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08/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Die Abbildung zeigt, was und wie laut der Studie in US-Unternehmen am Arbeitsplatz
kontrolliert wird und welche Ziele die Kontrollmaßnahmen für Arbeitgeber haben.
QUELLE: AJUNWA, CRAWFORD, SCHULTZ
ZIELE UND MITTEL DER ARBEITSPLATZ-KONTROLLE
PRODUKTIVITÄT
VERHALTEN
PERSÖNLICHKEITS-
MERKMALE
Nutzung von Unternehmensressourcen
Drogentests, psychometrische
Kontrollen
Ort: Magnetkarte, GPS, RFID,
Überwachungskamera
Gesundheitsprüfung, Gentest
Kommunikation:
E-Mail, Telefon, Internetseiten
Kredit- und private Hintergrund-
Überprüfung, Vorstrafenregister
Verdeckte Überwachung:
Interaktion mit Kunden und Kollegen
Datenbankauswertung beim
Headhunting und Recruiting
Tastenanschläge, Screenshots,
Produktivitäts-Apps
sich und andere in Gefahr. Eine weite-
re Folge des Zeit- und Leistungsdrucks:
Zwar konnte eine höhere Zahl an Pake-
ten ausgeliefert werden, darunter waren
aber viele Fehlzustellungen. Dieses Bei-
spiel macht also auch die Schattenseiten
deutlich: Während Kosten für die Imple-
mentierung von Kontrollinstrumenten
stets im Businessplan auftauchen, wer-
den die Kosten auf Seiten der Mitarbei-
ter kaum beachtet. Darin unterscheidet
sich UPS nicht von anderen Logistikern,
auch nicht in Deutschland.
Aus Praxissicht weitergedacht
Mit den digitalen Möglichkeiten kommt
die Stechuhr zurück, nur subtiler und
umfassender. Das steht konträr zu all
dem, was unter dem Schlagwort „Ar-
beit 4.0“ mit netten Floskeln diskutiert
wird. Statt Vertrauensarbeitszeit und
demokratischen Strukturen kontrolliert
hier nur der Arbeitgeber — quasi bis hin
zum Pulsschlag. Damit entsteht ein Teu-
felskreis aus Kontrolle, ausweichendem
Verhalten und einer Management-Reak-
tion hin zu noch mehr Kontrolle. Daher
ruderten die meisten Firmen bislang
wieder zurück und so verschwand auch
das „Occupeye“ wieder aus den Büros.
Doch allein die Tatsache, dass die totale
Überwachung ausgelotet wird, hinter-
lässt eine Kluft zwischen Überwachern
und Untersuchten. Überraschenderwei-
se sind es dabei oft die Start-ups, die im
Land der unbegrenzten Möglichkeiten
auch jene des unbegrenzten Überwa-
chens wahrnehmen. Das Nebeneinan-
der von „bösen“ Produktivitäts-Apps
und „guten“ Feelgood-Managern wird
aber etliche Talente abschrecken.
MARTIN CLASSEN
führt seit
2010 sein Beratungsunter-
nehmen People Consulting.
PROF. DR. CHRISTIAN
GÄRTNER
ist Inhaber der
Professur für BWL an der
Quadriga Hochschule Berlin.
mit den Schlagworten „Arbeit 4.0“ und
„Big Data“ arbeitsrechtliche Regelungen
verbunden (beispielsweise Arbeitszeit-
recht, die Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrats,
Mindestankündigungs-
fristen beim Arbeiten auf Abruf). Diese
Regelungen werden aktuell in Juristen-
kreisen hierzulande heiß diskutiert.
Der wichtigste und der nach-
denklichste Satz
Der wichtigste Satz: „Es ist unbestritten,
dass Arbeitgeber ein wirtschaftliches
Interesse an der Überwachung ihrer
Mitarbeiter haben.“
Der nachdenklichste Satz: „Fragwür-
dig ist, ob die Mitarbeiterüberwachung
auf Bereiche, die bisher als persönlich,
selbstbestimmt oder privat betrachtet
wurden, ausgeweitet werden darf.“
Konsequenzen fürs HR-Management
Beobachten, Messen und Steuern waren
schon immer Teil des Performance-Ma-
nagements. Vor dem Hintergrund der
voranschreitenden Digitalisierung soll-
ten die Personalabteilungen jedoch ge-
rade in diesen Themenbereichen wach-
sam bleiben: Es geht nämlich nicht nur
um die Frage, ob die Informationsgelüs-
te der Arbeitgeber legal sind, sondern
auch darum, ob sie legitim und mora-
lisch akzeptabel sind. Aus Management-
Sicht sind zudem unerwünschte ökono-
mische Folgewirkungen zu bedenken.
Beispiel UPS: Der Logistiker stattete sei-
ne Trucks mit einer Vielzahl von Mess-
sensoren aus, wodurch unter anderem
die Stillstandzeiten optimiert wurden.
So konnte UPS innerhalb von vier Jah-
ren die Anzahl der verschickten Pakete
pro Tag um 1,4 Millionen erhöhen — und
die Anzahl an Fahrern um 1000 redu-
zieren. Die „Verbesserungen“ der Kon-
trollmechanismen hatten jedoch auch
den Effekt, dass Fahrer relevante Si-
cherheitsbestimmungen umgingen, um
Zeit zu sparen – und brachten dadurch
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