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ORGANISATION
_BIG DATA
personalmagazin 07/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
personalmagazin:
In Ihrem Buch schrei-
ben Sie, dass es bei Big-Data-Analysen
nicht vornehmlich um die Technik geht,
sondern darum, die richtigen Fragen zu
stellen. Wie sollten Personaler vorgehen,
welche Fragen sollten sie stellen?
Finger:
Sie müsssen zunächst verstehen,
wo sich ihr Unternehmen hinentwickeln
will. Daraus ergibt sich die Fragestel-
lung: Welche Profile brauche ich in mei-
nem Unternehmen in fünf oder zehn
Jahren? Wichtige Fragen betreffen auch
die Personalentwicklung: Wie baue ich
die richtigen Skills auf, um jemanden
auf einen neuen Job vorzubereiten? Wer
kann sich am besten wohin entwickeln?
Es geht darum, in die Zukunft zu den-
ken und Muster zu erkennen.
personalmagazin:
Wie erkenne ich Muster
in Daten?
Finger:
Mustererkennung in Daten – das
machen wir eigentlich alle. Der Unter-
schied zu früher ist, dass wir wesent-
lich mehr Daten verwenden. Wenn Sie
morgens zur Arbeit fahren, wissen Sie,
wann Rush Hour ist und wie lange das
dauert. Sie führen in Ihrem Kopf eine
Mustererkennung durch: Fahre ich um
sieben Uhr, geht es schnell, fahre ich um
8.30 Uhr, wird es lange dauern. Wenn
wir das Computern abverlangen, nen-
nen wir das „Artificial Intelligence“. Das
hört sich spannender an, ist aber ge-
nau die gleiche Mustererkennung. Bei
Linkedin wollen wir eine Passung von
Person und offener Stelle finden. Das
ist möglich, weil wir viele Leute sehen,
die auf ähnliche offene Stellen reagiert
haben. Wenn Sie morgens zur Arbeit
„In die Zukunft denken“
INTERVIEW.
Was zukunftsorientierte Personalarbeit mit Mustererkennung zu tun hat
und wie diese funktioniert, erläutert der Data-Mining-Experte Lutz Finger.
personalmagazin:
Big Data wird definiert
als Nutzung qualitativ vielfältiger und
unterschiedlich strukturierter Informa-
tionen, die in großem Umfang anfallen.
Was hat Linkedin mit Big Data zu tun?
Lutz Finger:
Wir haben über 360 Millionen
Mitglieder, die alle einen Teil ihrer Iden-
tität zur Verfügung stellen. Mit diesen
Daten ermöglichen wir ein Matching
zwischen der Person, der Führungskraft
und der offenen Stelle. Das ist eine der
Möglichkeiten, wie wir Daten nutzen.
Eine andere ist, dass wir versuchen, un-
seren Mitgliedern die für sie passenden
Inhalte zur Verfügung zu stellen. Ich
arbeite mit einem Team von Data Engi-
neers und Data Scientists zusammen.
Wir testen neue Anwendungen und ver-
suchen, neue Lösungen zu entwickeln.
personalmagazin:
Wie relevant ist das für
Personaler?
Finger:
Ein Personaler muss heraus-
finden, welche Person für den Job am
besten geeignet ist. Früher rief er hier-
zu einen Headhunter an. Dieser suchte
in seinem Netzwerk nach passenden
Personen und stellte zehn Kandidaten
vor, von denen hoffentlich einer einge-
stellt wurde. Das Problem dabei war:
Die Datenbasis des Headhunters war
limitiert, zudem hatte er keine struktu-
rierte Übersicht über alle Fähigkeiten.
Deshalb haben wir diese Suche standar-
disiert. Dadurch, dass wir eine so große
Mitglieder-Datenbank haben, können
wir dort nach Strukturen suchen, die
uns ermöglichen, vorherzusagen, ob je-
mand zu einem Job passt oder nicht. Wir
betreiben Mustererkennung.
personalmagazin:
Können Sie erläutern,
wie Sie hierbei vorgehen?
Finger:
Wir sehen, auf welche Position
sich unsere Mitglieder bewerben, wel-
che Unternehmen sie sich ansehen und
mit welchen Personen bei Firma XY sie
Kontakt aufnehmen. Danach sehen wir:
Diese Person ist zu Firma XY gewech-
selt. Wir können also erkennen, wann
die Bewerbung erfolgreich war und
wann nicht. Hierbei stellen wir auch
fest, dass Firmen, die in ihrem Emplo-
yer Branding besonders aktiv sind, eine
höhere Wahrscheinlichkeit haben, gute
Bewerbungen zu erhalten.
LUTZ FINGER
ist als Global Director of
Business Insights bei Linkedin zuständig für
die Entwicklung von Daten-Produkten. Er ist
Mitbegründer eines Data-Mining-Unterneh-
mens sowie Autor des Buchs „Ask, Measu-
re, Learn“ über Social Media Analytics.