personalmagazin 04/2016 - page 76

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RECHT
_INTERIM-MANAGEMENT
personalmagazin 04/16
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as aktuelle Hin und Her der
Politik zur Regulierung von
Leiharbeit, Werk- und Dienst-
verträgen hat zu einem interes-
santen Phänomen geführt: Viele Firmen
als potenzielle und faktische Kunden von
Interim-Managern sind zunehmend be-
unruhigt. Wie sehr sich diese Unsicher-
heit im Markt bereits niedergeschlagen
hat, illustrieren einige Beispiele.
So verlangen einige Unternehmen von
ihren Projektpartnern, vor Auftragsertei-
lung bis zu 50 Seiten lange Compliance-
Regelungen zu unterschreiben, in denen
möglichst alle Vorbehalte und Absiche-
rungsgründe niedergelegt sind. „Das ist
formal so aufgebläht“, ärgert sich Frith-
jof Reitter, HR-Interim-Manager aus
Mömbris-Daxberg, dass an der Motivati-
on der Firma, einen Interim-Manager zu
beauftragen, Zweifel bestünden. „Sein
Vorteil ist doch, sofort operativ tätig zu
werden für Führungsaufgaben, für die
es intern wie extern keine hinreichende
personelle Alternative gibt.“
In einem anderen Fall knüpft ein
Unternehmen den Auftrag an die Be-
dingung, dass der Geschäftsführer des
Interim-Management-Providers höchst-
persönlich tätig wird - im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung. Das mag ver-
wundern, eine Ausnahme sei es indes
keineswegs, sagt Niklas Werner, Leiter
der Rechtsabteilung der Sthree GmbH
in Frankfurt. Demnach sehen viele Un-
ternehmen in der Leiharbeit die ver-
meintlich rechtssicherste Variante bei
der Kooperation mit Interim-Managern.
Von
Winfried Gertz
„Viele erwarten sogar eine Freistellung“,
betont Werner. Der Provider soll sich also
verpflichten, die Sozialversicherungsko-
sten ohne Beteiligung des Auftraggebers
zu bestreiten, sollte sich der Interim-Ma-
nager bei einer behördlichen Prüfung als
scheinselbstständig erweisen.
Vermehrt Unruhe im Interim-Markt
Solche Fakten geben beredt Zeugnis
über die wachsende Unruhe im Markt,
einem Umfeld, das sich gern als beson-
ders erfolgreich stilisiert. Viele Interim-
Manager fürchten um ihre Existenz.
Zwar erscheint der nachgebesserte
Referentenentwurf zu Leiharbeit und
Werkverträgen für Freiberufler nun ak-
zeptabel. Dennoch kennt Marei Strack,
Vorstandsvorsitzende der Dachgesell-
schaft Deutsches Interim-Management
(DDIM), genügend Sorgen zu dem The-
ma. So beklagen viele Mitglieder, dass
fest eingeplante Einsätze nicht zustande
kämen, weil Unternehmen die Zusam-
menarbeit mit Freiberuflern zurückfah-
ren oder gänzlich einstellen würden. In-
terim-Manager würden auch „massiv in
befristete Anstellungen oder sogar in die
Arbeitnehmerüberlassung gedrängt“, so
Strack. Selbst langjährige Interim-Ma-
nager fühlten sich „wider Willen“ veran-
lasst, sich befristet anstellen zu lassen.
Dem Vernehmen nach gehen Unterneh-
men nicht gerade zimperlich vor.
Doch nicht nur die Absicht ihrer Auf-
traggeber, die externen Führungskräfte
nunmehr befristet anzustellen oder per
Arbeitnehmerüberlassung anzuheuern,
setzt Interim-Manager unter Zugzwang,
wie Thomas Riemann, HR-Interim-Ma-
nager aus Greifenberg am Ammersee,
berichtet. Jüngst habe er das Angebot,
eine von einem „fahnenflüchtigen“ Ab-
rechnungsleiter verursachte Vakanz zu
überbrücken, abgelehnt. „Der Einkäufer
des Unternehmens wollte mich tatsäch-
lich verpflichten, einen Stundenzettel da-
rüber zu führen, wann und wo ich mich in
dem Betrieb aufgehalten hätte.“ Als Un-
ternehmer, betont Riemann, entscheide er
jedoch selbst, wie viel er arbeite.
Das ist auch wichtig, um bereits den
Verdacht der Scheinselbstständigkeit
zu entkräften. Katharina Krebs, HR-
Interim-Managerin aus Taufkirchen bei
München, empfiehlt zudem klassische
Maßnahmen: „Oft den Auftraggeber
wechseln, mehrere Kunden parallel be-
treuen, hohe Einkünfte erzielen.“ Zudem
sollte man weder Visitenkarten, die den
Interim-Manager als Teil der Organisati-
on des Auftraggebers auszeichnen, noch
einen festen Arbeitsplatz in den Räumen
des Unternehmens akzeptieren.
Um sich darüber hinaus abzusichern,
vereinbart HR-Interim-Manager Reitter
mit seinen Auftraggebern, weder Wei-
sungen hinsichtlich der zeitlichen An-
wesenheit im Betrieb noch in Bezug auf
die inhaltliche Abfolge der vereinbarten
Tätigkeit zu unterliegen. „Solche Be-
weise können meiner Ansicht nach vor
Gericht den Vorwurf entkräften, schein-
selbstständig zu sein.“ Doch auch Un-
ternehmen sichern sich ab. Wie Strack
beobachtet, würden Freiberufler auf dem
Gelände des Auftraggebers in ihrer Be-
wegungsfreiheit eingeschränkt. Zudem
würden Unternehmen laut Werner zu-
nehmend erwarten, dass Interim-Mana-
Befristung wider Willen
ÜBERBLICK.
Die Diskussion um die Reform von Leiharbeit und Werkverträge verunsi-
chert auch Interim-Manager und deren Kunden. Die Firmen verschärfen die Gangart.
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