personalmagazin 2/2017 - page 32

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MANAGEMENT
_FLÜCHTLINGSINTEGRATION
personalmagazin 02/17
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
management. Die gingen an Mitarbeiter,
die in ihren Gemeinden ehrenamtliche
Flüchtlingshelfer waren, an Asylnetzwer-
ke und die Arbeitsagentur, die eine Vor-
qualifizierung organisiert.
Ungewohnt für Flüchtlinge: Eigen-
initiative und Pünktlichkeitskultur
„Wir haben bei der Auswahl von Anfang
an darauf geachtet, dass die Menschen
vom Aufgabenprofil her und vor allem
auch persönlich zu uns passen“, betont
Uli Joos. „Denn wir wollen unser Enga-
gement und die Kräfte der Geflüchteten
nachhaltig einsetzen.“ Praktisch heißt
das: Die Geflüchteten müssen bereit sein,
jenseits von Religion und Geschlecht,
von Nation und Politik zusammenzu-
arbeiten. Wie andere SAP-Mitarbeiter
auch. So kann im Recruiting ein israe-
lischer Mitarbeiter fürs Onboarding zu-
ständig sein – auch in Dubai. Wer über
solche Kombinationen stolpert, würde
sich bei der vielfältigen SAP schwertun.
Ungewohnt, aber erlernbar sind die bei
deutschen Arbeitgebern übliche Rückmel-
de- und Pünktlichkeitskultur sowie die
Eigeninitiative im Bewerbungsverfahren.
Dafür bringen die Geflüchteten eine hohe
Lernbereitschaft und starkes Durchhalte-
vermögen mit. „Manchmal muss man an
den Prioritäten arbeiten“, so Joos. „Wer
sich um seine kranke Mutter kümmern
muss, darf das, muss aber Bescheid ge-
ben.“ Inzwischen sind aus 75 beendeten
Praktika 23 Folgeverträge geworden.
Außerdem studieren 14 Geflüchtete in
Mannheim und Dresden Wirtschaftsin-
formatik, inMannheimzunächst auf Eng-
lisch, später auf Deutsch. Sie hatten einen
halbjährigen Vorbereitungskurs mit den
Fächern Mathematik, Deutsch, Englisch
und interkulturelles Wissen hinter sich
gebracht. Nur ein Praktikant verließ SAP
vorzeitig. Wer das für eine miese Bilanz
hält, sollte gesamtwirtschaftlich denken.
Denn das Ende bei SAP bedeutet nicht
das Ende für die Integration in die Ar-
beitswelt: Ein Praktikant war Apotheker
und zog seinen erlernten Beruf dem Ein-
stieg in die Softwareschmiede vor. Und
eine syrische Französischlehrerin fand
die Personalabteilung zwar interessant,
übernahm aber im Anschluss an das
Praktikum lieber in einer anderen Firma
einen Job als Sprachlehrerin.
Rekrutierungsspezialist Uli Joos jeden-
falls ist überhaupt nicht frustriert, son-
dern steckt in der Auswahl der nächsten
100 Praktikanten unter den Menschen,
die vor Krieg und Elend geflüchtet sind.
Jobmessen speziell für Geflüchtete:
Ein Erfolgsmodell für beide Seiten
Wo und wie sich Unternehmen und Ge-
flüchtete treffen, hängt stark von den
Aktivitäten der Kommunen und der Ar-
beitsagentur, der Verbände und der eh-
renamtlichen Netzwerke ab. Plattformen
wie workeer.de veröffentlichen Prakti-
kumsstellen und Jobangebote sowie die
Bewerberdaten – momentan rund 3.000.
Das Projekt ist als Abschlussprojekt von
David Jacob und Philipp Kühn im Rah-
men ihres Kommunikationsdesignstudi-
ums an der HTW Berlin im Sommer 2015
entstanden. Seit Januar 2016 arbeitet ein
stetig wachsendes Team an der inhaltli-
chen und funktionellen Pflege und Wei-
terentwicklung von workeer.de.
Auf großes Interesse stießen auch
Jobmessen – und zwar sowohl in der
Metropole Berlin als auch, eher auf die
Region ausgerichtet, in Stuttgart. In Ber-
lin haben die Agentur für Arbeit Berlin
Süd und das Estrel schon vor einem Jahr
die erste Jobmesse gezielt für Geflüchte-
te ausgerichtet. 200 Firmen stellten sich
vor, darunter der Chemieriese Bayer,
die Sicherheitsdienstfirma Securitas,
der Außenwerber Wall, das Hotel Hilton
Berlin und das Zeitarbeitsunterneh-
men Randstad. Zu ihnen kamen rund
5.000 Jobsuchende. Mehr als 100 Aus-
bildungsstellen wurden so 2016 besetzt,
die Zahl der Praktikums- und Arbeits-
verträge wurde nicht erfasst. Aber die
Firmen scheinen zufrieden, Denn auch
die Jobmesse am 25. Januar 2017 war
zum Redaktionsschluss schon wieder
ausgebucht. In der Neuauflage werden
die Branchen Gastgewerbe, Gesundheit
und Handwerk mit ihren Berufsfeldern
praxisnah vorgestellt, es kommen also
neben Großunternehmen auch mittel-
ständische Arbeitgeber zum Zug.
So ist es auch bei dem Pendant im
Süden Deutschlands. Die IHK Region
Stuttgart richtete 2016 zwei Messen aus
– und plant auch für 2017 eine Wieder-
holung. Das Besondere hier: Neben dem
Angebot für spontane Besucher gab es
Termine, die nach einem Matching ver-
einbart wurden. Dafür sammelten die
IHK-Mitarbeiter die Firmendaten und
sendeten sie ans Jobcenter ein. Die Mit-
arbeiter dort durchforsteten den Pool
„Unsere Jobmesse für Flüchtlinge war
für die Firmen sehr effizient. Wir hatten
über 100 Matchings.“
Oliver Kreh, IHK Region Stuttgart
VIDEO
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ationen rund um Sprache und Kultur aus
Sicht von Ausbildenden und Auszu­
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