Unterhal-
tungswert ausgestattet sind.
Zur Rolle des EuGH im arbeitsgericht-
lichen Verfahren sei vorab noch erwähnt
(lesen Sie dazu auch den Kasten in die-
sem Beitrag): Letztlich kann jedes Gericht
bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen
dem EuGH direkt eine Frage vorlegen,
wenn es dies für erforderlich hält. Es
muss diesen Weg aber nicht beschreiten.
Für das BAG ist dies jedoch anders: Weil
Von
Thomas Muschiol
Häufige Vor- statt Ablagen
RÜCKBLICK.
Unser jährlicher Rechtsprechungsreport mal anders: Welche Fragen das
BAG im Jahr 2016 nicht entschieden, sondern dem EuGH zur Klärung vorgelegt hat.
dessen Entscheidungen nicht mehr mit
Rechtsmitteln des innerstaatlichen Ver-
fahrensrechts angefochten werden kön-
nen, ist dieses Gericht zur Anrufung des
Gerichtshofs in Luxemburg verpflichtet,
wenn es dies für erforderlich hält.
Altersdiskriminierung von Piloten?
Dass Fragen zu Altersgrenzen im ar-
beitsrechtlichen Kontext immer noch
nicht vollends ausdiskutiert sind, mach-
te das BAG gleich zu Beginn des Recht-
sprechungsjahrs 2016 deutlich. Wieder
einmal ging es um einen Piloten, im
konkreten Fall um einen Flugkapitän,
der nach seinem 65. Geburtstag bis zum
Ende seiner regulären Dienstzeit – ge-
nau gesagt ging es im konkreten Fall um
zwei lange Monate – nicht mehr mit flie-
gerischen Aufgaben betraut worden war.
Die Fluggesellschaft hatte sich dabei auf
eine europäische Verordnung berufen,
die einen Einsatz im gewerblichen Luft-
verkehr jenseits des 65. Lebensjahrs un-
tersagt. Die Frage war jedoch: Ist diese
Verordnung rechtlich tatsächlich geeig-
net, eine Altersdiskriminierung des Pilo-
ten auszuschließen?
Nicht das BAG, sondern der
EuGH entscheidet: Im Jahr
2016 gab es viele Vorlagen.