personalmagazin 11/2015 - page 61

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
dabei um eine Auslandsentsendung im
rechtlichen Sinne?
Groß:
Sofern die sozialversicherungs-
rechtlichen Voraussetzungen einer
Entsendung gegeben sind – und dazu
zählt vor allem, dass ein inländisches
Beschäftigungsverhältnis fortbesteht –,
dürfte es sich bei solchen Einsätzen aus
unserer Sicht um eine Entsendung im
Sinne der Ausstrahlung nach § 4 SGB IV
handeln. Dies muss jedoch im Einzelfall
geprüft werden. Es gibt Gerichtsurteile,
die durchaus in eine Richtung weisen.
personalmagazin:
Haben Sie dafür Beispie-
le aus der Praxis?
Groß:
Durchaus, so kennen wir beispiels-
weise den Fall eines Tierpflegers, der
vom Leipziger Zoo für ein Volunteering-
Projekt in Vietnam freigestellt worden
war, auch von dort sein Gehalt bezogen
hatte. Als er dort einen Arbeitsunfall
erlitt, wollte die gesetzliche Unfallversi-
cherung nicht zahlen. Das Landessozial-
gericht Hessen stellte aber im anschlie-
ßenden Rechtsstreit fest, dass es sich
bei dem Freiwilligenprojekt um eine
Entsendung handelte, der gesetzliche
Unfallversicherer musste also einstehen.
personalmagazin:
Und welche Begründung
nannten die Richter?
Groß:
Das Sozialgericht stellte sich auf den
Standpunkt, der Arbeitgeber hätte den
Tierpfleger selbst für den Posten ausge-
wählt, damit dieser die heimischen Tier-
pfleger in Vietnam schule. Außerdem sei-
en die Geldzahlungen ausschließlich zum
Zweck der Finanzierung der entspre-
chenden Stelle nach Vietnam transferiert
worden. Zudem hätte der Leipziger Zoo
den Tierpfleger aufgrund der Freistel-
lungsvereinbarung jederzeit zurückrufen
und damit stets seine Weisungsbefugnis
ausüben können. Dass der im Ausland
ansässige Betrieb das Entgelt ausgezahlt
habe, sei aufgrund der zweckgebunde-
nen Finanzierung der Stelle durch den
Leipziger Zoo unbeachtlich. Auch die
Tatsachen, dass der Arbeitgeber den
Hin- und Rückflug gezahlt hat und sich
zur Zahlung weiterer Heimatflüge ver-
pflichtete, sind nach Ansicht des Gerichts
klare Indizien für ein fortbestehendes
Beschäftigungsverhältnis. Die Tatsache,
dass das Engagement des Klägers ehren-
amtlich war, habe, so die Auffassung des
Gerichts, nichts damit zu tun, dass kein
Versicherungsschutz bestand.
personalmagazin:
Heißt das in der Praxis,
es ist für die Annahme einer Entsendung
unerheblich, ob diese im Rahmen des üb-
lichen Arbeitseinsatzes oder aus sozialen
Gründen, beispielsweise im Rahmen von
Corporate-Volunteering-Projekten, erfolgt?
Groß:
Nach dem oben erläuterten Urteil
des Landessozialgerichts Hessen ist
auch karitative Arbeit grundsätzlich
unfallversichert – aber eben nur dann,
wenn die entsprechenden Voraussetzun-
gen erfüllt sind. Auch wenn Corporate
Volunteering Projekte freiwillige Pro-
gramme darstellen, treffen Unterneh-
men dadurch erhöhte Fürsorgepflichten
nach Maßstäben, die auch bei klassi-
schen Auslandsentsendungen gelten.
personalmagazin:
Was ist bei der Wahl der
Auslandskrankenversicherung im Rah-
men eines Sabbaticals oder Corporate Vo-
lunteering Projektes entscheidend?
Groß:
Da die Freiwilligenprojekte oftmals
in Ländern mit einem Risikopotenzial
stattfinden, sollte das Unternehmen bei
der Auswahl des Versicherungsunter-
nehmens darauf achten, dass der Ver-
sicherer auch bei Seuchengefahr und
bei passivem Kriegsrisiko leistet. Des
Weiteren sollten unbedingt sogenannte
Assistance-Leistungen enthalten sein.
personalmagazin:
Um was handelt es sich
dabei genau?
Groß:
Assistance-Leistungen, die Aus-
landskrankenversicherungen anbieten,
schließen zum Beispiel die internati-
onale Luftrettung und den Kranken-
rücktransport ins Heimatland ein, aber
auch Dolmetscher-Services und wich-
tige Gesundheits-Informationsservices
sowie mehrsprachige Vierundzwanzig-
Stunden-Hotlines.
personalmagazin:
Viele Unternehmen
haben ja Firmenpolicen für ihre Entsen-
dungen abgeschlossen. Sind hier auch
die Mitarbeiter erfasst, die im Rahmen
eines Corporate Volunteerings oder eines
Sabbatjahrs im Ausland sind?
Groß:
Ob ein Mitarbeiter im Sabbatical
auch unter einer Firmenpolice versi-
cherbar ist, kommt auf die Versiche-
rungsbedingung an. Beim Sabbatical
handelt es sich letztlich ja um eine pri-
vate Reise, in der der Arbeitgeber kei-
nerlei Weisungsbefugnis ausübt. Ganz
anders verhält es sich beim Corporate
Volunteering, bei dem der Mitarbeiter
auf Weisung seines Arbeitgebers im
Ausland tätig wird. Hierbei stehen die
Chancen nicht schlecht, dass der Mitar-
beiter auch unter die Firmenpolice fällt.
Die Vorteile, die sich dadurch ergeben
würden, sind ganz klar: ein einfacherer
Aufnahmeprozess der zu versichernden
Person sowie günstige Prämien.
„Auch karitative Arbeit ist grundsätzlich unfall­
versichert – aber eben nur dann, wenn die entspre-
chenden Voraussetzungen wie ein aktives inländi-
sches Beschäftigungsverhältnis erfüllt sind.“
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