Personalmagazin 7/2017 - page 33

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07/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Koordination, Kraftausdauer für Blue-
Collar-Positionen oder die Analyse von
Finanzdaten oder Logistikprozessen für
kaufmännische und leitende Positionen.
Gruppen-Assessments sind No-Go
Grundsätzlich sind Testverfahren für
fachliche wie überfachliche Kompeten-
zen und Persönlichkeitsmerkmale in
China gut akzeptiert und unersetzbar,
um festzustellen, in wen investiert wer-
den soll. In kognitiven Fähigkeitstests
schneiden chinesische Bewerber ver-
gleichbar mit deutschen Bewerbern ab.
Das am Arbeitsmarkt anzutreffende
kognitive Niveau ist als hoch zu bewer-
ten – es bestehen also gute Chancen für
deutsche Unternehmen, lernfähige Mit-
arbeiter in China zu finden.
Zweistufiges Testen ist etabliert – Be-
werber können sich online bewerben
und einen Test bearbeiten, bevor sie vor
Ort eingeladen werden und dort erneut
getestet werden und ein Einzel-Assess-
ment mit Interview und Arbeitsprobe
durchlaufen. Gruppendiskussionen
oder Gruppen-Assessments sind in Chi-
na kulturell bedingt ein No-Go, weil sich
die erforderliche soziale Offenheit nicht
herstellen lässt und Gesichtsverlust
droht. Personaler sollten deshalb Einzel-
diagnostik vorziehen und die Verfahren
an die Kultur anpassen; das betrifft auch
und gerade den Interviewleitfaden. Sind
die Verfahren stark strukturiert und
wird der Prozess gut dokumentiert, ist
sichergestellt, dass wirklich eignungs-
basiert ausgewählt und eingestellt wird
– und Guanxi oder andere Interessens-
lagen das Recruiting nicht beeinflussen.
Für China taugliche Bewerberma-
nagementsysteme sehen entsprechend
automatisierte Prozesse und stetige
Einsicht und Kontrolle durch HR in der
Muttergesellschaft vor, um Compliance
zu sichern. Seit 1. Juni 2017 fordert die
chinesische Rechtslage übrigens, dass
alle Daten von Mitarbeitern (nicht expli-
zit von Bewerbern) und Kunden in China
zu speichern sind, die Internetbehörde
CAC überwacht die Einhaltung.
Schnelligkeit ist ein großer Vorteil
Bei der Prozessgestaltung ist außerdem
zu bedenken, dass es in China als per-
sönliches Versagen gilt, wenn Bewerber
mehr als zwei Termine vor Ort beim Ar-
beitgeber brauchen, um von sich zu über-
zeugen. Recruiter sollten also schnell
entscheidungsfähig sein, am besten wäh-
rend des ersten Termins vor Ort. Doch
eine unmittelbare (verlässliche) Zusage
der Bewerber ist nicht zu erwarten – Chi-
nesen besprechen die Annahme eines
Arbeitsangebots meist zuvor mit Familie
und Freunden, freuen sich aber dennoch
sehr über kurze Entscheidungsprozesse.
Die Chancen, gute Kandidaten für sich zu
begeistern, haben in China sehr viel mit
der Geschwindigkeit zu tun, mit der eine
Einstellungszusage unterbreitet wird.
Stellt sich abschließend noch die Fra-
ge: Wer sollte in China den Auswahl-
und Onboarding-Prozess steuern? Die
Personaler aus der deutschen Zentra-
le? Die werden sicherlich nicht den au-
thentischen Zugang zu den künftigen
Mitarbeitern in China finden. Die erste
hochsensible Phase des Onboardings hat
starke Auswirkungen auf die spätere Zu-
sammenarbeit und die Mitarbeiterbin-
dung. Unternehmen sollten sich darum
von erfahrenen HR-Profis, die nachwei-
sen können, dass sie in China bereits er-
folgreich rekrutiert haben, unterstützen
lassen. Das gilt für das Projektmanage-
ment und Personaladministration – ge-
nauso wie für die Auswahlmethoden.
ANDREAS FRINTRUP
ist
Vorstand HR Diagnostics AG,
Stuttgart.
LI SHAN-BRANDENBURG
ist Gründungspartnerin des
auf China spezialisierten HR-
Dienstleisters Deasia.
Für jedes Land dieser Serie zeigen wir exemplarisch fünf Dos and Don‘ts, die bei Re-
cruiting und Personalauswahl besonders zu beachten sind. Diese grobe Orientierung
ist nicht vollständig, zusätzlicher Expertenrat ist nötig.
Dos
Nutzen Sie Mitarbeiterempfehlungen für das Personalmarketing. Prüfen Sie aber, wel-
chen Kenntnisstand der Empfehlende über den Empfohlenen wirklich hat (Guanxi).
Gestalten Sie Karrierewebseite nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Chinesisch/
Mandarin: So können sie auch die Eltern der Bewerber lesen und Vertrauen fassen.
Prüfen Sie alle angegebenen Qualifikationen und Erfahrungen durch Tests und Arbeits-
proben.
Seien Sie schnell in Ihrer Entscheidungsfindung, planen Sie keinesfalls mehr als zwei
Vor-Ort-Termine für einen Bewerbungsvorgang.
Setzen Sie auf muttersprachliche Chinesen im Recruiting und Onboarding und stellen
Sie über standardisierte Prozesse und Tools Monitoring und Compliance sicher.
Don‘ts
Vertrauen Sie keinem Zeugnis und keiner behaupteten Berufserfahrung – circa 70
Prozent der Angaben sind in China gefälscht oder frisiert.
Setzen Sie keine Gruppen-Assessments zur Auswahl ein, sondern Tests und Einzel-
Assessments mit strukturierten Interviews und Arbeitsproben.
Brechen Sie keine Versprechen über Jobinhalte und Karriereoptionen, die Sie im Vor-
stellungsgespräch gegeben haben.
Setzen Sie im Personalmarketing auf verschiedene Medien.
Vertrauen Sie nicht darauf, dass Ihre in Deutschland populäre Marke auch im chinesi-
schen Arbeitsmarkt eine ähnliche Attraktionswirkung besitzt.
Dos and Don‘ts
TIPPS
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