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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
karitative Zweckbestimmung sei damit
ausreichend dargelegt (siehe Kasten
zum Bewertungskriterium).
Arbeitsrecht: Vorabklärung möglich?
Für die Praxis wäre an dieser Stelle ein
Verfahren wünschenswert, mit dem sich
schon bei Eingehung eines solchen eh-
renamtlichen Mitarbeiterverhältnisses
rechtlich absichern lässt, dass tatsäch-
lich kein Arbeitsverhältnis anzunehmen
ist. Ein frommer Wunsch, der jedoch
unerfüllbar ist. Denn ein abstraktes Ver-
fahren durch ein Arbeitsgericht mit dem
Ergebnis der Feststellung, dass kein Ar-
beitsverhältnis vorliegt, sieht unsere
Rechtsordnung nicht vor. Erst wenn ein
Streit zwischen den Beteiligten entsteht
und bei Gericht anhängig gemacht wird,
kann und darf sich ein Arbeitsgericht
mit dieser Frage beschäftigen.
Wenn nun eingewandt wird, dass
im arbeitsrechtlichen Grundsatz „Wo
kein Kläger, da kein Richter“ auch eine
Risikominimierung liegt, ist dies vor-
dergründig betrachtet richtig, denn: In
den häufigsten Fällen dürften die eh-
renamtlichen Mitarbeiter selbst von der
Richtigkeit ihrer Einstufung als „Ehren-
amtliche“ überzeugt sein. Streitfälle da-
rüber, eine als Ehrenamt durchgeführte
Mitarbeit in ein Arbeitnehmerverhältnis
„umzudeuten“, kommen daher gemes-
sen an der Fülle der ehrenamtlichen
Fallgestaltungen nur spärlich vor.
Dass aber trotz dieses geringen ar-
beitsrechtlichen Klagerisikos eine Fehl-
beurteilung beim Ehrenamtsbegriff
zu teuren Folgen führen kann, zeigt
ein Blick in das sozialversicherungs-
rechtliche Beitragsrecht. Hier können
bekanntlich arbeitsrechtliche Fehlbeur-
teilungen in Form von Beitragsbeschei-
den, die unter Umständen sogar bis zu
30 Jahren in die Vergangenheit reichen,
zu einer teuren Angelegenheit werden.
Ebenfalls unabhängig von einem ar-
beitsgerichtlichen Verfahren können
auch die Zollbehörden im Rahmen ihrer
Mindestlohnprüfungen (siehe Kasten
zum Mindestlohn) eine Fehlbeurteilung
des Ehrenamtsbegriffs behaupten und
die Nichtzahlung des gesetzlichen oder
tariflichen Mindestlohns mit einem Buß-
geld sanktionieren
Vermeidungsstrategie als Bumerang
Nicht wenige Unternehmen versuchen,
dem unscharfen Ehrenamtsbegriff aus
dem Weg zu gehen. So operieren sie bei
derartigen Vertragsverhältnissen erst
gar nicht mit dem Begriff des Ehren-
amts, sondern gestalten die beabsichtig-
ten Tätigkeiten auf der Grundlage von
„Honorarverträgen“ oder „Vereinbarun-
gen über freie Mitarbeit“. Auf diesem
Wege versuchen sie, der Einstufung als
Arbeitnehmer zu entgehen.
Dazu ist jedoch nur dann zu raten,
wenn es sich um klare Fälle einer selbst-
ständigen Tätigkeit handelt oder diese
sogar in einem Statusfeststellungsver-
fahren nach § 7a SGB IV als selbststän-
dige Tätigkeit anerkannt worden sind.
Aber gerade bei den ehrenamtlichen
Tätigkeiten, die im Kontext von betrieb-
lichen Abläufen stehen, wird man den
klassischen Argumenten der Weisungs-
gebundenheit und der Eingliederung in
die Organisation nur schwer etwas ent-
gegenzusetzen haben. So würde auch
in den Beispielsfällen die Darlegung
schwerfallen, dass die Merkmale, die für
eine unternehmerische Tätigkeit spre-
chen, vorliegen und überwiegen.
Nimmt man dagegen das Risiko in
Kauf, dass sich ein Ausweichen auf ein
selbstständiges Vertragsverhältnis zu
einem späteren Zeitpunkt als unrichtig
herausstellt, so wird man erhebliche Pro-
bleme haben, die Argumente zu wech-
seln und fortan zu behaupten, es läge
statt einer selbstständigen unternehme-
rischen eine unentgeltliche ehrenamt-
liche Tätigkeit vor.
Risiko der Sozialversicherungspflicht
Das für die Praxis wichtigste Risiko
einer fehlgeschlagenen Ehrenamtsbe-
urteilung liegt jedoch nicht im arbeits-
vertraglichen Bereich. Vielmehr ist es
der Blick auf die Sozialversicherungs-
prüfung, der die Unternehmen zwingt,
eine arbeitsrechtliche Fehlbeurteilung
möglichst zu vermeiden. Geprüft wird
in diesem Zusammenhang der Begriff
des „Beschäftigten“ nach § 7 SGB IV, der
rechtlich unabhängig vom Arbeitneh-
merbegriff beurteilt wird. So verwun-
dert es nicht, dass es in der Praxis Fälle
geben kann, bei denen ein Arbeitsge-
richt den Arbeitnehmerstatus verneint
hat, der beitragsauslösende Beschäftig-
tenbegriff jedoch erfüllt ist.
Allerdings gibt es hier bei der Abgren-
zung zum Ehrenamt einen Gleichklang.
Auchhieristdie„Unentgeltlichkeit“sowie
die „innere Tatseite“ – ob der Mitarbeiter
also aus überwiegend gemeinnützigen,
altruistischen Beweggründen handelt
– wesentlich. Im Gegensatz zum ar-
beitsrechtlichen Risiko gibt es in der
Sozialversicherung allerdings Möglich-
keiten, vor der Begründung eines eh-
renamtlichen Vertragsverhältnisses den
Status des Beschäftigten abzuklären
(siehe Kasten Sozialversicherung). Der
Rat, unterschiedslos in jedem Fall zu die-
ser Vorsichtsmaßnahme zu greifen, wä-
re aber überzogen. Vielmehr gilt: Erfüllt
der Mitarbeiter die Voraussetzungen
der einschlägigen Steuerbefreiungsvor-
schriften, kann auch von einer sozial-
versicherungsrechtlichen Anerkennung
ausgegangen werden (siehe Kasten zum
Bewertungskriterium).
THOMAS MUSCHIOL
ist
Fachautor und Rechtsanwalt
mit Schwerpunkt im Arbeits-
und betrieblichen Sozialversi­
cherungsrecht in Freiburg.
Die Nennung des Eh-
renamts im Mindest-
lohngesetz verdeckt die
richtige Auslegung: Eh-
renamtliche Mitarbeiter
erhalten Zuwendungen
und keinen Arbeitslohn.
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