personalmagazin 8/2016 - page 43

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08/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
belassen, ist eine sogenannte Ausnah-
mevereinbarung, die bei der Deutschen
Verbindungsstelle Krankenversiche-
rung – Ausland (DVKA) gestellt werden
muss. Das Verfahren ist mit einer Bear-
beitungsdauer von mindestens zwei bis
acht Monaten langwierig und vor allem
komplex (siehe Abbildung „Prüfschema
Ausnahmevereinbarung“).
Die Personalerin des Maschinenbau-
unternehmens kannte die aufwendige
Prozedur und leitete das Verfahren in die
Wege. Dazu gehörte es auch, eine Begrün-
dung über die Notwendigkeit des verlän-
gerten Auslandseinsatzes zu schreiben,
die bisherigen Entsendebescheinigungen
der Krankenkasse einzureichen und et-
liche Fragen in weiteren Antragsformu-
laren zu beantworten. Eine Frage befasste
sich erneut mit der Weiterbelastung des
Gehalts von Holger R., und diesmal gab
die Personalerin wahrheitsgemäß an,
dass dieses in den vorangegangenen vier
Jahren weiterbelastet worden war.
Diese richtige Antwort brachte den
Stein schließlich ins Rollen und hatte zur
Folge, dass die DVKA die Verlängerung
ablehnte. Begründung: Trägt das entsen-
dende Unternehmen nicht zu 100 Prozent
die Gehaltskosten des Expat, so stellt dies
bei Ländern mit Sozialversicherungsab-
kommen ein Ausschlusskriterium für
eine Entsendung mit Weitergeltung der
heimischen Sozialversicherungspflicht
dar. Was bedeutet dies für den Fall Hol-
ger R.? Laut bestehender Rechtslage
hätte die Entsendung rückabgewickelt
werden müssen. Dies wiederum hätte
die Nachzahlung der Beiträge zur Ren-
ten- und Arbeitslosenversicherung ins
chinesische System eingeschlossen. Eine
Rückerstattung der fälschlicherweise ins
deutsche System eingezahlten Beträge
war aufgrund der Verjährungsfrist von
vier Jahren nicht möglich. Hinzu wäre
die Zahlung von Strafgebühren wegen
der fehlenden Anmeldung bei der chi-
nesischen Sozialversicherung und – viel
schlimmer – ein Abbruch der Entsendung
aufgrund der falschen Abwicklung ge-
kommen. Dass Holger R. alles andere als
PRÜFSCHEMA AUSNAHMEVEREINBARUNG
Das Schema stellt den Prozess dar, nach dem Ausnahmevereinbarungen zum Verbleib
von Expats im deutschen Sozialversicherungssystem beantragt und geprüft werden.
Arbeitgeber in Deutschland stellt gemeinsam mit dem Arbeitnehmer
den Antrag auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung
GKV-Spitzenverband, DVKA prüft Antrag und stimmt zu
Ausländische zuständige Behörde
prüft und stimmt dem Antrag zu
Für den Arbeitnehmer
gelten die Rechtsvorschriften des
Beschäftigungsstaats
GKV-Spitzenverband,
DVKA informiert Arbeit­
geber über Bewilligung
des Antrags
GKV-Spitzenverband,
DVKA informiert Arbeit­
geber über Ablehnung
des Antrags
Arbeitgeber informiert zuständige
Krankenkasse von der Ablehnung
und meldet Arbeitnehmer dort ab
Im Fall einer Ausnahmevereinbarung bei Beschäftigung in EU-Staaten, Australien,
Indien, Korea oder Mazedonien wird die Bescheinigung über die anzuwendenden
Rechtsvorschriften (zum Beispiel A1) vom GKV-Spitzenverband, DVKA ausgestellt.
Als zuständige Einzugsstelle erhalten Sie hierüber ein Informationsschreiben.
ja
nein
ja
nein
zwingend einholen. Das bedeutet, dass
Personaler diese Pflicht nicht etwa an
den zu entsendenden Mitarbeiter dele-
gieren dürfen. Tatsächlich geschieht dies
in der Praxis immer wieder – und das,
obwohl klar sein sollte, dass die Mitarbei-
ter die im Antrag gestellten Fragen (sie-
he Kasten „Typische Fragen bei Anträgen
für die Prüfung einer Entsendung“ in der
Personalmagazin-App) überhaupt nicht
beantworten können.
Beim Antragsverfahren, das die zu-
ständige Global-Mobility-Managerin
beim China-Einsatz von Holger R. einlei-
tete, unterlief ihr ein kleiner Fehler mit
großen Folgen: Auf die Frage „Sind die
Lohn- und Gehaltskosten (teilweise) den
Unternehmen im Beschäftigungsstaat
weiterzubelasten?“ kreuzte die Persona-
lerin entgegen den Tatsachen (das Gehalt
von Holger R. musste nämlich aus steuer-
lichen Gründen an die chinesische Toch-
tergesellschaft weiterbelastet werden)
versehentlich „nein“ an. Die zunächst
harmlos erscheinende Folge: Die zustän-
dige Krankenkasse stellte dem Maschi-
nenbauunternehmen die Bescheinigung
VRC/D 101 aus, wodurch Holger R. wei-
terhin ins deutsche Renten- und Arbeits-
losenversicherungssystem einzahlte und
somit seine Ansprüche sichern konnte.
Die negativen Folgen dieses klei-
nen falsch gesetzten Kreuzes stellten
sich erst vier Jahre später heraus: Im
Jahr 2015 sollte der China-Einsatz von
Holger R. verlängert werden. Das Sozi-
alversicherungsabkommen zwischen
China und Deutschland sieht jedoch
nur eine Entsendedauer von vier Jah-
ren vor. Die einzige Möglichkeit, um
Expats weiterhin in der deutschen Ren-
ten- und Arbeitslosenversicherung zu
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