30
MANAGEMENT
_PERSONALDIAGNOSTIK
personalmagazin 07/17
D
ie Volksrepublik China ist mit
knapp 1,4MilliardenMenschen
das bevölkerungsreichste Land
der Erde. Eine hohe Alphabe-
tisierungsrate, ein in den vergangenen
Jahrzehnten beständig weiterentwickeltes
Bildungssystem, Wirtschaftswachstum
und eine sehr große Zahl von Hochschul-
absolventen lassen auf einfache Rekru-
tierung von Mitarbeitern im Inland des
größten Handelspartners von Deutsch-
land hoffen. Doch weit gefehlt. So einfach
ist es nicht. Denn: Akademisch gebildeten
Chinesen fehlt häufig der Praxisbezug,
duale Ausbildung ist nach wie vor rar und
Berufsschulen sind bei Chinesen nicht
wirklich populär. Zudem sind die Gehälter
in den vergangenen Jahren gestiegen und
eingestellte Mitarbeiter wechseln für ein
geringes Mehrentgelt den Job.
Chinesische Firmen werden bevorzugt
Der „War for Talents“ ist auch in China
schon lange entbrannt. Deutsche Un-
ternehmen konkurrieren untereinan-
der, gegenüber anderen ausländischen
Unternehmen sowie mehr und mehr
gegenüber den immer attraktiveren
chinesischen Unternehmen. Die erste
Wahl ist immer eine Anstellung in einem
chinesischen Unternehmen. Chinesen
erwarten hier, mit ihren Bedürfnissen
besser verstanden zu werden: Führung
entsprechend lokaler Kultur, höhere Kri-
senstabilität, keine Komplexität durch
doppelte Führungsstrukturen, Aufstiegs-
möglichkeiten auch in höhere Positionen
für Chinesen und keine Sprachbarrie-
Von
Andreas Frintrup
und
Li Shan
ren oder bessere Unterstützung bei der
Wohnungssuche aufgrund behördlicher
Beziehungen sind Kriterien, die für Chi-
nesen einheimische Arbeitgeber per se
attraktiver erscheinen lassen. Hinzu kom-
men kulturelle Aspekte, die viele auslän-
dische Unternehmen schwer verstehen
können: zum Beispiel die Erwartung
einer familienähnlichen Verantwortung
des Arbeitgebers und des direkten Chefs
für die Mitarbeiter oder das Guanxi – ein
persönliches Netzwerk wechselseitiger
Beziehungen und Verpflichtungen. Guan-
xi ist ein Aspekt der chinesischen Kultur,
der Westlern meist unverständlich bleibt,
oberflächlich wie Vetternwirtschaft wirkt,
tatsächlich aber vielschichtiger ist.
Arbeitsrecht in China beachten
Die wesentlichen arbeitsrechtlichen Re-
gelungen in Bezug auf das Recruiting in
China sind die folgenden: Arbeitsver-
träge bedürfen der Schriftform. Diskri-
minierungen auf Basis von Ethnizität,
Rasse, Geschlecht, Religion oder kör-
perlicher Einschränkungen (nicht aber:
Alter oder sexueller Orientierung) sind
unzulässig. Die Dauer der Probezeit ist
abhängig von der Laufzeit des Arbeits-
vertrags und beträgt maximal sechs Mo-
nate bei mindestens dreijähriger oder
unbefristeter Laufzeit. Je nach Beschäfti-
gungsdauer sind fünf, zehn oder 15 Tage
bezahlter Jahresurlaub zu gewähren.
Grundsätzlich gilt eine Fünf-Tage-Woche
mit maximal 40 Wochenarbeitsstunden,
wobei die Wahl der Arbeitstage frei ist.
Während der Probezeit ist arbeitneh-
merseitig eine Kündigung mit einer Frist
von drei Tagen möglich, nach Ablauf der
Probezeit beträgt die Frist 30 Tage. Dies
ist in beiden Fällen ohne Begründung
möglich. Arbeitgeberseitig kann grund-
sätzlich mit einer Frist von 30 Tagen ge-
kündigt werden, wobei jedoch sachliche
Gründe vorliegen müssen, wie zum Bei-
spiel mangelnde Eignung des Mitarbei-
ters oder Sitzverlagerung.
Digitales Recruiting ist Pflicht
Die guten Nachrichten für Recruiter:
Es gibt jährlich über sieben Millionen
Hochschulabsolventen in China. Das
Bildungsniveau der Absolventen in den
Metropolen und Großstädten ist allge-
mein recht hoch. Qualifizierte Fach- und
Führungskräfte, mit Passung auf die
westliche Erwartungshaltung bezie-
hungsweise Einstellkriterien, sind al-
lerdings schwer im unübersichtlichen
Bewerbermarkt zu finden.
Das Schalten einer digitalen Stellen-
anzeige ist die am häufigsten genutzte
Methode der Ansprache. So ist kurzfris
tig das höchste Maß an Streuung und
Verbreitung zu erzielen. Die tatsäch-
liche Effizienz hängt einerseits vom
Bekanntheitsgrad des ausgewählten
Portals und andererseits vom Image
der Plattform ab. Die mit Abstand wich-
tigsten Online-Jobbörsen in China sind
51job.com, zhaopin.com und chinahr.
com. Deutsche Unternehmen nutzen
häufig die Jobmarket-Plattform der Aus-
landshandelskammer (china.ahk.de) in
China. Ziel ist dabei oft, Bewerber zu
finden, die bereits einen Deutschland-
bezug in ihrer Vita nachweisen können
– egal ob es dabei um aus dem Ausland
zurückkehrende Chinesen oder in China
Talente im Reich der Mitte
SERIE.
Recruiting und Personalauswahl in China unterliegen aus deutscher Sicht
kulturellen und prozessualen Besonderheiten. Was Recruiter beachten sollten.