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RECHT
_TARIFBINDUNG
personalmagazin 07/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
vom bisherigen Tarifvertrag nur durch
eine einzelvertragliche Abmachung mit
dem Mitarbeiter lösen kann. Lässt sich
eine solche Vereinbarung nicht erzielen,
gilt der bisherige Tarifvertrag trotz des
Betriebsübergangs unverändert weiter.
Eine schnelle Tarifflucht lässt sich da
her nur bei Betriebsübergängen auf Un
ternehmen erzielen, bei denen andere
Tarifverträge gelten und arbeitsvertrag
liche Bezugnahmeklauseln als Tarif
wechselklauseln ausgestaltet sind. Nur
dann lassen sich bisherige Tarifverträge
mit sofortiger Wirkung ablösen.
Risiko Outsourcing ausgestalten
Von der Tarifbindung kann sich ein Ar
beitgeber durch Outsourcingmaßnah
men relativ problemlos lösen. Lässt ein
Unternehmen bestimmte Tätigkeitsbe
reiche im Rahmen von Werkverträgen
und freier Mitarbeit erbringen, fin
den Tarifverträge auf das eingesetzte
Fremdpersonal keine Anwendung. Be
vor Unternehmen solche Outsourcing
maßnahmen umsetzen wollen, sollte
allerdings genau geprüft werden, ob die
rechtlichen Voraussetzungen für einen
Fremdpersonaleinsatz im Rahmen von
Werkverträgen vorliegen. Andernfalls
liegt zwischen Unternehmen und freien
Mitarbeitern tatsächlich ein Arbeitsver
hältnis beziehungsweise ein (unerlaub
tes) Leiharbeitsverhältnis vor, sodass
die Tarifverträge uneingeschränkt An
wendung finden. Zudem drohen dem
Arbeitgeber im Fall einer unerlaubten
Arbeitnehmerüberlassung oder Schein
selbstständigkeit erhebliche rechtliche
und sogar strafrechtliche Konsequen
zen. Outsourcingmaßnahmen sollten
daher nur dann vorgenommen werden,
wenn Sicherheit hinsichtlich der rechts
konformen Ausgestaltung der Werkver
tragsverhältnisse besteht.
Firmentarifverträge als Lösung?
Ebenfalls ist es denkbar, dass sich ein
Arbeitgeber von der bisherigen Tarif
bindung durch Abschluss eines Firmen
tarifvertrags löst. Hierfür ist allerdings
die Mitwirkung der Gewerkschaft als
Tarifvertragspartei erforderlich. Gera
de in Fällen, bei denen der Arbeitgeber
vorteilhaftere Tarifvertragsbedingungen
anstrebt, wird die Gewerkschaft nur in
Ausnahmefällen einen Firmentarifver
trag abschließen. So ist der Abschluss
eines sogenannten Sanierungsfirmen
tarifvertrags denkbar, wenn das Unter
nehmen in eine finanzielle Schieflage
geraten ist und durch den an die wirt
schaftlichen Verhältnisse angepassten
Firmentarifvertrag Arbeitsplätze gerettet
werden sollen. In diesem Fall gilt für die
tarifgebundenen Mitarbeiter der Firmen
tarifvertrag, da dieser dem Flächentarif
vertrag als speziellere Norm vorgeht.
Fraglich ist jedoch, ob der Firmen
tarifvertrag auch auf nichttarifgebun
dene Mitarbeiter Anwendung findet,
in deren Arbeitsverträgen eine dyna
mische Bezugnahmeklausel enthalten
ist. Bisher ging das BAG zumindest da
von aus, dass von einer dynamischen
Bezugnahmeklausel, die sich auf einen
Flächentarifvertrag bezieht, auch Fir
mentarifverträge erfasst werden, die
mit derselben Gewerkschaft abgeschlos
sen werden. Dies hätte zur Folge, dass
der Firmentarifvertrag mit sofortiger
Wirkung auch für nichttarifgebundene
Mitarbeiter gilt.
Diese Praxis könnte sich jedoch bald
ändern. Denn nach aktueller BAG-Recht
sprechung soll im Fall eines Verbands
wechsels der bisherige Tarifvertrag auf
Arbeitsverhältnisse mit dynamischer
Bezugnahmeklausel unverändert An
wendung finden. Es ist daher nicht
auszuschließen, dass sich die neue BAG-
Rechtsprechung auch hinsichtlich des
Firmentarifvertrags auswirken könnte.
Dies hätte für den Arbeitgeber die nach
teilige Folge, dass auch im Fall des Ab
schlusses eines Firmentarifvertrags der
Verbandstarifvertrag auf Mitarbeiter
mit dynamischer Bezugnahmeklausel
unverändert Anwendung findet. Arbeit
gebern ist daher zu empfehlen, arbeits
vertragliche Bezugnahmeklauseln an
die aktuelle Rechtslage anzupassen und
bei der konkreten Formulierung auch
den Fall eines Firmentarifvertragsab
schlusses zu berücksichtigen.
Fazit: Erschwerte Bedingungen
Letztlich ist die „Tarifflucht“ für den
Arbeitgeber nur unter erschwerten
Bedingungen möglich. Aufgrund der
Nachwirkung von Tarifverträgen kann
die bisherige Tarifbindung häufig nur
durch eine einvernehmliche Vertragsän
derung mit den Arbeitnehmern abgelöst
werden. Dies gilt auch für nichttarifge
bundene Mitarbeiter mit dynamischen
arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklau
seln. Eine solche Vertragsänderung er
weist sich jedoch häufig als schwierig.
Vordergründig lässt sich für Unterneh
men eine Lösung von der Tarifbindung
am einfachsten durch Outsourcingmaß
nahmen – wie zum Beispiel die Umstel
lung auf Werkverträge – erreichen. Auf
Werkverträge finden Tarifverträge keine
Anwendung. Allerdings sollten Arbeit
geber solche Outsourcingmaßnahmen
nur nach äußerst sorgfältiger Prüfung
durchführen. Im Fall einer Scheinselbst
ständigkeit oder unerlaubten Arbeit
nehmerüberlassung drohen erhebliche
rechtliche Sanktionen. Zumal dann auch
eine Tarifflucht nicht wirksamumgesetzt
wird, da Arbeitsverhältnisse zwischen
Unternehmen und Leiharbeitnehmern
oder freien Mitarbeitern fingiert werden.
Die Folge: Die bisherigen Tarifverträge
sind weiterhin anwendbar.
DR. PHILIPP BYERS
ist Fach
anwalt für Arbeitsrecht und
Partner bei Lutz Abel Rechts-
anwalts GmbH in München.
Aufgrund der Nachwir
kung kann die bisherige
Tarifbindung häufig nur
durch einvernehmliche
Vertragsänderung abge
löst werden. Eine solche
ist jedoch oft schwierig.