Personalmagazin 7/2017 - page 39

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
07/17 personalmagazin
• Wie viel Standardisierung braucht
das Unternehmen, um ökonomische
Skaleneffekte zu erzielen?
• Wo brauchen Mitarbeiter den Entschei-
dungsspielraum, den sie von einem jun-
gen Unternehmen nun einmal erwarten?
• Wie gelingt es den Gründern, die Un-
ternehmensidentität zu stärken, wenn
sie im Unternehmensalltag nicht mehr
so präsent sein können?
Diese Fragen landen auch früher oder
später bei HR – egal, welche Themen
die HR-Profis sonst bearbeiten müssen
oder wollen; Gründer und HR sind da-
zu als Team gefragt. Dabei gilt es, klug
zu steuern – gerade in der Euphorie des
Wachstums. Denn ein vollständig glattes
Wachstum ist selten; immer wieder gebe
es Krisen, die durch zu viel oder zu we-
nig Struktur entstünden, so der US-ame-
rikanische Ökonom Larry E. Greiner.
Die häufigsten Wachstumsfallen
Häufig tappen Führungskräfte und Per-
sonaler in schnell wachsenden Unter-
nehmen in klassische Wachstumsfallen.
Dies beginnt schon an der Stelle, an der
die Aufgaben im Talent Management de-
finiert werden. Aus der Notwendigkeit
heraus beschränkt sich Talent Manage-
ment oft nur auf das Recruiting: „Wir ha-
ben eben schnell gute Leute gebraucht,
denn die Kunden standen mit noch
mehr Aufträgen vor der Tür“, so die HR-
Leiterin eines Fintec-Unternehmens.
Doch wie geht es internen Leistungsträ-
gern, die Tag für Tag das Unternehmen
mit aufbauen? Irgendwann fühlen sie
sich zu wenig gesehen. Auch sie wün-
schen sich regelmäßiges Feedback und
passende Entwicklungspfade.
Doch Recruiting ist nicht alles; Mitar-
beiter sollen auch bleiben wollen. Der
Begriff „Talent Management“ beschreibt
– nach dem Gabler Wirtschaftslexikon
online – „… intern und extern gerichtete
Strategien, Methoden und Maßnahmen,
mit denen ein Unternehmen sicher-
stellt, dass die für den Geschäftserfolg
kritischen Schlüsselpositionen mit den
richtigen Mitarbeitern besetzt sind“. Im
Talent Management ist nur ein Talent,
wer neben herausragenden Leistungen
auch überdurchschnittliches Potenzial
hat. Entscheidend ist dabei, dass Po-
tenzial nach klar definierten Potenzial­
kriterien mit systematischen Methoden
bestimmt wird. Die Grafik „Talente ma-
nagen“ zeigt ein Mitarbeiterportfolio mit
passenden Maßnahmen nach Leistung
und Potenzial.
Eine weitere klassische Falle bei Un-
ternehmen im Wachstum: Die (neuen)
Führungskräfte, aber auch die Gründer
führen im hausgemachten Stil – ohne
Instrumente und Prozesse oder ohne ge-
meinsames Führungsverständnis. Und
ein weiteres häufiges Manko: Strukturen
und Prozesse erscheinen den Gründern
und Mitarbeitern unkreativ oder uncool.
„Wir haben erst spät und erst mithilfe ei-
ner HR-Software professionelle Prozesse
etabliert – das war dann viel aufwen-
diger und hat uns mehr Nerven gekostet,
als gleich Orientierung zu schaffen“, so
eine HR-Mitarbeiterin. „Dabei sind wir
doch selbst ein IT-Unternehmen!“
Des Weiteren scheuen viele Unterneh-
mer klare Rollenkonzepte, in denen Ver-
antwortung, Aufgaben und erforderliche
Kompetenzen eindeutig beschrieben
sind. Grundprinzip ist dann eher: Alle
machen alles, was sie fachlich können.
Doch auch agile Führungskonzepte ar-
beiten mit Rollen – sie sind die Grundla-
ge der Selbstorganisation von Teams und
Mitarbeitern. Der Leitgedanke dabei:
Agilität schafft, wer Selbstorganisation
professionell unterstützt.
Häufig übernimmt HR Aufgaben, de-
nen sich sonst keiner annimmt und die
irgendwie zu HR zu gehören scheinen.
Doch anstatt so generalistisch unterwegs
zu sein, braucht HR Prioritäten, die zur
Wachstumsphase passen. Nicht jeder HR-
Profi kann gleichzeitig administrativen
Aufbau, konzeptionelle Arbeit und strate-
gische Programme liefern und dabei noch
einen guten Draht zu Führungskräften
und zu Mitarbeitern halten. Es braucht
immer wieder einen klaren HR-Auftrag,
den die Gründer mit HR verhandeln und
der für alle Führungskräfte und Mitarbei-
ter transparent ist.
Systematik in HR – ab Tag eins
Hartnäckig hält sich auch die Idee, man
müsse Fehler machen, um zu lernen –
doch das kann sich HR nicht leisten; die
hohen Anforderungen im Wachstum
erfordern Best Practice von Anfang an.
Gründergeist, Struktur und Konsequenz
in den Zielen sind kein Widerspruch,
sondern Erfolgstreiber im Wachstum.
Mangelnde Professionalität oder feh-
lende Investitionen in das HR-Know-how
kommen ein wachsendes Unternehmen
teuer zu stehen. Fehlbesetzungen durch
unstrukturierte Auswahl und Schleifen
Mitarbeiter mit
Potenzial – gezielte
Förderung in der Praxis
Leistungsträger –
Qualifikation und Kompetenzen erhalten
Leistungsträger mit Potenzial –
Förderung in Aufgaben und Projekten
Herausragende Talente – kurzfristige
Angebote und Sprung zu deutlicher
Herausforderung notwendig
Mitarbeiter mit Leistungs­
thema – fordert Maßnahmen
Kurzfristig Potenzial
für Führungs-/Fach-
karriere
An diesem Mitarbeiterportfolio sollten sich auch schnell wachsende Unternehmen orien-
tieren, um das Talent Management systematisch aufzubauen.
QUELLE: BERGDOLT, IN ANLEHNUNG AN MEIFERT, 2011
TALENTE MANAGEN
Potenzial
Leistung
Potenzial für
Fachkarriere/erste
Führung
Gleiche Ebene
Unterdurchschnittlich
Durchschnittlich
Überdurchschnittlich
1...,29,30,31,32,33,34,35,36,37,38 40,41,42,43,44,45,46,47,48,49,...84
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