personalmagazin 07/2015 - page 54

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ORGANISATION
_HR DUE DILIGENCE
personalmagazin 07/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Regel in dieser Form nicht mehr betrie-
ben werden und aus der Sowjethistorie
stammen. Nicht wenige mittlere und grö-
ßere russische Unternehmen betreiben
oder unterstützen beispielsweise Sana-
torien für Mitarbeiter oder Pensionisten,
die dort mit ihren Familien kostengüns­
tigen Urlaub verbringen können.
Privilegien von Mitarbeitern prüfen
Weitere spezielle Bereiche sind der
Kündigungsschutz oder Sonderstatus
von Mitarbeitern. Hierbei gilt es fest-
zustellen, ob Mitarbeiter eine der vie-
len Kündigungsschutz- oder sonstigen
Privilegierungsregelungen im russi-
schen Arbeitsrecht unterliegen, die die
Kündigung nur unter erheblichen Ein-
schränkungen ermöglicht oder faktisch
unmöglich macht beziehungsweise eine
sonstige Bevorzugung erfordert. Hierbei
ist besonderes Augenmerk auf die An-
zahl von Invaliden und Kriegsveteranen
und ihren Status zu richten, der diese
unter einen speziellen Schutz stellt. Ein
ergänzender Blick auf die anhängigen
arbeitsrechtlichen Streitigkeiten vor Ge-
richt oder die interne Kommission zur
Lösung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten
ist ebenfalls notwendig.
Die Gesamtfluktuationsquote ist ein
weiterer wichtiger Punkt, bei dem es
interessant ist, die Gründe „Eigenkün-
digung durch den Mitarbeiter“ und „per-
sonenbedingte Beendigungen“ – unter
anderem durch Alkoholismus, Beste-
chung oder sonstiges Verhalten – zu
hinterfragen. Dies sind Anhaltspunkte
für die interne Arbeitsdisziplin und ih-
rer Aufrechterhaltung. Sofern man einen
Schritt weiter geht, um die Unterneh-
menskultur genauer zu betrachten, ist
eine zurückliegende Mitarbeiterbefra-
gung in russischen Unternehmen oft mit
Einschränkungen zu bewerten. Sie gibt
meist nur bedingt Aufschluss über die
tatsächliche Ausprägung, da die Begleit-
umstände der Mitarbeiterbefragung und
der Kommunikation nicht immer den
für HR wichtigen und üblichen Kriterien
entsprechen. Eingehende Gespräche mit
einigen Mitarbeitern des russischen Un-
ternehmens sind oft aufschlussreicher
und letztlich treffender für das Gesamt-
bild der Unternehmenskultur.
Wichtig Hinweise zur HR-Abteilung
Die Organisation des Personalbereichs
eines russischen Unternehmens ist in
der Regel stark auf die bürokratischen
Anforderungen zugeschnitten. Die Wei-
sungsbefugnis ist sehr stark durch den
Geschäftsführer oder auch den Inhaber
des Unternehmens geprägt. Abhängig
von der Größe des Unternehmens gibt
es oftmals eine Aufgliederung, in der
sich beispielsweise eine HR-Abteilung
oder Unterabteilung nur um das Thema
Dokumente, Arbeitsbücher und so wei-
ter kümmert. In russischen Industrie-
unternehmen findet sich auch regelmä-
ßig ein größerer Bereich für das Thema
Vergütung und Nebenleistung, der die
administrative Abwicklung der vielen
unterschiedlichen Zusatzprämien, Zula-
gen und Nebenleistungen verwaltet.
Improvisationsbereitschaft vonnöten
Neben den allgemeinen und besonderen
Bereichen der HR Due Diligence, also
dem Was, ist auch das Wie ein wesent-
licher Erfolgsbestandteil bei der HR Due
Diligence. Grundsätzlich kann man da-
von ausgehen, dass nichts so sein wird,
wie man es erwartet – sowohl im Posi-
tiven wie im Negativen. Es ist insbeson-
dere wichtig, eine gewisse Flexibilität
und Improvisationsbereitschaft sowie
Ausdauer und Beständigkeit mitzubrin-
gen, um an die gewünschten Informatio-
nen für eine Due Diligence zu kommen.
Auch wenn es vorher gewisse Abspra-
chen oder Zusagen zu Terminen oder
Bereichen gab, kann es sein, dass sich
diese im Laufe der Due Diligence durch-
aus ändern. Dies kann von der kurzfris­
tigen Änderung der Gesprächspartner
bis hin zu einer kurzzeitigen Verlänge-
rung der Due Diligence führen.
Unerlässlich ist auch das persönliche
Gespräch. Denn die in einem Datenraum
elektronisch oder physisch zur Verfügung
gestellten Unterlagen des russischen
Partners für eine Due Diligence geben nur
ein gewisses Bild wieder. Dieses muss in
jedem Fall in einem Gespräch mit einem
für den Personalbereich zuständigen
Verantwortlichen im Detail besprochen
und hinterfragt werden. Auch dafür gilt
es, einige Punkte zu beachten. So hilft es
zunächst, eine gemeinsame Basis für die-
ses Gespräch zu schaffen. Unerlässlich
ist dafür, politische Themen gänzlich zu
meiden und sich ihremGesprächspartner
gegenüber neutral zu verhalten. Insbe-
sondere in der aktuellen Situation kann
ein falscher Kommentar für ein Firmen-
projekt große Folgen haben. Stattdessen
lässt sich Sympathie für den Gesprächs-
partner durch ehrlich ausgedrückten
Respekt betreffend der russischen Kultur
und Wissenschaft im Sinne klassischer
Musik, berühmter Schriftsteller oder
Wissenschaftler und Schönheit der Städ-
te zum Ausdruck bringen.
Gesprächsführung ist entscheidend
Wenn die Gespräche beginnen, muss
man, insbesondere wenn man mit Un-
tergebenen des Verantwortlichen für
den Personalbereich spricht, in der Regel
sehr viele und sehr präzise Fragen bereit
haben. Man kann hierbei nicht sofort
mit einer offenen Präsentation des Ge-
genübers rechnen, welche einem die Er-
gebnisse liefert. Oftmals wird auch die
Bereitschaft, Informationen zu teilen, da-
von abhängig gemacht, ob der höherste-
hende Verantwortliche diese Information
oder Aussage freigegeben hat. Solche Ge-
spräche können durchaus in einigen Fäl-
len die Form eines Verhörs annehmen,
da ein grundsätzliches Misstrauen hin-
sichtlich der Offenlegung von kritischen
Details, insbesondere gegenüber jemand
Unbekanntem, ausgeprägt sein kann.
Deshalb ist es wichtig, an diesen Stellen
zwischen den Zeilen zu lesen.
Ohne russische Sprachkenntnisse
oder einen Übersetzer sollte man nicht
in die praktische Ausführung einer HR
Due Diligence in Russland starten. Auch
wenn die russischen Partner Englisch
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