personalmagazin 07/2015 - page 62

personalmagazin 07/15
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SPEZIAL
_ENTGELT
der Zoll als Prüfbehörde den Betreffen-
den einstuft. Selbst wenn, wie es wohl
im Hüttenwartfall zu erwarten wäre,
dieser niemals mehr Lohn als verein-
bart einfordern würde: Der Sachverhalt
würde vom Zoll als bußgeldbewehrte
Mindestlohnunterschreitung behandelt
werden, wenn der betreffende Fall nicht
von vornherein als reinrassiger Ehren-
amtsfall eingestuft würde.
Eine solche generelle Einstufung hat
das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales (BMAS) tatsächlich vorgenom-
men. Fatalerweise nur für Sportler aus
dem Amateurbereich. Amateursportler
werden vom BMAS dann nicht als Arbeit-
nehmer angesehen, wenn „die sportliche
Betätigung im Vordergrund steht“. Oh-
ne Weiteres soll dies dann der Fall sein,
wenn die Bezahlung innerhalb der Mini-
jobgrenzen stattfindet.
Auch wenn diese Beurteilung mit den
Worten des BMAS als „gute Lösung“ ver-
kauft wird, ist dies im Hinblick auf die
Vielzahl von Fallgestaltungen außerhalb
der Sportlerwelt eine denkbar schlechte
Lösung. Die Einigkeit im sportlichen Be-
reich stellt für die Beurteilung des Ar-
beitnehmerbegriffs imAllgemeinen keine
Rechtssicherheit her. Geklärt ist damit
allein, dass bei Mindestlohnprüfungen
im Sportbereich vom Zoll keine Gefahr
droht, wenn die Minijobgrenzen einge-
halten werden. Es fehlt aber die Aussage
des BMAS, ob das vorgegebene Motto –
etwas salopp formuliert – „soweit die Mi-
nijobgrenzen eingehalten werden, steht
der Spaß im Vordergrund“ auch über die
Sportlerfälle hinaus akzeptiert wird.
Versteht die Sozialversicherung Spaß?
Schließlich ist diese Spaßtheorie des
BMAS für die Praxis noch ein Muster
ohne Wert, da sich die Sozialversiche-
rungsbehörden bisher nicht dazu ge-
äußert haben, ob sie die Meinung des
BMAS anerkennen werden. Solange
dies nicht der Fall ist, kann dies zur
grotesken Situation führen, dass eine
Tätigkeit vom Zoll ausdrücklich nicht
als Arbeitnehmertätigkeit gewertet, die-
selbe Tätigkeit aber von den Betriebs-
prüfern der Rentenversicherung als
sozialversicherungsrechtliche Beschäf-
tigung eingestuft wird. Hier zeigt sich,
dass sich das BMAS offensichtlich mit
der unterschiedlichen Bewertung von
arbeitsrechtlicher Arbeitnehmereigen-
schaft und sozialversicherungsrechtli-
chem Beschäftigtenbegriff nicht ausei-
nandergesetzt hat. Es wird wohl kaum
gelingen, die Betriebsprüfer der Sozial-
versicherung – zumindest auch außer-
halb des Sports – mit diesem Spaßfaktor
zu infizieren.
Was sich einfach fragt, zieht eine schwierige Antwort nach sich: Wie können sich Per-
sonaler bei Zweifelsfragen, etwa zum Arbeitnehmerstatus, im Vorfeld absichern? Das
Arbeits-, Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht bietet unterschiedliche Lösungen.
Eine klare Lösung zur Absicherung im Vorfeld bietet eigentlich nur das Lohnsteuerrecht,
denn dort gibt es einen ausdrücklichen Auskunftsanspruch, der rechtsverbindlichen
Charakter hat. Rechtssicherheit in arbeitsrechtlichen Fragen können dagegen im Voraus
überhaupt nicht eingeholt werden. Das gilt auch für das neue Mindestlohngesetz.
Bleibt noch die Frage der vorsorglichen sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Hier
muss man differenzieren: Geht es darum, ob überhaupt ein sozialversicherungsrechtli-
ches Beschäftigungsverhältnis vorliegt (beispielsweise, weil man davon ausgeht, einen
echten freien Mitarbeiter eingestellt zu haben), kann mit dem Statusverfahren nach
§ 7a SGB IV eine rechtssichere Vorabentscheidung herbeigeführt werden. Im Hinblick
auf die Rechtsunsicherheit bei der Abgrenzung von ehrenamtlicher Tätigkeit zur Arbeit-
nehmereigenschaft ist dieser Weg mit Blick auf das Mindestlohngesetz zu empfehlen
– trotz und gerade in den Fällen einer ministeriellen Bekanntmachung zum Ehrenamt.
Diese Definitionen haben allenfalls Auswirkungen auf die behördliche Einschätzung der
Zollverwaltung, sie binden die Sozialversicherungsbehörden jedoch keineswegs. Übri-
gens: Auch negative Statusentscheidungen haben einen hohen praktischen Wert, denn
erst mit rechtskräftiger Feststellung des Beschäftigtenstatus beginnt die Beitragspflicht.
Allerdings gibt es in der Sozialversicherung weitere vielfältige beitragsrechtliche
Streitfragen, die durch ein Statusverfahren nicht abzuklären sind. Beispielsweise, ob
und inwieweit bestimmte Entgeltbestandteile bei der Beurteilung der Krankenversiche-
rungspflicht mitzählen oder welche Sachbezüge zu welchen Werten verbeitragt werden
müssen. Oft ist unbekannt, dass es hierfür zwar keine dem Steuerrecht entsprechende
Anrufungsauskunft gibt, jedoch ein ähnliches Ergebnis über die Vorschrift des § 28h
Abs. 2 SGB IV erreicht werden kann. Danach entscheiden „die Einzugsstellen über die
Versicherungspflicht und Beitragshöhe“. Häufig dürfte zwar von der Verwaltung keine
rechtssichere Auskunft mit dem Argument zugesagt werden, dass bei einer späteren
Betriebsprüfung die Prüfer der Deutschen Rentenversicherung den Sachverhalt völlig
anders bewerten könnten. Das ist zunächst nicht falsch. Allerdings gilt auch: Hat die
Einzugsstelle eine Entscheidung nach § 28h Abs. 2 SGB IV getroffen, ist dies ein Verwal-
tungsakt, der bei abweichender Meinung einer späteren Betriebsprüfung zunächst auf-
gehoben werden muss. Das ruft die Vorschrift des § 45 SGB X auf den Plan, die absichert,
dass die Auskunft der Einzugsstelle im Regelfall und für die Vergangenheit Vertrauens-
schutz erzeugt. Übrigens: Diesen Vertrauensschutz genießt auch der Unternehmer, der
bei Unsicherheiten über die Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenzen nach § 28h Abs. 2
SGB IV einen Verwaltungsakt der Minijobzentrale erlangt.
Im Voraus auf Nummer sicher gehen
SOZIALVERSICHERUNG
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
im Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.
1...,52,53,54,55,56,57,58,59,60,61 63,64,65,66,67,68,69,70,71,72,...84
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