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RECHT
_ENTGELTGLEICHHEIT
personalmagazin 10/17
D
as am 6. Juli 2017 in Kraft
getretene Entgelttransparenz
gesetz soll den „Gender Pay
Gap“ – die Differenz zwischen
den durchschnittlichen Bruttostunden
verdiensten von Männern und Frauen –
verringern. Zudem hat das Gesetz zum
Ziel, die Transparenz von betrieblichen
Entgeltstrukturen, Kriterien und Maß
stäben der Arbeitsbewertung zu stärken.
Dies soll zum einen durch die gesetz
liche Definition von „gleicher Arbeit“
und „gleichwertiger Arbeit“ gelingen.
Zum anderen hat der Gesetzgeber den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
bei Arbeitgebern mit in der Regel min
destens 200 Beschäftigten einen Aus
kunftsanspruch an die Hand gegeben.
Dadurch sollen sie Entgeltbenachteili
gungen erkennen und gegebenenfalls
im Klagewege dagegen vorgehen. Pri
vate Arbeitgeber mit mehr als 500 Be
schäftigten sind künftig aufgefordert,
ihre Entgeltregelung auf die Einhaltung
des Entgeltgleichheitsgebots zu prüfen
und – soweit sie nach dem HGB lagebe
richtspflichtig sind – verpflichtet, einen
Bericht zur Entgeltgleichheit von Frauen
und Männern zu erstellen.
Erreicht das Gesetz dieses Ziel?
Ein klares „Nein“, was am Inhalt des
Auskunftsanspruchs liegt. Die Arbeit
nehmerin und der Arbeitnehmer sollen
nach § 11 Abs. 3 einen Anspruch da
rauf haben, den statischen Median des
durchschnittlichen monatlichen Brutto
entgelts der Beschäftigten des jeweils
Von
Gregor Thüsing
anderen Geschlechts, die gleiche oder
gleichwertige Tätigkeit verrichten, zu
erfahren. Diese Information ist aber zur
Darlegung einer Entgeltdiskriminierung
gänzlich ungeeignet. Denn zum einen
bleibt der Median der Vergütung der Be
schäftigten des eigenen Geschlechts un
bekannt und zum anderen wird gerade
nicht der Durchschnitt erfragt.
Schon eine vereinfachte Skizze zeigt
die Schwierigkeit: Selbst dort, wo
Männer und Frauen die exakt gleiche
Vergütung bekommen, Männer aber
unterschiedlich gegenüber Männern
und Frauen unterschiedlich gegenüber
Frauen verdienen, würde die Beantwor
tung des Auskunftsverlangen immer auf
eine Diskriminierung hinweisen – sei es
des einen oder anderen Geschlechts,
obwohl diese gerade nicht indiziert ist.
Fragt eine Frau am unteren Vergütungs
niveau weiblicher Beschäftigter der glei
chen Tätigkeit nach dem männlichen
Median, wird sie auch unter demMedian
der Männer liegen. Fragt eine Frau am
oberen Ende des Vergütungsspektrums,
wird sie darüber liegen. Und selbst in
einem Vergütungsschema, das Frauen
diskriminiert, kann eine Frau über dem
Median der Männer verdienen.
Es wird schnell deutlich: Die Informati
on hat keinerlei Aussagekraft, zumal der
Schieflage bleibt – trotz Gesetz
MEINUNG.
Das Entgelttransparenzgesetz erfüllt weder die gesteckten Ziele noch bringt
es Klarheit. Zudem ist es juristisch teils mangelhaft umgesetzt, meint Gregor Thüsing.
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Unterschiedliche Bezahlung
von Männern und Frauen:
Das Entgelttransparenzge-
setz ändert dies auch nicht.