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TITEL
_CRANET-STUDIE
personalmagazin 02/17
M
ehr als 50 Prozent der
deutschen Unternehmen,
die an der Cranet-Studie
2015/2016 teilgenommen
haben, sehen ihr Geschäftsmodell von
der Digitalisierung beeinflusst. Mit der
zunehmenden Digitalisierung verän-
dern sich auch die Marktgegebenheiten
schnell, für einige vielleicht sogar zu
schnell. Etablierte Unternehmen sehen
sich auf einmal Marktteilnehmern gegen-
über, die deutlich agiler handeln können,
weil sie mit innovativen Arbeitsformen
besser an die Anforderungen der Digita-
lisierung angepasst sind. Die Silicon-Val-
ley-Riesen à la Google und Apple zeigen
zudem, dass sich Innovationskraft und
Größe nicht gegenseitig ausschließen,
wenn Strukturen und Prozesse installiert
werden, die jedemMitarbeiter eine Chan-
ce geben, sich einzubringen.
Von
Benjamin Krebs, Marius Wehner
und
Rüdiger Kabst
Wie es allerdings um Demokratie und
Partizipation in der „realen Welt“ steht,
abseits der großen Namen aus den Start-
up-Metropolen – darüber ist wenig be-
kannt. Welche Unternehmen sind es, die
hier Vorreiter sind? Welche Rolle spielt
das Personalmanagement hierbei, insbe-
sondere im Hinblick auf dessen Position
– und damit dessen Gestaltungsmöglich-
keiten – imUnternehmen? Entscheidend
für das, was möglich ist und was nicht,
was gewünscht und was gefordert wird,
ist aber nicht nur die strategische Ein-
bindung des Personalmanagements,
sondern es sind auch die institutionellen
und kulturellen Rahmenbedingungen,
in denen sich Unternehmen bewegen.
Auf Basis der Cranet-Studie 2015/2016
haben wir uns auf die Suche nach Mus
tern und Erklärungsansätzen gemacht
und überprüft, welche Konsequenzen
sich aus Partizipation für die Leistung
von Unternehmen ergeben.
Demokratie bei Leistungsbewertung
Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass
ein partizipatorischer Führungsstil, bei
dem Mitarbeiter an der Formulierung
individueller Ziele beteiligt werden, nicht
per se zu einer höheren Leistung der
Mitarbeiter im Vergleich zur direktiven
Formulierung von Zielen führt – sofern
der Mitarbeiter nachvollziehen kann,
weshalb diese Ziele gesetzt werden. Der
Vorteil einer partizipativen Zielformulie-
rung besteht also lediglich darin, dass
Mitarbeiter damit über die Beweggrün-
de hinter Zielformulierungen aufgeklärt
werden. Zurückhaltung ist ebenso bei
Multisource-/360-Grad-Feedback gebo-
ten: Eine Meta-Analyse dazu kommt zu
dem ernüchternden Schluss, dass sich
Praktiker keine allzu großen Hoffnungen
auf Leistungsverbesserungen machen
sollten. Der Erfolg von Multisource-Feed-
back hängt zu sehr von individuellen
Faktoren ab, etwa von einer positiven
Feedback-Orientierung und der Bereit-
schaft, sich zu verändern und dafür kon-
krete Ziele für sich selbst festzusetzen.
Bei der Leistungsbeurteilung von
Managern kommt jedoch zum rein öko-
nomischen Kalkül hinzu, dass die Ein-
beziehung von Mitarbeitern diesen im
Sinne demokratischer Einflussnahme ei-
ne „Stimme“ verschafft und ihnen somit
Wertschätzung entgegengebracht wird.
Weit verbreitet ist diese Praxis jedoch
nicht: Lediglich rund ein Viertel aller
bei der Cranet-Studie weltweit befragten
Unternehmen nutzt den Input von Mit-
arbeitern im Prozess der Leistungsbe-
urteilung von Managern. Relativ häufig
wird Feedback von (unterstellten) Mit-
arbeitern in Großbritannien (54 Pro-
zent), Dänemark (38 Prozent), Spanien
(38 Prozent) und Finnland (34 Prozent)
genutzt (siehe Abbildung „Bottom-up-
Feedback“). In Deutschland sind es ge-
rade einmal 19 Prozent der befragten
Unternehmen.
Abgesehen von diesen Länderunter-
schieden wird Feedback von Mitarbei-
tern bei der Leistungsbeurteilung ihres
Vorgesetzten vorrangig in Unternehmen
genutzt, in denen das Personalmanage-
ment strategisch eingebunden ist – über
eine schriftlich fixierte Personalmanage-
mentstrategie und einen Platz des obers
ten Personalverantwortlichen am Tisch
Wer hat hier das Sagen?
TRENDS I.
Wie verbreitet Demokratie und Partizipation laut Cranet weltweit sind und
wie sich eine Mitsprache von Mitarbeitern auf die Unternehmensleistung auswirkt.
Lediglich ein Viertel al-
ler Unternehmen, die an
der Cranet-Studie teilge-
nommen haben, nutzt
das Feedback ihrer Mit-
arbeiter, um Führungs-
kräfte zu bewerten.