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RECHT
_ARBEITNEHMERBEGRIFF
personalmagazin 10/16
G
eht man dem Begriff des Eh-
renamtes nach, so stößt man
zunächst auf gesellschaftspo-
litische Erklärungen, die das
Ehrenamt in öffentlichen Funktionen
verorten. Darunter sind jedoch unzäh-
lige Varianten zu fassen: angefangen
von der spontanen Helfertätigkeit bei
einer Naturkatastrophe über klassische
Ehrenämter bei Feuerwehr oder Katast-
rophenschutz bis hin zu politischen und
mitunter gut dotierten Ehrenämtern in
Vorständen oder Aufsichtsräten politi-
scher oder quasi-politischer Organisatio-
nen. Der folgende Beitrag soll sich daher
nicht mit allen Facetten des Ehrenamts
beschäftigen, sondern die Risiken auf-
zeigen, die entstehen können, wenn
sich Personalverantwortliche in betrieb-
lichen Organisationen mit dem Begriff
des „ehrenamtlichen Mitarbeiters“ aus-
einandersetzen müssen.
Fehleinschätzungen vorprogrammiert
Schon die Verwendung des Begriffs
„Mitarbeiter“ zeigt , dass es zu Abgren-
zungsschwierigkeiten und den damit
Von
Thomas Muschiol
verbundenen Risiken bei Fehlbeurtei-
lungen kommen kann. Denn die Wen-
dung legt nahe, dass es sich organisato-
risch um einen Mitarbeiter handelt, der
sich von normalen Mitarbeitern nicht in
seiner funktionalen, sondern nur in sei-
ner rechtlichen Bewertung unterschei-
det. Welcher Maßstab aber muss für
diese Differenzierung angelegt werden?
Versucht man mangels gesetzlicher
Definition eine Beschreibung im Schrift-
tum zu finden, so wird man beispielswei-
se in Gablers Wirtschaftslexikon fündig,
in dem der ehrenamtliche Mitarbeiter
so beschrieben wird: „Mitarbeiter ei-
ner Organisation, der nicht gegen Ent-
gelt, sondern meist aus altruistischen
Motiven heraus arbeitet“. Anzutreffen
ist diese Mitarbeiterkategorie an erster
Stelle in den gemeinnützigen Vereinen,
den vielfältigen karitativen Institutionen
und sonstigen Non-Profit-Unternehmen.
Hier gehört die Bewertung, ob ein Mit-
arbeiter noch ehrenamtlich tätig oder
schon als Arbeitnehmer einzustufen ist,
quasi zum Tagesgeschäft. Aber auch her-
kömmliche Betriebe können schnell mit
dem Begriff des Ehrenamts konfrontiert
werden, wie folgende Beispiele zeigen:
Beispiel 1: Ein Unternehmen hat meh-
rere Migranten als Auszubildende einge-
stellt. Umderen Eingliederungmöglichst
optimal zu gestalten, erklärt sich ein en-
gagierter ehemaliger Mitarbeiter bereit,
die neuen Auszubildenden als „Coach“
zu begleiten, ihnen insbesondere bei
sprachlichen Schwierigkeiten zu helfen
und Arbeitsvorgänge zu erklären.
Beispiel 2: In einem privat betrie-
benen Seniorenheim werden freiwillige
Helfer beschäftigt, die jeden Nachmittag
mit den Senioren Freizeitgestaltungsak-
tionen durchführen, die sich aus einem
vom Seniorenheim festgelegten Aktivi-
tätenplan ergeben.
In beiden Beispielfällen gehen die
Arbeitgeber nicht von einem Arbeits-
verhältnis, sondern von ehrenamtlichen
Mitarbeitern aus. Es erfolgt auch keine
Anmeldung in der Sozialversicherung.
Bezahlt wird in beiden Fällen eine „pau-
schale Aufwandsentschädigung“.
Definition des Bundesarbeitsgerichts
Das Ergebnis einer arbeitsrechtlichen
Überprüfung dieser Tätigkeiten könnte
die Beurteilung der beiden Arbeitgeber
durchaus bestätigen, denn nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeits-
gerichts (BAG) ist ein Ehrenamt kein
Arbeitsverhältnis, wenn die Tätigkeit
„ohne Entgelt“ und ohne Erwerbsab-
sicht, also allein aus karitativen Beweg-
gründen durchgeführt wird.
Für diese Feststellung reicht es aber
keineswegs aus, auf eine Vereinbarung
zwischen den Beteiligten zu verweisen,
aus denen sich ergibt, dass beide Seiten
von einer ehrenamtlichen Tätigkeit aus-
gehen. Vielmehr wird im Fall der Über-
prüfung anhand aller Gesamtumstände
bewertet werden, ob die Tätigkeit tat-
sächlich allein aus karitativen Gründen
erfolgt. Mit generalisierenden Fallge-
staltungen oder gar Tätigkeitskatalogen
kann hier der Praxis nicht geholfen wer-
den – es ist stets der konkrete Einzel-
fall zu entscheiden. So hatte man sich
selbst im Fall eines Telefonseelsorgers
bis zum BAG darüber gestritten, ob von
Irrgarten Ehrenamt
ÜBERBLICK.
Uneinheitliche Rechtslage, abstruse Ergebnisse, Zirkelschlüsse – wer das
Ehrenamt rechtlich bewerten möchte, muss sich bisweilen ganz schön durchlavieren.
Mustervertrag
Vereinbarung über eine
ehrenamtliche Tätigkeit (HI7631867)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
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