personalmagazin 04/2016 - page 80

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RECHT
_KRANKENVERSICHERUNG
personalmagazin 04/16
D
ie Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Krankenversiche-
rung hängt vom Einkommen
des Arbeitnehmers ab. Über-
schreitet es die sogenannte Jahresarbeits-
entgeltgrenze (aktuell 56.250 Euro in den
alten, 54.900 Euro in den neuen Bundes-
ländern), ist der Betreffende der Einzugs-
stelle als versicherungsfrei zu melden.
Es liegt dann an ihm, sich für den wei-
teren Versicherungsschutz zu entschei-
den. Bei Vorliegen der persönlichen
Voraussetzungen kann er den Schutz
der gesetzlichen Krankenversicherung
als freiwilliges Mitglied wählen, einen
privaten Krankenversicherungsvertrag
abschließen oder ganz auf einen Kran-
kenversicherungsschutz verzichten.
Das Risikoszenario
Die Einstufung des Arbeitnehmers
als versicherungsfrei ist dagegen vom
Arbeitgeber vorzunehmen. Er trägt
insoweit auch das Risiko, bei einer
Fehlbeurteilung die Beiträge nachzuent-
richten, die bei richtiger Einstufung als
Pflichtbeiträge entstanden wären. Inso-
weit greift die Vorschrift des § 28e SGB
IV, der den Arbeitgeber zum Schuldner
für den sogenannten „Gesamtsozialver-
sicherungsbeitrag“ macht. Geschuldet
werden Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-
beiträge, selbst die allein vom Mitarbei-
ter zu tragenden Zusatzbeiträge werden
beim Arbeitgeber eingezogen. Soweit
dieser sich für den Arbeitnehmeranteil
nachträglich beim Mitarbeiter schadlos
halten will, geht dies gemäß § 28g SGB
Von
Thomas Muschiol
IV nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt
und nur bei den drei nächsten Lohn- oder
Gehaltszahlungen. Ausgenommen sind
dabei nur Fälle, in denen der Beschäf-
tigte im Rahmen der Ermittlung der
Versicherungsvoraussetzungen seiner
Pflicht zur Auskunft nach § 28o SGB IV
vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht
nachgekommen ist, beispielsweise
durch unrichtige Aussagen über die Be-
schäftigung bei einem weiteren Arbeit-
geber, und so die Fehlbeurteilung seines
Versicherungsstatus ausgelöst hat.
Die Pflicht zur nachträglichen Bei-
tragsabführung besteht auch dann, wenn
der Mitarbeiter aufgrund einer Fehlbeur-
teilung einen privaten Krankenversiche-
rungsschutz gewählt und Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung gar
nicht in Anspruch genommen hat. Rück-
wirkende Verbeitragungen sind nach der
Verjährungsvorschrift des § 24 SGB IV
zwar zunächst auf vier Jahre begrenzt,
können aber bei einer Feststellung, dass
die Fehlbeurteilung mindestens mit be-
dingtem Vorsatz erfolgt ist, sogar auf 30
Jahre ausgedehnt werden.
Fehler bei der Prognose sind normal
Wie hoch aber ist eigentlich die Wahr-
scheinlichkeit, dass Arbeitgeber bei der
Frage, ob ein Mitarbeiter die Jahresar-
beitsentgeltgrenze überschreiten wird,
einen Fehler macht? Die klare Antwort:
Sehr hoch. Denn er muss eine Progno-
se für die Zukunft abgeben und kann
unmöglich voraussagen, ob sich seine
Aussage über das Einkommen des be-
treffenden Mitarbeiters tatsächlich re-
alisieren wird. Würde sich die Beurtei-
Das Orakel Versicherungsfreiheit
PRAXISTIPP.
Das Risiko, dass sich die Prognose der Versicherungsfreiheit als falsch
erweist, ist hoch. Schätzvermerke können den Arbeitgeber hier entlasten.
© SARNADE/PANTHERMEDIA
Auch wenn sich die Prognose zur Krankenversicherungsfreiheit oft im Nachhinein
als falsch erweist – pendeln sollten Sie die Antwort nicht.
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