personalmagazin 07/15
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SPEZIAL
_ENTGELT
D
er Personalleiter einer großen
Reinigungsfirma überreicht
seinem Anwalt ein Paket von
amtlichen Schriftstücken.
„Das lasse ich mir nicht gefallen!“, ruft er
dem Juristen zu. Allesamt waren die Do-
kumente Folgen einer Betriebsprüfung
durch die Zollbehörden. Deren Beamte
waren unangemeldet erschienen, hatten
sich zunächst als Prüfer zur Einhaltung
des Mindestlohns vorgestellt und waren
insoweit auch fündig geworden.
Im Grunde genommen waren es Klei-
nigkeiten. Dennoch verhängten die Beam-
ten im Nachgang der Prüfung ein Bußgeld
für einen geringfügigen Verstoß gegen die
Mindestlohnvorgaben sowie zusätzlich
für eine angeblich unzureichende Stun-
Von
Thomas Muschiol
dendokumentation. Die laufende Stun-
dendokumentation ordnete der Zoll in
einer separaten Verfügung an, wolle man
in den nächsten sechs Monaten unaufge-
fordert zugesendet bekommen.
Das waren jedoch nicht alle Doku-
mente, die der Anwalt auf dem Tisch
liegen hatte: Auch die vom Zoll alar-
mierten Sozialversicherungsprüfer hat-
ten mittlerweile einen Beitragsbescheid
verhängt – über einen (geringfügigen)
Phantombeitrag, der sich aus der Unter-
schreitung des Mindestlohns ergab.
Schließlich ein weiterer Bußgeldbe-
scheid: vom Gewerbeaufsichtsamt. Die
Begründung: Aufgrund einer Informa-
tion des Zolls habe das Unternehmen
offensichtlich die vom Arbeitszeitgesetz
vorgeschriebene Dokumentation der
Mehrarbeit nicht geführt. Diese Doku-
mentation, verfügte nun das Gewer-
beaufsichtsamt, müsse daher in den
nächsten sechs Monaten unaufgefordert
vorgelegt werden.
Zugegeben – an dieser Stelle ist eine
Entschuldigung an Zoll und Gewerbeauf-
sichtsamt angebracht – ist die Geschichte
frei erfunden. Sie ist jedoch nicht fern der
Realität und zeigt: Ein Besuch des Zolls
erschöpft sich nicht in der Prüfung des
Mindestlohngesetzes, sondern kann zu-
sätzlich andere Behörden auf den Plan
rufen. Spinnt man die Geschichte weiter,
kann man wohl davon ausgehen, dass der
Personalleiter anderer Meinung ist, als
die beteiligten Behörden – was er diesen
auch formlos schreibt. Schließlich habe
keine Mindestlohnunterschreitung vor-
gelegen, argumentiert er. Man müsse im
beanstandeten Fall einen Sachbezug ein-
rechnen. Und bezüglich der Stundendo-
kumentationen seien nach den Prüfungen
noch Unterlagen aufgetaucht, die die Be-
hörden ignoriert hätten. Nicht zuletzt mo-
niert der Personalleiter, dass bei solchen
Bagatellfällen die Anordnung der Vorlage
für sechs Monate völlig überzogen sei.
Ausgebootete Arbeitsrichter?
Wie aber kann sich der Personalleiter
nun gegen diese Bescheide wehren?
Auf den ersten Blick scheint natürlich
der Weg zu den Arbeitsgerichten der
richtige, schließlich geht es beim Min-
destlohn- und Arbeitszeitgesetz um lu-
penreine arbeitsrechtliche Fragen. Nahe
liegend also, dass die Fachgerichte für
Arbeitsrecht über die vertretbaren Ein-
wände des Personalleiters entscheiden.
Leider hat der Gesetzgeber eine solche
Arbeitsrecht ohne Arbeitsrichter
ÜBERBLICK.
Eigentlich sind Mindestlohnfragen originäres Arbeitsrecht. Künftig
werden jedoch oft andere als Arbeitsrichter über die Gesetzesauslegung entscheiden.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Per Gesetz umgangen?
Mangels Zuweisung urtei-
len nicht nur Arbeitsrichter
in Mindestlohnfragen.
© JÜRGEN PRIEWE / FOTOLIA.DE