personalmagazin 8/2016 - page 63

08/16 personalmagazin
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RECHT
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URTEILSDIENST 63
Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienst
Eineinhalb Jahre nach der Einführung
eines gesetzlichen Mindestlohns beant-
wortet nun das Bundesarbeitsgericht
(BAG) nach und nach grundsätzliche
Fragen zur Lohnuntergrenze. Waren
reitschaftsdienstes. Das Ergebnis: Das
Mindestlohngesetz differenziere nicht
zwischen regulärer Arbeitszeit und Be-
reitschaftsstunden, sondern sehe eine
einheitliche Lohnuntergrenze vor.
zuletzt die Sonderleistungen wie Weih-
nachts- und Urlaubsgeld und deren An-
rechenbarkeit auf den Mindestlohn im
Fokus der BAG-Richter, urteilten sie nun
über die Bezahlung von Zeiten des Be-
URTEIL DES MONATS
Für den zweiten Präzedenzfall zum Mindestlohngesetz innerhalb
kurzer Zeit sorgte ein Rettungsassistent. Jedoch: Auch wenn das
BAG entschied, dass insgesamt der gesetzliche Mindestlohn für jede
geleistete Arbeitsstunde, also auch für Zeiten des Bereitschafts-
dienstes, zu zahlen sei, wiesen sie dennoch die Klage ab. Denn
laut BAG kam es im konkreten Fall auf das Verhältnis zwischen der
Gesamtvergütung und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit an.
Diese Gesamtvergütung hatte jedoch eine über den gesetzlichen
Mindestlohn hinausgehende Bezahlung ergeben.
Im konkreten Fall war der Rettungsassistent in einer Vier-Tage-Wo-
che und in Zwölfstundenschichten durchschnittlich 48 Stunden
wöchentlich beschäftigt, wobei regelmäßig Bereitschaftszeiten an-
fielen. Letztlich vertrat er die Ansicht, dass sein Grundgehalt nur die
bis 39 Stunden pro Woche geleistete Vollarbeitszeit vergüte, nicht
jedoch die bis 48 Stunden darüber hinausgehende Arbeitszeit.
Dies sah der fünfte Senat des BAG anders. Dem Mitarbeiter stehe
für seine geleisteten Bereitschaftszeiten keine weitere Vergütung
zu, urteilten die Richter. Zwar sei Bereitschaftszeit grundsätzlich mit
dem Mindestlohn zu vergüten. Zeit also, während derer sich der Ar-
beitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – innerhalb
oder außerhalb des Betriebs – bereithalten muss, um bei Bedarf die
FEHLER BEI MASSENENTLASSUNGEN
ZUSAMMENFASSUNG
Vergisst ein Arbeitgeber den Betriebsrat über
die von einer Massenentlassung betroffenen Berufsgruppen zu
unterrichten, kann dieser Fehler geheilt werden.
RELEVANZ
Die Beteiligung des Betriebsrats im Vorfeld einer
Massenentlassung – etwa im Zusammenhang mit dem Konsultati-
onsverfahren – führt häufig zu Fehlern. Im konkreten Fall hatte der
Insolvenzverwalter bei der Stilllegung eines Betriebs vergessen, im
Konsultationsverfahren die von der Massenentlassung betroffenen
Berufsgruppen zu informieren. Dieser Fehler sei jedoch laut BAG ge-
heilt worden, da der Betriebsrat nach dem Interessenausgleich mit-
teilte, der Arbeitgeber habe ihn vollständig unterrichtet. Damit habe
der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch als erfüllt angesehen.
REINIGUNGSKOSTEN BEZAHLEN
ZUSAMMENFASSUNG
Überall dort, wo Lebensmittel verarbeitet
werden, ist das Tragen sogenannter Hygienekleidung Pflicht. Bei ei-
ner solchen gesetzlichen Pflicht muss der Arbeitgeber für die dafür
anfallenden Reinigungskosten selbst aufkommen.
RELEVANZ
Zu der Frage nach der Arbeitszeit beim Umziehen oder zu
den Reinigungskosten von Berufsklamotten haben Gerichte immer
wieder zu entscheiden. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nur ver-
pflichtet, die Berufskleidung zu stellen und zu bezahlen, wenn dies
im Arbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag vereinbart ist. Das Urteil
zeigt nun: Auch die gesetzliche Pflicht zum Tragen einer Schutz-
kleidung ist eine Ausnahme. Allerdings: Zur Vereinbarung einer
Kostenübernahme hat sich das BAG nicht geäußert.
Arbeit aufzunehmen. Im Falle sei der Anspruch jedoch erfüllt. Kon-
kret rechneten die Richter vor: Bei maximal 228 Arbeitsstunden pro
Monat mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten übersteigt die gezahlte
Monatsvergütung von 2.680,31 Euro den gesetzlichen Mindestlohn
(228 Stunden zu 8,50 Euro entsprechen 1.938 Euro brutto).
Anspruch auf Mindestlohn: Rettungsassistenten in Bereitschaft.
Quelle
BAG, Urteil vom 29.6.2016, Az. 5 AZR 716/15
Quelle
BAG, Urteil vom 14.6.2016, Az. 9 AZR 181/15
Quelle
BAG, Urteil vom 9.6.2016, Az. 6 AZR 405/15
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