personalmagazin 07/2015 - page 56

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ORGANISATION
_ZUKUNFT VON HR
personalmagazin 07/15
F
lexibilität, Marktorientierung
und Schnelligkeit sind die neu-
en Leitbilder innovativer Orga-
nisationen. Hierarchien werden
abgebaut, die Entscheidungskompeten-
zen sich selbst steuernder Teams erhöht
und neue Wege zur Produktentwicklung
eingeschlagen – nur HR bleibt meist bei
den Aufgaben, die sich traditionell zu sei-
nen Hoheitsgebieten entwickelt haben.
In unseren multiperspektivischen For-
schungsprojekten stellen wir fest, dass
diese Starrheit zu Unzufriedenheit auf
allen Seiten führt – bei Managern, Mit-
arbeitern und Personalern.
Unzufriedenheit auf allen Seiten
Die Analyse von 1.000 Personalberei-
chen deutscher Unternehmen in Bezug
auf ihre Ausrichtung auf drei Zukunfts-
aufgaben – Strategieumsetzung, Agilität
und Individualisierung der Personalar-
beit – ergab, dass kaum eine Organisa-
tion in allen drei Bereichen spitze ist.
Weiterhin fällt auf, dass Personaler über
deutliche Widersprüche in der täglichen
Arbeit klagen. Scheinbar unvereinbare
Konflikte entstehen beispielsweise,
wenn HR-Manager sich zwischen der
Verfolgung von sozialen oder ökonomi-
schen Zielen entscheiden müssen. Die
meisten Unternehmen unterdrücken
solche Spannungen und verfolgen stur
eine der beiden Zielrichtungen.
In jüngster Zeit erwächst allerdings
immer mehr Opposition gegen dieses
Vorgehen. Der CEO von Lego, Kjeld Kirk
Kristiansen, nutzte zum Beispiel die
Von
Fabiola Gerpott
und
Benedikt Hackl
Existenz von widersprüchlichen Anfor-
derungen gezielt für die Restrukturie-
rung des Unternehmens. Er entwickelte
die „Elf Paradoxien von Lego“ und sorgte
dafür, dass diese im Büro jedes Mana-
gers ausgehängt sowie in Workshops
diskutiert wurden.
Drei zentrale Herausforderungen
Im Folgenden beschreiben wir die drei
zentralen Herausforderungen für die
Personalabteilungen und erläutern die-
se in Bezug auf widersprüchliche Anfor-
derungen, die als Quelle der Inspiration
für HR-Innovationen dienen können.
Erstens: Strategieimplementierung
Eine strategische Ausrichtung von HR
ist wichtig, um die langfristige Planung
von Personalressourcen sicherzustellen.
Dass die Personalstrategie aus der Un-
ternehmensstrategie abgeleitet werden
soll, ist bekannt. Ebenso sind sich die
meisten Organisationen der Tatsache
bewusst, dass HR durch Rückmeldun-
gen über die Stärken und Schwächen
der eigenen Belegschaft an das Top-Ma-
nagement die künftigen Schwerpunkte
der Unternehmensausrichtung beein-
flussen kann. Viele Unternehmensstra-
tegien scheitern an der organisationa-
len Umsetzung und schlichtweg daran,
dass das Unternehmen für das neue Ge-
schäftsmodell zu wenig personalseitige
Kompetenzen aufgebaut hat.
Wie aber soll die Verfolgung lang-
fristiger Ziele mit der Fähigkeit zur
kurzfristigen Anpassung kombiniert
werden? Diese Anforderung der „kon-
tinuierlichen Inkonsistenz“ wird durch
eine Inside-out-Logik der Personalar-
beit realisiert. Darunter verstehen wir,
dass HR die Hoheit über die Gestaltung
strategischer Kernthemen wie Zielver-
einbarungssysteme, Steuerungslogiken
und die Messung personalseitiger Kenn-
zahlen zurückgewinnen sollte. Während
das Controlling ex post misst, wäre HR in
der Lage, frühzeitig im Sinne der Unter-
nehmensstrategie zu steuern.
Zweitens: Agilität
Agilität bezeichnet die Fähigkeit, durch
schnelle Reaktionen auf Veränderungen
sowie eine proaktive Gestaltung des
kontinuierlichen Wandels wettbewerbs-
fähig zu bleiben. Trotz der Notwendig-
keit zum Wandel müssen Unternehmen
jedoch auch über eine reflexive Lernkul-
tur verfügen, die ihnen das Lernen aus
Fehlern ermöglicht. Dieser Widerspruch
zwischen vorwärts gerichteter Innovati-
onsfokussierung und vergangenheits-
orientierter Fehleranalyse kann von HR
durch die Kommunikation einer „para-
doxen Vision“ erreicht werden.
Die Merck KGaA führte das Prinzip
des „pragmatischen Idealismus“ ein, das
das idealistische Suchen nach der best-
möglichen Lösung und das Bewusstsein
über künftige Marktanforderungen ver-
eint. Agilität kann dabei nicht vom HR-
Bereich auf andere Bereiche übertragen
werden, sondern benötigt einen wech-
selseitigen Austauschprozess zwischen
HR und Geschäftsführung, Führungs-
kräften und Mitarbeitern. Die Aufgabe
von HR ist das Einbringen von Ideen für
die agile Gestaltung von Führungsland-
schaften, Organisationskulturen und
Mit Widersprüchen umgehen
ORGANISATION.
Viele Personaler sind erstarrt inmitten von sozialen und ökonomischen
Zwängen. Wie können sie den widersprüchlichen Anforderungen gerecht werden?
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