personalmagazin 8/2016 - page 45

45
08/16 personalmagazin
OMER DOTOU
ist Berater
für internationale Mitar-
beiterentsendungen bei
der BDAE Gruppe.
ANNE-KATRIN SCHULZ
ist Pressesprecherin der
BDAE Gruppe.
Monaten mindestens zwei Monate Pause
liegen müssen, um erneut eine zweijäh-
rige Entsendung mit Weitergeltung der
deutschen Sozialversicherungsvorschrif-
ten genehmigt zu bekommen. Allerdings
hatte das Unternehmen keine Zeit, zwei
Monate bis zum Projektstart zu warten.
Deswegen beantragte es eine Ausnah-
mevereinbarung für Ulf K. Die DVKA
forderte den zuständigen HRler auf, die
A1-Bescheinigungen für die erste Ent-
sendung über den alten Arbeitgeber ein-
zureichen. Das Problem war nur, dass die
vorherige Firma ihrer Meldepflicht nicht
nachgekommen war – die nötigen Un-
terlagen existierten überhaupt nicht. Bis
diese Information die verantwortlichen
Personen überhaupt erreichte, vergingen
einige Monate und Ulf K. war bereits auf
der Baustelle in Belgien – ohne die not-
wendige Ausnahmevereinbarung.
Dort trat das Schlimmstfall-Szenario
ein: Ulf K. erlitt einen Arbeitsunfall, bei
dem er sich einen komplizierten Split-
terbruch im Handgelenk zuzog. Als
das Unternehmen den Schaden bei der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversiche-
rung (DGUV) meldete, erhielt es umge-
hend eine Leistungsverweigerung. Die
DGUV wollte für die Unfallkosten nicht
aufkommen, da Ulf K. aufgrund seiner
Auslandstätigkeit kein Mitglied mehr
gewesen sei. Stattdessen solle der Ar-
beitgeber die Unfallkasse in Belgien
informieren. Allerdings hatte die Perso-
nalabteilung den Mitarbeiter während
der Phase der Antragsprüfung noch nicht
im belgischen System angemeldet. Damit
galt Ulf K. nicht nur als unversichert, son-
dern auch als illegal Beschäftigter, denn
in Belgien ist die A1-Bescheinigung für
die Gültigkeit der Entsendung zentrale
Voraussetzung für eine Beschäftigung in
einer Auslandsniederlassung.
Die Situation eskalierte schließlich,
als Ulf K.s Anwalt damit drohte, sowohl
den aktuellen Arbeitgeber als auch den
alten auf Schadensersatz zu verklagen.
Das Thüringer Heizungsunternehmen
beauftragte die BDAE-Gruppe mit der
Prüfung der Klage und wollte wissen,
welche Aussichten auf Erfolg diese
haben würde. Die entscheidende Fra-
ge war, wer Schuld hatte: Ulf K.s vor-
herige Firma, die ihrer Meldepflicht
nicht nachkam, oder die aktuelle Fir-
ma, die ihn ohne Ausnahmeverein-
barung in Belgien arbeiten ließ. Nach
unserer Einschätzung hätten die
Richter im Falle einer Verhandlung
beide Parteien in die Verantwortung
genommen: 70 Prozent der Schuld
und damit auch der Schadensersatz-
summe hätte wahrscheinlich Ulf K.s
ehemalige Firma zahlen müssen
und 30 Prozent seine aktuelle. Man
einigte sich auf Basis dieser Experti-
se schließlich außergerichtlich. Eine
Prüfung des Versicherungsstatus er-
gab zudem, dass Ulf K. tatsächlich in
Belgien versicherungspflichtig war.
Fehler trotz Fachkompetenz
Die genannten Beispiele zeigen, wie
schwierig sich Antragsverfahren
gestalten können und dass selbst
bei großer Fachkompetenz in Per-
sonalabteilungen Fehler mit großen
Auswirkungen passieren können. Es
empfiehlt sich daher, andere Unter-
nehmensabteilungen (wie die Lohn-
buchhaltung) sowie externe Partner
(wie die Steuerberatungsgesellschaft
des Unternehmens) von Anfang an
in den Antragsprozess einzubezie-
hen und das Viel-Augen-Prinzip
anzuwenden. Kaum eine Personal-
abteilung kann es nämlich leisten,
sämtliche Informationen, die den
Entsendeprozess eines Mitarbeiters
betreffen, allein zu beschaffen.
1...,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44 46,47,48,49,50,51,52,53,54,55,...84
Powered by FlippingBook