personalmagazin 10/2017 - page 75

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10/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
auf der Meinung zu beharren, dass kei-
ne Sozialversicherungspflicht besteht.
Das Vertragsverhältnis wird aufrechter-
halten – in der Hoffnung, dass sich im
Anfechtungsverfahren der Status als
Selbstständiger bestätigen wird.
Zu dieser Variante wird aber kaum
zu raten sein. Man stelle sich vor, der
Betriebsprüfungsbescheid wird rechts-
kräftig und Jahre später entdeckt der Be-
triebsprüfer in der Finanzbuchhaltung
wiederum eine Rechnung von derselben
Person. Es wird dann kaum möglich
sein, einem erneuten rückwirkenden
Beitragsbescheid mit Vertrauensschutz-
argumenten oder Verjährungseinreden
entgegenzutreten. Vernünftigerweise
wird in diesen „Weiterführungsfällen“
nur zu raten sein, das Vertragsverhältnis
entweder sofort zu beenden oder als Be-
schäftigungsverhältnis weiter- und ent-
sprechend Sozialversicherungsbeiträge
abzuführen. Sollte sich im Rechtsmittel-
verfahren gegen den Prüfungsbescheid
ergeben, dass die Statusbeurteilung des
Betriebsprüfers falsch war, können die
gezahlten Beiträge später als zu Unrecht
gezahlte Beiträge nach § 26 Sozialge-
setzbuch IV zurückgefordert werden.
Prüfungsbescheid: Der Blick zurück
Auf den Zeitraum vor der Zustellung
des Betriebsprüfungsbescheids bezieht
sich der Rückzahlungsteil desselben.
Auch hier ist zunächst die Frage, ob
die Statusfeststellung zu Recht erfolgt
ist, zu prüfen. Insoweit ist die Status­
entscheidung inzidente Tatbestands-
voraussetzung für die Rechtmäßigkeit
des Beitragsbescheids. In der „Rück-
wärtsbetrachung“ kommen dann jedoch
entscheidende Einwände hinzu – selbst
wenn die Statusentscheidung richtig ist.
Auf diese wird nun eingegangen.
Einwand des Vertrauensschutzes
Ist über den Status eines Vertragsver-
hältnisses schon einmal ein Verwal-
tungsakt ergangen und darin im Sinne
einer selbstständigen Tätigkeit entschie-
den worden, hindert dies den Betriebs-
prüfer nicht an einer abweichenden Be-
wertung. Dies gilt dann aber nur für die
Zukunft. Einer Aufhebung der früheren
Entscheidung, auch für die Vergangen-
heit, steht im Regelfall die Vertrauens-
schutzregel des § 45 SGB X entgegen.
Bei der früheren Entscheidung kommt
es nicht darauf an, ob diese eine aus-
drückliche Statusentscheidung war. Ver-
trauensschutz kann sich insoweit auch
aus früheren Beitragsbescheiden oder
sonstigen Verwaltungsakten ergeben.
Auch muss nicht die DRV als Prüfbe-
hörde derartige frühere Entscheidungen
getroffen haben. Vertrauensschutz kann
sich insbesondere auch aus Entschei-
dungen der Einzugsstellen ergeben.
Auch aus einem früheren Prüfungsbe-
scheid kann sich Vertrauensschutz ab-
leiten. Dafür bedarf es des Nachweises,
dass sich ein Betriebsprüfer schon ein-
mal mit demselben Vertragsverhältnis
beschäftigt hat, ohne dies aber seinerzeit
beanstandet zu haben.
Einwand gegen die lange Verjährung
Rückwirkende Beitragsbescheide erstre-
cken sich im Regelfall nur auf Zeiträu-
me, die innerhalb der sozialrechtlichen
„Regelverjährung“ von vier Jahren lie-
gen. Soweit nur über Beiträge aus die-
sem Zeitraum gestritten wird, spielt
der Einwand, man habe bei seiner Ent-
scheidung nach „bestem Wissen und
Gewissen“ gehandelt keine Rolle. Die
Beitragszahlungspflicht ist nämlich in-
soweit eine „Garantiehaftung“ und nur
vom Vorliegen objektiver Tatbestands-
voraussetzungen abhängig.
Allerdings kommt es immer wieder
vor, dass Beiträge auch über den Vier-
jahreszeitraum hinaus erhoben werden.
Dies geschieht dann, wenn der Betriebs­
prüfer Anlass zur Annahme hat, dass
Beiträge vorsätzlich hinterzogen wor-
den sind. Ist dies der Fall, so kann auf
Beitragsschulden bis zu 30 Jahren zu-
rückgegriffen werden. Streitpunkt in
der gerichtlichen Praxis ist häufig die
Frage, ob die Schwelle des sogenannten
bedingten Vorsatzes, der für den Vor-
wurf einer vorsätzlichen Beitragshin-
terziehung genügt, überschritten ist. An
dieser Stelle kann dem Vortrag in einem
Sozialgerichtsverfahren, unter welchen
Bedingungen, von welchen Personen
und mit welchem Informationsstand die
Einstufung erfolgt ist, im Gegensatz zur
Beurteilung beim Vierjahreszeitraum
entscheidende Bedeutung zukommen.
Einwand gegen Säumniszuschläge
Nicht nur die Forderung von Beitrags-
rückständen, auch die Festsetzung von
Säumniszuschlägen wird regelmäßig in
Betriebsprüfungsbescheiden verfügt.
Dabei wirdmeist lediglich auf § 24 Abs. 1
SGB IV verwiesen. Danach ist „für jeden
angefangenen Monat der Säumnis ein
Checkliste
Häufigen Fehlerquellen bei einer
SV-Betriebsprüfung vorbeugen (HI300046)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
Betriebsprüfer im
Einsatz: Stellen sie
Scheinselbstständigkeit
fest, sind Rechtsmittel
gegen den Bescheid
genau zu prüfen.
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