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MANAGEMENT
_AGG
personalmagazin 10/17
RALF-DIETRICH TIESLER
ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Partner in der Kanzlei
Menold Bezler in Stuttgart.
werber nicht etwa wegen seines Alters
diskriminiert wurde, sondern ein Kon-
kurrent objektiv besser geeignet war.
Zeigt Ausschreibung Anforderung auf?
Es bleibt also schwierig, Stellenaus-
schreibungen so zu formulieren, dass
das Anforderungsprofil erkennbar ist –
ohne dass sich jedoch Arbeitgeber von
vornherein zu sehr festlegen. Grund-
sätzlich gilt: Das Ausschlusskriterium
für einen AGG-Hopper muss sich nicht
ausdrücklich aus der Stellenausschrei-
bung ergeben. Sofern der Arbeitgeber
im Falle einer Klage darlegen und bewei-
sen kann, dass der Kandidat eine forma-
le Qualifikation oder Anforderung nicht
aufweist, die für die Stelle unverzichtbar
ist, wird in der Regel anerkannt, dass al-
lein dies der Grund für den Ausschluss
war. Denn dann besteht kein Kausalzu-
sammenhang zwischen dem Ausschluss
und einem Diskriminierungsgrund aus
dem AGG. Als Leitlinie gilt: HR-Manager
sollten ein möglichst klares Anforde-
rungsprofil hinsichtlich Ausbildung,
Qualifikation und Berufserfahrung de-
finieren, das eine klare Unterscheidung
ermöglicht, wer geeignet ist.
Mit Blick auf den demografischen
Wandel und die Altersstruktur vieler
Unternehmen wiegt besonders schwer:
Gerichte sehen immer dann ein Indiz für
eine mittelbare Diskriminierung, wenn
eine Stellenausschreibung einen Bezug
zum Alter hat, wie „Berufsanfänger“,
„Young Professional“ oder „in einem
jungen, dynamischen Team“ (siehe
Kasten „Formulierung“). Sinnvoll ist es
auch, den Kreis der Kandidaten bei der
Suche nach Führungskräftenachwuchs
nicht unnötig einzuengen durch kon-
krete Einschränkungen wie „Hochschul-
abschluss, der nicht länger als ein Jahr
zurückliegt“. Die Fomulierung „auch für
Berufsanfänger geeignet“ dürfte indes
noch zulässig sein.
Im Zweifel sollten Personaler die Be-
werber einer benachteiligten Gruppe
wie Schwerbehinderte, Frauen oder Äl-
tere zum Vorstellungsgespräch einladen
– auch wenn fraglich ist, ob sie die An-
forderungen erfüllen. Häufig trennt sich
schon hier „die Spreu vomWeizen“, denn
ein AGG-Hopper wird die Einladung im
Regelfall nicht annehmen. Bei einer Ab-
sage nach einem Vorstellungsgespräch
sind in den Unterlagen objektive Gründe
zu dokumentieren: Warum konnte der
Kandidat im Gespräch nicht überzeu-
gen? Weshalb waren andere besser?
Bei Absagen Farbe bekennen
Klare Aussagen sind bei der Formu-
lierung von Absagen von Vorteil. Vor
Gericht ist es schwer zu begründen,
warum ein Bewerber nicht zum Vor-
stellungsgespräch eingeladen wurde,
obwohl das Unternehmen eine „tolle
Bewerbung“ bescheinigt hat. Deshalb
sollten Personaler Farbe bekennen und
knapp begründen, woran es im Ver-
gleich zu Mitbewerbern gefehlt hat.
Der EuGH und das BAG gewichten
in ihren aktuellen Entscheidungen den
Schutz benachteiligter Gruppen vor
Diskriminierung höher als den der Un-
ternehmen vor AGG-Hoppern. Gerade
wenn junge Leute und Führungsnach-
wuchs gesucht und entwickelt werden
sollen, wird es für HR-Manager knifflig.
Eine unbedachte Formulierung setzt Ar-
beitgeber sofort dem Verdacht der Dis-
kriminierung aus. Vor allem kleine und
mittelständische Unternehmen werden
leicht zu Opfern von Entschädigungsfor-
derungen durch AGG-Hopper. Nur mit
viel Wissen, Sorgfalt und Transparenz
lässt sich dem vorbeugen.
Nicht zuletzt weil die Unternehmen
seit Geltung des AGG schnell dazuge-
lernt haben, ist die Zahl dieser Klagen
bislang überschaubar geblieben. Es ist
jedoch schwieriger geworden, dafür zu
sorgen, dass dies so bleibt.
Bei einer Diskriminierung kann der Bewerber Schadensersatzansprüche geltend
machen. In welchen Situationen Unternehmen vorsichtig agieren sollten.
•
Wenn das Unternehmen durch eine fehlerhafte Formulierung der Stellenausschreibung
ein Indiz für eine Diskriminierung gesetzt hat, drohen Entschädigungsforderungen auch
von solchen abgewiesenen Bewerbern, die nicht über die objektive Eignung für die Stel-
le verfügen. Darauf hat das BAG (Urteil vom 11.8.2016, Az. 8 AZR 406/14) hingewiesen.
•
Gegenüber einem AGG-Hopper muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass
die Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, sondern sich der Kandidat nur beworben hat,
um eine Enschädigung zu bekommen. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs
reicht eine Vielzahl erfolgloser sonstiger Bewerbungen und das Führen mehrerer Ent-
schädigungsprozesse nicht aus. Eine Scheinbewerbung liegt beispielsweise vor, wenn
ihre Formulierung deutlich macht, dass eine Ablehnung provoziert werden soll.
•
Mangelnde Dokumentation: Es ist schwierig und an strenge Voraussetzungen ge-
knüpft, eine Benachteiligung wegen des Alters zu rechtfertigen. Es ist im Einzelnen
darzulegen und zu beweisen, dass ausschließlich (!) andere Gründe als das Alter des
Kandidaten ausschlaggebend für die Ablehnung waren.
•
Unscharfes Anforderungsprofil: Kriterien wie Ausbildung, Qualifikation und Berufs-
erfahrung müssen eine klare Unterscheidung ermöglichen, wer die Anforderungen
erfüllt und wer nicht. Dabei dürfen nur Anforderungen gestellt werden, die nach der
Verkehrsanschauung durch Erfordernisse der zu erfüllenden Aufgaben gedeckt sind.
Wann Schadensersatz droht
HAFTUNG