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RECHT
_ARBEITNEHMERBEGRIFF
personalmagazin 10/16
einem Ehrenamt auszugehen ist oder im
konkreten Fall die Grenze zum Arbeits-
verhältnis schon überschritten ist (Urteil
vom 29.8.2012, Az.10 AZR 499/11). Das
BAG hat hier zwar aufgrund der religiös
begründeten inneren Haltung, die bei
einer Telefonseelsorge im Vordergrund
steht, ein ehrenamtliches Auftragsver-
hältnis bejaht. Gleichzeitig wiesen die
Richter aber darauf hin, dass stets zu
prüfen sei, ob in der Vereinbarung eines
Ehrenamts Anhaltspunkte für die Um-
gehung zwingender arbeitsrechtlicher
Schutzvorschriften zu sehen sind.
Entschädigung im Arbeitsrecht
Sofern an einen ehrenamtlichen Mit-
arbeiter eine Aufwandsentschädigung
gezahlt wird, kann dies durchaus ein
Anhaltspunkt für die Umgehung arbeits-
rechtlicher Schutzvorschriften sein. Das
Ergebnis: Es ist ein Arbeitsverhältnis
anzunehmen, weil die als Aufwandsent-
schädigung bezeichnete Zahlung recht-
lich als Arbeitsentgelt zu werten ist.
In der Beweisführung wird man sogar
noch einen Schritt weitergehen müssen.
Wird eine Zahlung außerhalb von dem
auch in Arbeitsverhältnissen üblichen
Auslagenersatz, wie Fahrtkostener-
stattung oder Ähnlichem, geleistet, so
wird zunächst vermutet, dass es sich
um Arbeitsentgelt handelt. Juristisch
kann man dem wiederum nur mit dem
Argument entgegentreten, dass das zu-
grunde liegende Vertragsverhältnis kein
Arbeitsverhältnis, sondern eine Ehren-
amtstätigkeit ist. Hier beißt sich die Kat-
ze buchstäblich wieder in den Schwanz,
denn für ein Ehrenamtsverhältnis wird
ja nach der allgemeinen Definition wie-
derum die Unentgeltlichkeit gefordert.
Diesem Zirkelschluss entkommen die
Arbeitsrichter dadurch, dass sie auch
unspezifizierten pauschalen Auslagen-
ersatz, der nicht durch konkrete Ausla-
gen belegt wird, dann als „unschädlich“
definieren, wenn er sich im Rahmen der
steuerlichen Ehrenamtsfreibeträge be-
wegt. Damit fehle der Rechtsbindungs-
wille, zum Erwerb tätig zu sein und die
Für die sichere sozialversicherungsrechtliche Einschätzung als Ehrenamt gibt es
grundsätzlich zwei Wege, die Arbeitgeber beschreiten können.
Wer sicher gehen will, dass seine Einschätzung über den Ehrenamtsbegriff von der
Sozialversicherung akzeptiert wird, dem stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur
Verfügung: Die erste ist das weitgehend bekannte Statusfeststellungsverfahren, § 7a
SGB IV. Hierzu sollte man jedoch nur dann greifen, wenn die vertragliche und tat
sächliche Ausgestaltung ausreichend Anhaltspunkte für die Feststellung einer selbst
ständigen Tätigkeit bietet. Häufig werden bei ehrenamtlichen Mitarbeitern die für ein
Statusverfahren heranzuziehenden Merkmale einer Weisungsgebundenheit und einer
Eingliederung in die Organisation vorliegen und Argumente für eine unternehmerische
Tätigkeit fehlen. In diesen Fällen kann es zielführend sein, die Frage der Sozialversiche
rungspflicht durch eine Anfrage bei der Einzugsstelle zu erfragen. Bekommt man hier
einen positiven Bescheid, ist dies ein Verwaltungsakt. Dieser muss nach einer Betriebs
prüfung, die zu einem anderen Ergebnis als die Einzugsstelle gelangt, erst aufgehoben
werden. Das kann unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X eine rückwirkende Verbei
tragung verhindern. Eine Anfrage an die Einzugsstelle könnte wie folgt lauten:
Sehr geehrte Damen und Herren, gemäß § 28h SGB IV bitten wir um Mitteilung, ob aufgrund
folgenden Sachverhalts für Frau/Herr …… Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit
besteht:
(Hier folgt die genaue Beschreibung der Tätigkeit)
Sie/Er erhält dafür eine monatliche Aufwandsentschädigung von ...........Euro.
Wir gehen davon aus, dass es sich dabei nicht um ein sozialversicherungsrechtliches
Beschäftigungsverhältnis, sondern um ein Auftragsverhältnis nach den Grundsätzen der
Bewertung ehrenamtlicher Tätigkeiten handelt und bitten um entsprechende schriftliche
Bestätigung. Mit freundlichen Grüßen...
Der richtige Weg zur Risikovermeidung
SOZIALVERSICHERUNG
Bei Fragen zum Arbeitnehmerstatus greifen Arbeitsgerichte und Sozialversicherung
selten auf die Einschätzung der Finanzverwaltung zurück – bis auf eine Ausnahme.
Bei der Beurteilung eines Ehrenamts, greifen sowohl die Arbeitsgerichte als auch die
Betriebsprüfer der Sozialversicherung in einem für die Praxis wichtigen Teilaspekt auf
die steuerlichen Grundsätze zum Ehrenamt zurück. Liegen die Voraussetzungen für eine
Steuerbefreiung nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes vor (§ 3 Nr. 26,
26a, 26b EStG), so werden diese Beträge sowohl von den Arbeitsgerichten, als auch von
den Sozialversicherungsbehörden und auch von den Zollbehörden nicht als Arbeitsentgelt
bewertet. Am weitesten geht dabei ausgerechnet die Sozialversicherungsbehörde, die
ansonsten eher dafür bekannt ist, steuerlichen Bewertungen kritisch gegenüberzuste
hen: Sie lässt sogar eine Kumulation von Minijob und Ehrenamtsfreibetrag zu.
Die Finanzverwaltung als Rettungsanker
BEWERTUNGSKRITERIUM