personalmagazin 04/2016 - page 72

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RECHT
_FREMDPERSONALEINSATZ
personalmagazin 04/16
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Z
urzeit stellt es sich als Va-
banquespiel heraus, für eine
Monatszeitschrift einen Beitrag
zum Regierungsvorhaben der
Regulierung von Leiharbeit und Werk-
verträge zu verfassen. Denn zuletzt hat
sich gezeigt: Das Pendel der Umsetzung
des Reformvorhabens kann genauso
schnell in die eine, wie in die andere
Richtung ausschlagen.
Zunächst hatte nämlich Arbeits-
ministerin Andrea Nahles sowohl
Gewerkschaften als auch den Arbeitge-
Von
Michael Miller
(Red.)
berverband BDA in die Pflicht genom-
men, bis diese sich auf eine Anpassung
des ursprünglichen Referentenentwurfs
einigten. Der nächste Schritt war getan,
das Vorhaben nahmwieder Fahrt auf. Der
zweite Entwurf war Mitte Februar ver-
sandfertig und sollte nur noch mit ande-
ren beteiligten Ministerien abgestimmt
werden. Es war damit zu rechnen, dass
sich das Kabinett Anfang März mit dem
Entwurf befasst, diesen beschließt und
an den Bundestag weiterreicht.
Doch es kam anders: Kurz vor der
Ressortabstimmung legte die CSU über-
raschend ein Veto ein und forderte Nach-
besserungen. Die ausgebremste und
darüber sichtlich verärgerte Arbeitsmi-
nisterin schloss ebendiese kategorisch
aus. Der Karren scheint festgefahren.
Was aber unterscheidet den neuen vom
ersten Entwurf? Positiv für Arbeitgeber
dürfte sein, dass Nahles den ursprüng-
lich vorgesehenen, höchst umstrittenen
Kriterienkatalog zur Abgrenzung des
Arbeits- von anderen Vertragsverhält-
nissen gestrichen hat. Stattdessen sind
im nun geplanten § 611a BGB, der die
Arbeitnehmereigenschaft definiert, die
Leitsätze der höchstrichterlichen Recht-
sprechung teils wörtlich zitiert. „Das ist
nicht schädlich, aber hilfreich ist diese
Merkzettelgesetzgebung auch nicht“,
wendet Professor Gregor Thüsing im
Interview auf den folgenden Seiten ein.
Tariföffnung für nicht Tarifgebundene
Eine weitere Neuerung: die Vorausset-
zungen, unter denen Firmen von der
gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer
abweichen können. So kann im oder
aufgrund eines Tarifvertrags – aller-
dings nicht der Zeitarbeits-, sondern der
Einsatzbranche – per Betriebsvereinba-
rung von der 18-Monats-Grenze abgewi-
chen werden. Der neue Entwurf enthält
also Anpassungen, die nicht tarifge-
bundenen Unternehmen zugutekom-
men, schließt jedoch weiterhin Firmen
ohne Betriebsrat aus. Geblieben sind
dagegen die Regeln zum Leiharbeiter-
einsatz während eines Streiks. Schlicht
„absurd“ nennt sie Thüsing. Auch die
Anpassungen beim Thema „Equal Pay“
überzeugen den Arbeitsrechtler nicht.
Wie eingangs erwähnt: Prognosen zur
Umsetzung des Entwurfs könnten beim
Erscheinen dieser Ausgabe bereits ver-
altet sein. Vermutlich wird der Entwurf
aber nicht scheitern, möchte die Union
keinen Koalitionskrach provozieren.
Vielleicht fällt ihr die Zustimmung nach
den Landtagswahlen leichter. Vielleicht
soll das Veto Verhandlungsspielraum bei
anderen Projekten der Groko eröffnen.
Vielleicht aber kennen Sie den Grund
auch schon beim Lesen dieser Zeilen.
Vom Gaspedal direkt
auf die Bremse
GESETZ.
Erst sollte das Kabinett den neuen Entwurf zur
Reform der Leiharbeit beschließen, dann stellte sich die
CSU quer. Nun könnte es nach den Wahlen weitergehen.
© HANS WRETLING/MATTON COLLECTION/CORBIS
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