personalmagazin 10/2016 - page 73

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10/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Bei unwahren Angaben im Lagebe-
richt zu nichtfinanziellen Informationen
drohen den Mitgliedern des vertre-
tungsberechtigten Organs und des zur
Prüfung des Lageberichts verpflichteten
Aufsichtsrats Strafe oder Bußgeld. Inso-
weit unterscheiden sich der Bereich der
harten Zahlen des Jahresabschlusses
und der Leistungsindikatoren im La-
gebericht nicht von jenem Bereich der
neuen nichtfinanziellen Informationen.
Akkurate Vorgaben umsetzbar?
Als Folge der CSR-Richtlinie dürfte Per-
sonalverantwortlichen insbesondere die
notwendige Akkuratesse der – an die
Buchführung erinnernden – Konzept-
Vorgaben Schwierigkeiten bereiten.
Angesichts des meist situativen Aufga-
benverständnisses im HR-Management
an der Schnittstelle zwischen ertragsori-
entierten, klar definierten Anforderun-
gen des Unternehmens einerseits und
individuellen, rechtlich nur rahmen-
mäßig bestimmten Ansprüchen und
Erwartungen der Mitarbeiter anderer-
seits, erscheinen die Vorgaben wie die
Quadratur des Kreises. Denn oft müssen
Personaler auf wirtschaftliche Effek-
te einzelfallbezogen reagieren. Zumal
auch die Bedeutung des unbestimmten
Rechtsbegriffs „Arbeitnehmerbelange“
schwer zu bestimmen sein dürfte.
Zwar hat die EU-Kommission angekün-
digt, bis Dezember unverbindliche Leitli-
nien zur Methode der Berichterstattung
nach der Richtlinie zu veröffentlichen.
Zudem verweisen der EU-Gesetzgeber
wie auch die Verfasser des Umsetzungs-
gesetzes auf internationale Rahmen-
werke, auf die bei der Berichtspflicht
zurückgegriffen werden kann.
Ob diese jedoch beim Aspekt der Ar-
beitnehmerbelange tatsächlich helfen
können, darf bezweifelt werden. Was bei
standardisierten Leistungsindikatoren
möglich ist, dürfte – wohl selbstverständ-
lich – bei den auch für die Arbeitnehmer-
belange geforderten Maßnahmen- und
Zeitplänen versagen.
Auch Betriebsrat mischt mit
Eine weitere Schwierigkeit bei der Er-
füllung der neuen konzeptionellen Auf-
gaben dürfte sich aus dem geltenden
deutschen Recht ergeben. Denn mit dem
Begriff der Arbeitnehmerbelange dürfte
auch die Beachtung der Grundrechte der
Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis, insbe-
sondere des allgemeinen Persönlich-
keitsrechts, der Handlungsfreiheit und
des Gleichbehandlungsgebots, gemeint
sein. Dieser Teil des Begriffsinhalts wird
jedoch, angesichts von § 75 Betriebs-
verfassungsgesetz (BetrVG), auch die
Organe der Betriebsverfassung auf den
Plan rufen. Schon immer hat auch der
Betriebsrat aus dieser Vorschrift, gleich-
berechtigt mit dem Arbeitgeber, einen
Überwachungs-, Schutz- und Förder-
auftrag bezüglich dieser Grundrechte.
Ändert sich nun die Aufgabenstellung
für den Arbeitgeber durch die Akzentu-
ierung der nichtfinanziellen Informatio-
nen, so dürfte auch der zuständige Be-
triebsrat eine entsprechende Änderung
für sich reklamieren.
Wird Mitbestimmung konzeptionell?
Da die CSR-Grundsätze durch den Eu-
ropäischen Rat unmittelbar und un-
trennbar mit der Stärkung des Wirt-
schaftsraums und der darin tätigen
Unternehmen verbunden wurden, trägt
auch die Beachtung von Arbeitnehmer-
und Umweltbelangen zur Beschäfti-
gungssicherung bei. Auch wegen § 80
Abs. 1 Nr. 8 und 9 BetrVG wird daher
eine Zuständigkeit der Betriebsverfas-
sungsorgane kaum zu verneinen sein.
Es entsteht daher nicht nur ein neu-
er Prozess, der als konzeptionelles HR-
Management bezeichnet werden kann,
es könnte auch zu einer neuen Form der
konzeptionellen Mitbestimmung kom-
men. Unter diesen Voraussetzungen
dürfte sich auch der Faktor „Zeit“ als kri-
tisch darstellen. Immerhin müssen Pro-
zesse bis zum Beginn des Geschäftsjahrs
2017 neu organisiert oder angepasst
werden. Für das HR-Management ist es
also bereits vor der Umsetzung der CSR-
Richtlinie höchste Zeit, mit den Vorberei-
tungen für eine etwaige Berichtspflicht
zu beginnen oder sich unabhängig von
einer solchen Pflicht auf die mittelbaren
Auswirkungen dieser neuen Rechtset-
zung vorzubereiten.
Unternehmenskonzepte
für Arbeitnehmerbelange:
Künftig muss HR darüber
Bericht erstatten.
DIRK SOMMER
ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht in der eigenen
Kanzlei in Bad Homburg.
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