personalmagazin 2/2017 - page 25

02/17 personalmagazin
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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
heit in den skandinavischen Ländern be-
reits durch übergeordnete Institutionen
verankert und vorgegeben wird, beispiels-
weise in Norwegen durch die 40-Prozent-
Frauenquote für Aufsichtsräte, die bereits
2006 in Kraft getreten ist. In den USA
und im Vereinigten Königreich ist dies
nicht der Fall. Dies zwingt Unternehmen
in den liberalen Volkswirtschaften eher
zu eigenständigem Handeln und damit
einhergehend zu einer selbstauferlegten
Diversity-Richtlinie.
Warum Diversity-Richtlinien?
Dies bestätigt auch unsere Analyse von
1.800 Unternehmen aus 20 Ländern zu
verschiedenen institutionellen, kultu-
rellen und unternehmensspezifischen
Faktoren: Sie zeigt, dass Diversity-Richt-
linien häufiger in Ländern mit hohem
Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf und ho-
her Genderungleichheit gemäß Gender
Inequality Index der Vereinten Nationen
festgelegt werden. Zudem ist eine Diver-
sity-Richtlinie häufiger in Unternehmen
anzutreffen, die eine gewisse Sichtbar-
keit in den Medien genießen: große, in-
ternational agierende, erfolgreiche und
strategisch ausgerichtete Unternehmen
mit schriftlich fixierter Unternehmens-
und Personalmanagementstrategie, die
sich nicht in Familienbesitz befinden
und deshalb tendenziell einem höheren
Legitimationsdruck vonseiten externer
Stakeholder ausgesetzt sind. Die Befunde
legen nahe, dass die Entscheidung, eine
Diversity-Richtlinie festzulegen, einer-
seits aus Legitimitäts- beziehungsweise
Reputationsgründen getroffen wird, an-
dererseits aber tatsächlich auch, um ge-
sellschaftlichen Missständen wie einer
hohen Genderungleichheit zu begegnen.
Richtlinien sind keine heiße Luft
Je größer ein Unternehmen ist, desto
eher werden Förderprogramme für Frau-
en in Bezug auf die Rekrutierung, Aus-
und Weiterbildung sowie Karriereent-
wicklung angeboten. Zusätzlich werden
Förderprogramme für Frauen häufiger
von Unternehmen mit Personalmanage-
mentstrategie angeboten – unabhängig
davon, ob eine Diversity- und/oder Cor-
porate-Social-Responsibility-(CSR)-Richt-
linie festgelegt wurde.
Förderprogramme für Frauen werden
aber auch häufiger von Unternehmen mit
Diversity- und/oder CSR-Richtlinie ange-
boten: Richtlinien zu Diversity und CSR
sind also nicht nur Lippenbekenntnisse,
sondern werden zumindest in Bezug auf
die Belange der weiblichen Belegschaft
als eine der relevanten Stakeholder-Grup-
penmittels entsprechender HR-Praktiken
umgesetzt. Zudem bieten Unternehmen
mit einer Diversity-Richtlinie häufiger
familienfreundliche Sozialleistungen wie
betriebliche Kindergärten, finanzielle
Unterstützung für private Kinderfürsorge
und Elternurlaub an.
Förderprogramme kaum verbreitet
Allerdings setzt nur jeweils rund ein
Viertel der befragten Unternehmen
Förderprogramme für Frauen im Be-
reich der Rekrutierung (Deutschland:
zwölf Prozent), der Aus- und Weiter-
bildung (Deutschland: 20 Prozent) und
der Karriereentwicklung (Deutschland:
23 Prozent) ein. Bemerkenswerterwei-
se sind es gerade die Länder mit hoher
Gendergleichheit im gelebten Unterneh-
mensalltag, in denen Förderprogramme
für Frauen selten angeboten werden,
wenn für weitere Kontextfaktoren und
Unternehmensmerkmale kontrolliert
wird. Ähnlich der Befundlage zum Zu-
sammenhang zwischen der Verbrei-
tung von Diversity-Richtlinien und dem
Gender Inequality Index sprechen die
Ergebnisse dafür, dass Förderprogram-
me für Frauen in Ländern mit geringen
Unterschieden in den Rollenbildern von
Frauen und Männern gar nicht (mehr)
als notwendig erachtet werden.
Gender Diversity ernst nehmen
Die bisherige Forschung zeigt, dass
Gender-Diversity-Maßnahmen
nichts
bewirken, solange diese nicht als au-
thentisch wahrgenommen werden. Um
dem gängigen Vorurteil zu begegnen,
Gender-Diversity-Maßnahmen
seien
mit einer (ungerechtfertigten) Vorzugs-
behandlung von Frauen verbunden,
empfehlen die Autoren einer Studie aus
dem Jahr 2007, in der Kommunikation
an die Belegschaft klarzustellen, dass
weiterhin Leistung und Potenzial über
alle Einstellungen und Beförderungen
entscheiden. Darüber hinaus sollte das
Management die Motive hinter den Be-
strebungen, die Gender Diversity auf
Organisationsebene zu erhöhen, offen
kommunizieren.
BENJAMIN KREBS
ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl International Busi-
ness der Universität Paderborn.
DR. MARIUS WEHNER
ist wissenschaft-
licher Assistent an der Uni Paderborn und
operativer Leiter für Cranet in Deutschland.
PROF. DR. RÜDIGER KABST
ist Lehrstuhl-
inhaber an der Universität Paderborn und
deutscher Repräsentant von Cranet.
VIDEO
Frauen an den Tisch: In Norwegen gilt
in Aufsichtsräten eine Frauenquote von
40 Prozent. Welche Erfahrungen die
Skandinavier damit gemacht haben,
können Sie sich in einem Video in der
Personalmagazin-App ansehen.
© YOUTUBE
ADD-ON
Wie verbreitet Diversity-Richtlinien in
den in der Cranet-Studie untersuchten
Ländern im Einzelnen sind, zeigt eine
Grafik in der Personalmagazin-App.
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