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RECHT
_BEFRISTUNG
personalmagazin 07/15
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E
in Aufschrei ging durchs Land
des Fußballweltmeisters, als das
Arbeitsgericht Mainz im März
seine Entscheidung imFall Heinz
Müller verkündete. Das Gericht hatte der
Entfristungsklage des auf die Tribüne
verbannten Torwarts des Fußballbun-
desligisten FSV Mainz 05 stattgegeben.
Schnell war von einem zweiten Fall „Bos-
man“ und von 67-jährigen Fußballprofis
die Rede. Die vorliegenden Urteilsgründe
zeigen hingegen, dass sich die Arbeits-
richter passsicher auf dem Spielfeld des
deutschen Arbeitsrechts bewegen.
Fußballprofis sind nach geltendem
Recht Arbeitnehmer. Für einen deutschen
Arbeitnehmer sind unbefristete Arbeits-
verträge die Regel, befristete dagegen eine
eng begrenzte Ausnahme. Überzeugend
hat das Arbeitsgericht nun begründet,
warum die Ausnahmetatbestände des
Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG)
auf Profifußballer nicht anwendbar sind.
Danach stelle der Wunsch nach einer
Verlängerungsoption keinen in der Per-
son des Arbeitnehmers liegenden Befris
tungsgrund dar. Ein solcher Wunsch
deute vielmehr auf ein Interesse des Ar-
beitnehmers an einer längeren Bindung
hin. Auch der Sachgrund der Eigenart
der Arbeitsleistung rechtfertige nicht die
Befristung. Der sogenannte Verschleiß-
tatbestand im Profifußball sei als Sach-
grund nicht geeignet. Das Interesse der
Bundesligavereine an einer überschau-
baren Vertragsdauer müsse hinter dem
Bestandsschutzinteresse der Spieler als
Ausprägung ihrer geschützten Berufs-
Von
Volker Teigelkötter
freiheit aus Artikel 12 GG zurücktreten.
Mangels Objektivierbarkeit sei die Be-
fristung auch nicht mit dem generellen
Bedürfnis des Publikums am Personal-
wechsel im Spitzensport zu begründen.
Das Arbeitsgericht Mainz verneint fer-
ner eine Verschiebung der Maßstäbe des
TzBfG aufgrund der Höhe der gezahlten
Vergütung. Eine solche Verschiebung sei
in § 14 TzBfG nicht angelegt. Insbeson-
dere sehe das TzBfG keine Ausnahme für
leitende oder hochbezahlte Angestellte
vor. Ebenso wenig halte § 14 TzBfG einen
anderen Maßstab im Fall der Unkünd-
barkeit bereit. Die zeitlich auf die Dauer
der Vertragslaufzeit beschränkte Un-
kündbarkeit sei bereits nicht geeignet,
das Interesse am Bestandsschutz über
die Vertragslaufzeit hinaus aufzuwiegen
und rechtfertige eine Befristung auch
nicht als in der Person des Arbeitneh-
mers liegender Grund.
Bald Tarifverträge im Profifußball?
Als ob die Mainzer Richter die nicht im-
mer sachliche Kritik der der Verzweif-
lung nahen Fußballanhänger geahnt
hätten, gipfelt die Begründung in dem
Merksatz: „Grundsätzlich Verbotenes
kann nicht deshalb gebilligt werden,
weil es branchenüblich ist.“ Es bleibt ab-
zuwarten, ob die nächsten Instanzen ei-
nen Weg finden, die Branchenüblichkeit
im Profifußball doch noch mit dem ar-
beitsrechtlichen Regel-Ausnahmeprin-
zip zwischen unbefristeten und befris-
teten Verträgen in Einklang zu bringen.
Bestätigen die höheren Instanzen das
Mainzer Urteil, wofür vieles spricht,
wird der Ruf nach dem Gesetzgeber zu
hören sein. Der ist aber nicht gefragt. Er
hat bereits in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG
eine Regelung geschaffen, welche die
Profivereine gemeinsam mit der Spieler-
gewerkschaft VDV nutzen sollten. Durch
Tarifvertrag können nach dieser Norm
langfristig befristete Arbeitsverträge
und deren mehrfache Verlängerung zu-
gelassen werden. Auch im Profifußball
kann so die Tarifautonomie zum Vorteil
aller Beteiligten ausgeübt werden. Dann
droht auch kein zweiter Fall Bosman.
Profifußballer bis zur Rente
ENTSCHEIDUNG.
Ein Gericht hat mehrfach befristete Verträge im Profifußball für
unwirksam erklärt. Die Vereine hoffen auf einen Ausweg – in der nächsten Instanz.
© JAN HUEBNER / IMAGO
VOLKER TEIGELKÖTTER
ist
Fachanwalt für Arbeitsrecht
und Partner bei McDermott
Will & Emery.
Torhüter Heinz Müller: Führt seine Klage zu
einer großen Veränderung im Profifußball?