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MANAGEMENT
_FÜHRUNG
personalmagazin 07/15
O
berste Priorität in den Un-
ternehmen scheint sie zu
haben, die neue Führungs-
kultur, die als tragende Säu-
le für den Geschäftserfolg im digitalen
Zeitalter gilt. Denn in einem Punkt sind
sich alle Experten einig: Ohne den ex-
perimentierfreudigen, risikobereiten
und mitarbeiterorientierten Lenker an
der Spitze ist keine Transformation zu
bewältigen. Ein guter Grund, darüber
nachzudenken, wo Führung heute steht
und was sie morgen ausmachen wird.
Veränderungswillige Bosse müssen
allerdings aufpassen, dass sie jenseits
schnell wechselnder Führungstrends,
die für sie wirklich zukunftsweisenden
Führungsfragen auch erkennen. Um das
tun zu können, müssen sie sich erst ein-
mal intensiv mit der eigenen gelebten
Führungspraxis auseinandersetzen. Auf
dieser Basis dürfte es ihnen am ehesten
gelingen zu lernen, sich in ihrem Verhal-
ten gegenüber den Mitarbeitern immer
wieder selbst zu hinterfragen.
Unvorhersehbares managen können
Im Kern geht es dabei darum, eine au-
thentische Kommunikation anzustre-
ben, offen mit Feedback umzugehen,
den Mitarbeitern Wertschätzung ent-
gegenzubringen und sie zu eigenver-
antwortlichem Arbeiten zu befähigen.
Aber es kommt auch Neues auf Sie zu,
etwa Unfertiges zuzulassen und damit
umzugehen. Ergebnisoffen zu agieren,
Mitarbeitern vorzuleben, dass es kei-
ne Schande ist, einen Ansatz wieder
Von
Frank Schabel
Mehr als Change Management
PLÄDOYER.
Die Digitalisierung bedingt einen veränderten Führungsstil. Vorteile hat,
wer die Arbeitsweisen der Mitarbeiter kennt und unterstützt.
Im Volkswagenkonzern werden die neuen Führungsfähigkeiten über eine unterneh-
menseigene Wissensplattform den Managern näher gebracht und geschult.
Christina-Dorothea Schlichting, Leiterin von Group Connect und Social Media bei Volks-
wagen, obliegt gemeinsam mit ihrem Team die Aufgabe, den Austausch zwischen
Mitarbeitern und Führungskräften über die unternehmenseigene Wissensplattform
Group Connect anzuregen und zu systematisieren. „Da Führungskräfte Vorbilder sind,
versuchen wir ihnen genau zu vermitteln, was das Tool kann und wie sie es einsetzen
sollten. Denn die Mitarbeiter schauen darauf, was der Chef da macht.“ Auch experimen-
tieren zu lassen, sei ein wichtiger Teil des Workshopmusters. Die Teilnehmer überlegen
dabei selbst, wie ihre Arbeitsweise derzeit aussieht und wie man sie verbessern könnte.
Das verdeutlicht, der tägliche Umgang mit neuen kollaborativen Technologien rüttelt
kräftig an den angestammten Führungspraktiken und erfordert ein Umdenken.
Bereits Anfang 2014 brachte Christina Schlichting ihr Workshopkonzept für solch ein
Umdenken bei den Führungskräften an den Start. Erklärtes Ziel war es, sich gemeinsam
Gedanken zu machen, welche konkreten Herausforderungen so eine plattformbasierte
Zusammenarbeit für die Führungsaufgaben mit sich bringt, und wie man ihnen am bes-
ten begegnen kann. Denn eines war von vornherein klar: Obwohl sich die Diskussionen
auch um die Anwendung von e-Mails oder Outlook drehten, ging es im Wesentlichen
um verändertes Kommunikationsverhalten gegenüber den Mitarbeitern, das Tool war da
nur der „Befähiger“.
Die ersten Teilnehmer des Group Connect-Workshops waren Führungskräfte aus der
IT, deren Bereich maßgeblich an der Entwicklung von Group Connect beteiligt war. Ihr
Anspruch war, Group Connect in einer „sozialen Initiative“, die sich grundlegend von der
traditionellen Einführung einer technischen Lösung unterscheidet, als Dreh- und Angel-
punkt für unkomplizierte Interaktion zwischen Führung und der Belegschaft zu etablie-
ren. Für die IT-Führungskräfte bedeutete das, über einen veränderten organisatorischen
Rahmen wie auch andere Regeln und Abläufe in der Zusammenarbeit nachzudenken.
Man einigte sich, schnellere und bessere Resonanz auf strategische Themen erhalten
zu wollen, mehr Mitarbeiter zu erreichen und den Blick über den eigenen Tellerrand zu
schärfen. Im Anschluss an den Workshop reflektierten alle Teilnehmer diese Ziele mit
dem eigenen Team. Sie definierten entsprechende Einsatzszenarien, banden weitere
Multiplikatoren aktiv ein und erhielten Hilfe von Community Managern.
Umdenken dank digitalem Workshop
PRAXIS