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02/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
noch immer als juristisches Thema ge-
sehen wird. In einer Studie, die wir zur
Compliance-Organisation in Deutsch-
land durchgeführt haben, gab es nur
sehr wenige Unternehmen, in denen die
Compliance-Aufgaben dem HR-Bereich
unterstellt wurden. Man sollte allerdings
berücksichtigen, dass sich Compliance
nicht darin erschöpfen darf, Normen auf-
zustellen und interne Kontrollsysteme zu
deren Einhaltung zu etablieren. Ob ein
Unternehmen Probleme mit Compliance
hat, hängt auch ganz wesentlich davon
ab, welche verhaltensbeeinflussenden
Mechanismen insgesamt am Werk sind.
Dazu zählen Fragen der Organisation
ebenso wie die Gestaltung der Anreiz-
und Führungssysteme. Ebenfalls wichtig
sind informelle Normen, die den Mitar-
beitern verdeutlichen, was erwünscht ist
und tatsächlich die Karriere fördert. Und
das sind originäre Personalthemen.
personalmagazin:
Ist Governance nur für
große Unternehmen relevant?
Grundei:
Governance-Probleme sind zwar
in Aktiengesellschaften oft sehr deutlich
– etwa bei der Frage, ob sich der Vorstand
im Sinne der Aktionäre verhält oder doch
eher Eigeninteressen verfolgt. In anderen
Unternehmens- und Rechtsformen kön-
nen vergleichbare Governance-Probleme-
jedoch ebenso auftreten. Man denke nur
an die Machtverteilung zwischen Leitung
und Überwachung oder an die Auswahl
der geeigneten Führungskräfte in einem
Familienunternehmen, das nicht in der
Rechtsform der AG geführt wird.
„Zumindest Eckpfeiler setzen“
INTERVIEW.
Corporate-Governance-Systeme sollen eine verantwortungsvolle Unter-
nehmensführung sicherstellen. Dabei sind auch die Personalabteilungen in der Pflicht.
personalmagazin:
Der Begriff Corporate
Governance bezeichnet Grundsätze oder
vielmehr Ordnungsrahmen der Unterneh-
mensführung. Wo liegen die Bezugspunkte
zu Personalthemen?
Grundei:
Bezugspunkte sind etwa die per-
sonelle Besetzung der Führungsorgane
und die damit verbundenen Anforde-
rungen an die Qualifikation sowie die
Gestaltung der Vergütungssysteme. Es
geht in erster Linie um ein Regelwerk
für den Vorstand und Aufsichtsrat, das
letztlich der Leitung und der Überwa-
chung des Unternehmens dient.
personalmagazin:
Inwiefern gehören be-
triebliche Führungsmodelle zur Corpo-
rate Governance?
Grundei:
Mir scheint, dass dieser Aspekt im
Rahmen der Corporate Governance kaum
explizit behandelt wird. In die Zuständig-
keit der Leitungsorgane fällt aber auch
die Gestaltung der Managementsysteme,
mit denen das Verhalten in der Organi-
sation gelenkt werden soll. Führung ist
ein wesentlicher Bestandteil hiervon und
normative Festlegungen zu Management-
und Führungssystemen sind von großer
Bedeutung, um prinzipielle Rahmenbe-
dingungen zu definieren und einheitliche
Standards bereichsbezogen oder auch un-
ternehmensweit zu etablieren. Wenn es
konkret um die Umsetzung von Strategi-
en oder die Wirksamkeit von Compliance-
Systemen geht, sollten zumindest die
Eckpfeiler gesetzt werden – etwa in Form
von Führungsgrundsätzen. Ich würde den
Leitungsorganen empfehlen, sich hiermit
zu befassen und bei den Aufsichtsräten
diesbezüglich nachzuhaken.
personalmagazin:
Wie würden Sie das
Thema Compliance hier einordnen und
welche Rolle spielt HR dabei?
Grundei:
Corporate Governance und Com-
pliance sind eng miteinander verwoben.
Der Deutsche Corporate Governance Ko-
dex sieht explizit vor, dass der Vorstand
für die Einhaltung der gesetzlichen Be-
stimmungen und der unternehmensin-
ternen Richtlinien, also für Compliance,
zu sorgen hat – insoweit wird er auch
vom Aufsichtsrat überwacht. Die Ein-
haltung der Governance-Bestimmungen
ist aber natürlich auch selbst wieder ein
Teil von Compliance. Das Verhältnis zum
Personalmanagement stellt sich leider
oft so dar, dass Compliance vielerorts
Das Interview führte
Benjamin Jeub.
JENS GRUNDEI
ist Professor für Betriebs-
wirtschaftslehre mit Schwerpunkt „Corpo-
rate Governance & Organization“ an der
Quadriga Hochschule Berlin.