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            MANAGEMENT
          
        
        
          _HR GOVERNANCE
        
        
          personalmagazin  02/17
        
        
          dasselbe Handlungsfeld. Die Personalar-
        
        
          beit wird zwar von Personalabteilungen,
        
        
          Führungskräften und Mitarbeitern ar-
        
        
          beitsteilig erbracht; diese Arbeitsteilung
        
        
          lässt sich jedoch nur sinnvoll gestalten,
        
        
          wenn das gemeinsame Mandat auch als
        
        
          solches erkannt wird. Abzugrenzen ist
        
        
          die organisationale Personalführung vom
        
        
          politischen Anführertum, das insbeson-
        
        
          dere die US-amerikanische Leadership-
        
        
          Literatur prägt. Dort geht es darum, in
        
        
          unstrukturierten Kontexten Gefolgschaf-
        
        
          ten zu mobilisieren. Das aber kann nicht
        
        
          das Führungsideal in Unternehmen sein,
        
        
          denn in ihnen gelten klare betriebswirt-
        
        
          schaftliche Prioritäten und Vorgaben.
        
        
          Eine starke persönliche Bindung zwi-
        
        
          schen Anführern und „Followern“ birgt
        
        
          hier oftmals mehr Risiken als Vorteile.
        
        
          Normen und Führungsqualität
        
        
          In jeder Organisation gibt es Führungs-
        
        
          kräfte, die von sich aus oder aufgrund
        
        
          ihrer Ausbildung gut führen. Eine flä-
        
        
          chendeckend gute Personalführung ist
        
        
          indes nur durch Vorgaben zu erreichen,
        
        
          die ein einheitliches Führungsverständ-
        
        
          nis aller Organisationsmitglieder nor-
        
        
          mieren – der Führungsautor Fredmund
        
        
          Malik fordert hier „Mut zum Normati-
        
        
          ven“. Ein entsprechendes Führungsver-
        
        
          ständnis wirkt wiederum kulturbildend
        
        
          und reduziert Konflikte. Gute betrieb-
        
        
          liche Führungssysteme lassen daher
        
        
          Raum für Individualität, aber eben nicht
        
        
          für beliebiges Verhalten. Sie müssen
        
        
          klare Strukturen bereitstellen und da-
        
        
          bei den Eigenheiten des jeweiligen Un-
        
        
          ternehmens Rechnung tragen. Um das
        
        
          Verhalten der Organisationsmitglieder
        
        
          auch wirklich zu prägen, müssen diese
        
        
          Führungssysteme handlungsorientiert
        
        
          sein. Dazu ist ein integratives Vorge-
        
        
          hen notwendig, das den Themenkom-
        
        
          plex Führung als Ganzes adressiert.
        
        
          In vielen Unternehmen ist das leider
        
        
          nicht der Fall: Noch zu oft besteht das
        
        
          Führungsmodell aus einer Vielzahl von
        
        
          Fragmenten, die nicht selten durch ganz
        
        
          unterschiedliche Trainer und Berater
        
        
          „eingeschleppt“ wurden und entspre-
        
        
          chend lückenhaft oder sogar wider-
        
        
          sprüchlich sind. Die Auswahl-, Entwick-
        
        
          lungs- und Beurteilungssysteme und die
        
        
          zugrunde liegenden Kompetenzmodelle
        
        
          müssen jedoch dem Führungsmodell
        
        
          folgen, nicht umgekehrt.
        
        
          Notwendige Komplexität
        
        
          Es ist erstaunlich, wie schlicht viele
        
        
          betriebliche Führungsgrundsätze sind.
        
        
          Zwar werden sie zuweilen durch detail-
        
        
          lierte Umsetzungsregeln flankiert, diese
        
        
          sind jedoch oft bezuglos und lückenhaft.
        
        
          Betrachtet man das Führungsmodell
        
        
          einmal als Gebrauchsanweisung, wird
        
        
          deutlich, wie unsinnig es ist, sich hier
        
        
          auf ein paar Schlagworte zu beschrän-
        
        
          ken – „Sei Vorbild!“, „Erzeuge Vertrau-
        
        
          en!“, „Setze Ziele!“. Jede schwedische
        
        
          Holzregal-Teilesammlung wird mit einer
        
        
          umfassenderen Anleitung geliefert, und
        
        
          zwar speziell imHinblick auf Werkzeuge
        
        
          und Gefahren. Und so käme wohl auch
        
        
          kein Finanz- oder Logistikfachmann auf
        
        
          die Idee, sein Metier derart vereinfacht
        
        
          darzustellen. Wer ein sinnvolles Füh-
        
        
          rungssystemwill, braucht eben mehr als
        
        
          ein paar eingängige Slogans. Als Struk-
        
        
          turvorlage für betriebliche Führungs-
        
        
          modelle kann etwa die Komplementäre
        
        
          Führungstheorie dienen: Sie beschreibt
        
        
          Führung über ihre Funktionen, Aufga-
        
        
          ben, Akteure, Aktivitäten, Instrumente,
        
        
          Ressourcen und Aufbaustrukturen, also
        
        
          in sieben Elementen mit diversen Be-
        
        
          standteilen und Mechanismen. Auch
        
        
          das ist natürlich eine Vereinfachung
        
        
          der Wirklichkeit. Es geht jedoch auch
        
        
          nicht darum, die Realität vollumfäng-
        
        
          lich abzubilden, sondern darum, auf das
        
        
          Nötigste begrenzte Vorgaben für reales
        
        
          Führungsverhalten zu machen. Mehr
        
        
          als eine solche Vorlage kann übrigens
        
        
          kein Theoriemodell leisten, denn Pau-
        
        
          schallösungen gibt es nicht. Betriebliche
        
        
          Führungssysteme müssen vielmehr in
        
        
          Inhalt und Beschreibung den speziellen
        
        
          Rahmenbedingungen und Anforderun-
        
        
          gen von Organisationen entsprechen.
        
        
          Gemeinsame Grundlagen schaffen
        
        
          Jede Organisation braucht ein explizites
        
        
          betriebliches Personalführungssystem
        
        
          im Sinne einer umfassenden HR Gover-
        
        
          nance. Wer wen wie führt, darf sich
        
        
          nicht aus persönlichen Vorlieben oder
        
        
          der implizit normierenden Wirkung von
        
        
          Entwicklungs- oder Beurteilungsinstru-
        
        
          menten ergeben. Im Gegenteil: Norma-
        
        
          tive Führungsmodelle prägen alle As-
        
        
          pekte der Personalarbeit. Entsprechend
        
        
          durchdacht sollten sie sein.
        
        
          
            PROF. DR. BORIS KAEHLER
          
        
        
          lehrt Betriebswirtschaftslehre
        
        
          und Personalmanagement an
        
        
          der Hochschule Merseburg.
        
        
          Er ist Entwickler der Komplementären Füh-
        
        
          rungstheorie und HR-Strategieberater.
        
        
          
            PROF. DR. JENS NACHTWEI
          
        
        
          leitet das Privat-Institut für
        
        
          Qualitätssicherung in Perso-
        
        
          nalauswahl und -entwick-
        
        
          lung. Er lehrt an der Humboldt-Universität
        
        
          zu Berlin und der HAM Berlin.
        
        
          „Komplementäre Führung“
        
        
          von Boris
        
        
          Kaehler enthält und vertieft viele der hier
        
        
          thematisierten Aspekte.
        
        
          „HR Governance“
        
        
          von Martin Hilb und Marcel
        
        
          Oertig ist das deutschsprachige Standardwerk
        
        
          zu diesem Thema.
        
        
          „Führung und Zusammenarbeit“
        
        
          von Rolf
        
        
          Wunderer beschreibt unter anderem das
        
        
          klassische Prinzip betrieblicher Führungs-
        
        
          normen.
        
        
          „Holacracy“
        
        
          von Brian J. Robertson beruft
        
        
          sich explizit auf Governance-Mechanismen
        
        
          und betont den Wert normativer Vorgaben
        
        
          für alternative Managementsysteme.
        
        
          „Führen Leisten Leben“
        
        
          von Fredmund Malik
        
        
          skizziert einen handlungsorientierten und
        
        
          normativen Führungsansatz, der aktuell in
        
        
          zahlreichen Unternehmen Anwendung findet.
        
        
          
            LITERATURTIPPS